25. Mai 2015
Die Handauflegung
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Die Auflegung der Hände findet sich bei allen Völkern und zu allen Zeiten. Die Hand ist nämlich für die Menschen der Inbegriff der Kraft. Mit der Hand schafft er, und deswegen bedeutet die Auflegung der Hände Kraftübertragung. Im Neuen Testament wird oft von der Auflegung der Hände gesprochen, und zwar in dreifacher Form. Die Auflegung der Hände findet sich
1. beim Heilverfahren,
2. bei der Spendung des Geistes und
3. bei der Amtseinsetzung.
Bei den Heilungen Jesu spielt die Handauflegung eine beträchtliche Rolle. In Bethsaida brachte man ihm einen Blinden und bat ihn, er möge ihn berühren. Jesus fasste den Blinden bei der Hand, führte ihn vor das Dorf, tat Speichel auf seine Augen, legte ihm die Hände auf und fragte ihn: „Siehst du etwas?“ Da blickte er auf und sprach: „Ich erblicke Menschen, denn ich sehe sie umherwandeln wie Bäume.“ Darauf legte er nochmals die Hände auf seine Augen. Da drang sein Blick durch und er war wiederhergestellt; er sah alles deutlich und klar. Ähnlich war es mit einer Frau, die seit achtzehn Jahren gekrümmt war. Osteoporose, Bechterew oder was sie für eine Krankheit gehabt haben mag, sie war achtzehn Jahre gekrümmt, konnte sich nicht aufrichten. Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sprach zu ihr: „Frau, du bist erlöst von deiner Krankheit.“ Er legte ihr die Hände auf, und zugleich richtete sie sich auf und lobte Gott. Auch an anderen Fällen können wir sehen, dass Jesus mit Handauflegung heilte. Man führte ihm einen Taubstummen zu, damit er ihm die Hände auflege. In Karpharnaum brachten sie ihm des Abends viele Kranke, und er legte allen die Hände auf und sie wurden geheilt. Die Nazarethaner staunten über die Wunder, die er durch die Auflegung seiner Hände vollbrachte. Der Herr hat nach seiner Auferstehung den Jüngern verheißen, dass auch sie mittels der Handauflegung Kranken die Gesundheit würden verleihen können. Und das ist auch geschehen. Die Apostelgeschichte berichtet von Fällen, wo eine Heilung durch Auflegung der Hände vollbracht wurde. Paulus war ja bekanntlich seit dem Erlebnis von Damaskus blind. Da legte ihm Ananias die Hände auf und er sah wieder. Der Vater des Publius auf Malta wurde durch Paulus auf ähnliche Weise geheilt. Und immer wieder berichten die Sammelberichte der Apostelgeschichte, dass Gott durch die Hände der Apostel: des Barnabas, des Paulus zahlreiche Wunder geschehen ließ. „Durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volk.“ Gott bedient sich sichtbarer Gesten für die Hervorrufung der Gesundheit, für die Hervorbringung wunderbarer Taten.
Zweitens: Durch die Handauflegung der Apostel wird der Charismengeist vermittelt, also jene Wirkung des Geistes, die sich in besonderen Aktionen kundtut: Zungenreden, prophezeien. Petrus und Johannes legten in Samaria den Getauften die Hände auf und so empfingen sie den Heiligen Geist. Paulus ließ die Männer in Ephesus, die nur die Johannestaufe empfangen hatten, auf den Namen Jesu taufen und danach legte er ihnen die Hände auf, und der Heilige Geist kam über sie. So sicher ist die Handauflegung mit dem Charismengeist, mit der Vermittlung des Charismengeistes verbunden, dass unter den Gegenständen, die den Täuflingen vermittelt werden, im Hebräerbrief gesagt wird: „Sie hören die Lehre vom Taufen und von der Handauflegung.“
Drittens: Auch die Übertragung eines kirchlichen Amtes oder Dienstes erfolgt unter Handauflegung. Besonders ergiebig sind hier die sog. Pastoralbriefe, also die Briefe, die Paulus an seinen Schüler Timotheus geschrieben hat. Im 1. Brief schreibt er ihm: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir zuteil wurde mit Handauflegung der Ältesten!“ Vernachlässige nicht die Gnadengabe, die dir zuteil wurde mit Handauflegung der Ältesten! Dieser Passus aus dem 1. Timotheusbrief ist ein grundlegender Beweis für Richtigkeit der katholischen Lehre vom Weihesakrament. Die Diener am Wort empfangen eben nicht nur wie im Protestantismus eine zeitweilige Beauftragung, nein, sie erhalten eine innere Begabung, die ihnen bleibt. Deswegen: Vernachlässige nicht die Gnadengabe, die dir zuteil wurde mit Handauflegung der Ältesten! Paulus warnt seinen Schüler Timotheus: „Lege niemand voreilig die Hände auf, damit du nicht mitschuldig wirst an fremden Sünden!“ Wenn man einen Kandidaten nicht genügend prüft vor einer Weihe, und er wird geweiht, dann richtet er womöglich als Geweihter größtes Unheil an. Deswegen: Lege nicht voreilig die Hände auf, und werde nicht mitschuldig an fremden Sünden. In seinem 2. Brief schreibt Paulus noch einmal: „Entfache – entfache! – von neuem die Gnadengaben Gottes, die in dir ruht – die in dir ruht, also bleibend vermittelt wurde – durch die Auflegung meiner Hände.“ Die Apostel setzen die von ihnen auserwählten sieben Männer, die sieben Diakone, in ihren Dienst ein, indem sie ihnen die Hände auflegen. Die Apostel haben also durch den Heiligen Geist die Macht und die Kraft und die Gabe empfangen, anderen durch Auflegung der Hände den Heiligen Geist zu vermitteln. So war es im Neuen Testament.
Nun, wie ist es in der Kirche? In der Kirche ist die Handauflegung wesentlicher Bestandteil der Spendung von drei Sakramenten. Erstens: Die Handauflegung ist Zeichen bei der Spendung der Weihe. Wenn Sie jemals eine Weihe zum Diakon, zum Priester oder zum Bischof mitgemacht haben, dann haben Sie den feierlichen Augenblick erlebt, wo der Bischof seine Hände auf das Haupt des Kandidaten legt und danach die sakramentale Formel spricht und auf diese Weise das Sakrament zustande bringt. Handauflegung und Weihegebet zusammen bilden den wesentlichen Inhalt des Weihesakramentes. Das ist bei allen drei Stufen so: beim Diakon, beim Priester und beim Bischof. Im Weihegebet werden die besonderen Gnadengaben für den Dienst erfleht, zu dem der Kandidat geweiht wird. Bei der Priesterweihe legen nach dem Bischof auch die anwesenden Priester die Hände auf. Nach allgemeiner Überzeugung der Theologen ist das kein Bestandteil des Sakramentes. Das ist eine symbolische Geste, durch die die Priester bezeugen, dass sie den eben vom Bischof Geweihten in ihr Priestertum, in ihre Priesterschaft aufnehmen.
Zweitens: Die Handauflegung ist begleitendes Zeichen auch bei der Spendung der Firmung. Die Kirche stützt sich hierbei auf den Bericht der Apostelgeschichte über das Geschehen in Samaria. Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes dorthin. Sie zogen hinab und beteten für die gläubig Gewordenen, damit sie den Heiligen Geist empfingen, denn er war noch auf keinen von ihnen gekommen. Sie waren nur getauft auf den Namen des Herrn Jesus. Da legten sie ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist. Diese Handauflegung ist der Beginn des Firmsakramentes, das die Pfingstgnade in der Kirche auf eine gewisse Weise fortdauern lässt. Auch heute noch wird die Firmung mit Handauflegung gespendet. Der Bischof oder der Firmspender legt die Hand auf das Haupt und bezeichnet dabei die Stirn mit Chrisam.
Drittens: Die Handauflegung ist auch wesentlicher Bestandteil bei der Krankensalbung oder der Letzten Ölung. Der auferstandene Herr erklärte: „In meinem Namen werden sie Kranken die Hände auflegen, und sie werden gesund werden.“ Hier liegt die Wurzel des Sakramentes der Krankensalbung oder der Letzten Ölung. Sie wird gespendet, indem man die Kranken auf der Stirn und auf den Händen mit ordnungsgemäß geweihtem Öl salbt und dabei die sakramentale Formel spricht: „Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Geistes: Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.“ So lautet die heutige Formel der Krankensalbung oder Letzten Ölung. Auch bei der Taufe und beim Bußsakrament ist die Handauflegung üblich, wenn sie auch kein wesentlicher Bestandteil des sakramentalen Zeichens ist. Die Handauflegung im Taufritus ist ein Exorzismus, also eine Beschwörung des bösen Feindes. Damit verbindet sich der Gedanke der Heilung. Im Bußritus der alten Zeit war Handauflegung über dem Büßer Zeichen der Wiederversöhnung. Sie ist bis heute erhalten in der Handerhebung vor der Lossprechung. Wenn meine Beichtkinder sprechen könnten, dann würden sie beobachtet haben, dass ich immer vor der Lossprechung die Hand erhebe. In der Kirche der Karmeliter in Mainz gibt es einen Pater, der bei der Lossprechung die Hände auf das Haupt des Büßers legt. Das ist ein sehr schöner Brauch – ich lasse ihn gern geschehen.
Die Spendung der Sakramente unter Handauflegung des Spenders vollzieht sich ohne sichtbare Wirkung. Das geistliche Geschehen ist ganz innerlich und unsichtbar. Vielleicht stößt sich jemand daran und sagt: Ich merke ja gar nichts davon, dass ich den Heiligen Geist empfangen habe bei der Priesterweihe, bei der Firmung, bei der Krankensalbung. Nein, der Empfänger verspürt körperlich nichts von der Wirkung der Sakramentenspendung. Der Körper hat keine Empfindung davon; man sieht nichts und man spürt nichts. Die Wirklichkeit des Vorgangs ist dadurch nicht in Frage gestellt, meine Freunde, denn die Spendung des betreffenden Sakramentes ist ein Geschehen, dass die Geistseele des Menschen betrifft, und freilich über die Geistseele auch auf den Körper wirken kann. In der Seele des Geweihten, des Gefirmten und des Gesalbten wird eine Wirkung hervorgebracht. Aber so lebendig die Seele als das Gestaltprinzip des Körpers ist, so lebendig die Seele ist, so wenig tritt sie nach außen in Erscheinung. Der ungläubige Pathologe Virchow soll einmal gesagt haben, er habe viele Leichen seziert, aber noch nie eine Seele gefunden. Die kann er nicht finden, denn das Sektionsmesser öffnet nur den Leib; es erreicht nicht die Seele. Die Prägung der Seele durch die Sünde oder durch die Gnade ist wirklich, aber sie ist nicht am Körper, sie ist nicht von außen ablesbar. Das Bewusstsein der Schuld und die Reue sind eine innerseelische Wirklichkeit, aber diese Wirklichkeit tritt nicht in die Sichtbarkeit ein. Es ist ja ähnlich beim Vorgang des Merkens, meine lieben Freunde. Wenn wir uns etwas aneignen, einprägen, in das Gedächtnis aufnehmen, haben wir keine körperliche Empfindung; der Geist nimmt es auf. Unser Geist nimmt ein Bild, eine Zahl, eine Wahrheit auf ohne ein feststellbares Geschehen im Körper. Die Spendung der Sakramente durch Handauflegung bewirkt etwas in der Seele des Empfängers, ohne dass diese Wirkung körperlich nach außen hin sinnlich wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Es kann nicht anders sein. Warum nicht? Die Unsichtbarkeit der Geistübertragung ist ein Ausdruck und eine Garantie dafür, dass hier Gott handelt und der menschliche Spender ihm lediglich als Werkzeug dient. Das Geschehen bleibt in der Macht Gottes, gerät nicht in die Verfügbarkeit des Menschen. Wenn die Geistübertragung sichtbar und spürbar geschähe, entstünde der Anschein, der menschliche Spender vermittle die göttliche Gnade, und nur er. Und das wäre ein unverzeihliches Missverständnis. Die Unsichtbarkeit der Wirkungen der Sakramente ist der Spiegel der Unverfügbarkeit der Gaben Gottes. Sie stehen im Schutz des Glaubens. Und was ist der Glaube? Das sagt niemand besser als der Verfasser des Hebräerbriefes: „Der Glaube ist die Zuversicht auf das, was man erhofft, die Überzeugung von dem, was man nicht sieht.“
Amen.