Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. April 1998

Falsche Deutung des Ostergeschehens

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Auferstehung unseres Herrn Versammelte!

Auferstehung – können wir das noch glauben? Nein, so sagen uns Millionen und Abermillionen, das können wir nicht mehr glauben. Nach der jüngsten Emnid-Umfrage weiß ein Drittel aller Deutschen nicht, was an Ostern gefeiert wird, und mindestens ein weiteres Drittel glaubt nicht an das, was an Ostern gefeiert wird. Es bleibt ein Rest, der an die leibhaftige Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus glaubt. Nein, das können wir nicht mehr glauben. Wir sind nicht mehr Menschen eines mythischen Zeitalters; wir haben die Fortschritte der Naturwissenschaft erlebt; wir sehen und wissen, daß Tote nicht auferstehen. Wir sehen, daß alle Menschen sterben, Staub zu Staub, Erde zu Erde, Asche zu Asche werden. Wir haben noch nie erlebt, daß ein Toter aus dem Grabe erstanden ist. Auferstehung – nein, das können wir nicht mehr glauben.

Nun gibt es aber eine nicht unbeträchtliche Zahl von Menschen, die trotzdem am Christentum festhalten möchten. Sie möchten weiter Christen sein, auch ohne an die Auferstehung Christi zu glauben. Darum greifen sie zu Umdeutungen des Geschehens von Ostern. Die einen sagen: Ostern feiern wir den Sieg des Geistes über die Materie. Andere meinen, Ostern werde das Wiedererwachen der Natur nach dem Winter begangen. Die am meisten verbreitete Ansicht aber ist: Die Botschaft von der Auferstehung ist ein Ausdruck für die Bedeutsamkeit des Kreuzes. Mit Jesus ist zwar nach dem Tode nichts geschehen, aber wir reden von Auferstehung, um damit zu sagen, daß der Tod Jesu nicht völlig sinnlos war, daß er eine Bedeutung hatte. Er war eben das Selbstopfer, das Hingehen eines Martyrers. So meinen die Ungläubigen unter denen, die sich noch Christen nennen, mit dem Ostergeheimnis zurechtzukommen – durch Umdeutung. Auferstehung aber, das können sie nicht mehr glauben.

Nun ist dieser Versuch, dem Christentum seine Geltung zu erhalten, indem man die Auferstehung Jesu umdeutet, nicht neu. Es gab auch in Korinth zur Zeit des Apostels Paulus schon Leute, die sagten: Auferstehung, das können wir nicht glauben, und die darum zu einer geistigen Umdeutung griffen. Der Apostel Paulus macht einer solchen Umdeutung den Garaus. „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist vergeblich unsere Predigt, vergeblich auch euer Glaube.“ Das heißt doch nichts anderes: Wenn Christus nicht wahrhaftig, leibhaftig auferstanden ist, dann muß die Kirche aufhören zu predigen, und dann müßt ihr aufhören zu glauben. Man kann nicht, ohne die Auferstehung Jesu im buchstäblichen Sinne zu glauben, ein Christ sein. Wer nicht an die wirkliche Auferstehung Christi glaubt, kann sich nicht mehr als Christ bezeichnen. Die Umdeutung der Auferstehung Jesu in eine irgendwie geartete Bedeutsamkeit trifft nicht den Inhalt und erfüllt nicht den Sinn der Auferstehungsbotschaft der christlichen Kirche. Wer sie nicht annehmen kann, der muß aufhören, sich als Christ zu bezeichnen. Wenn die Botschaft vergeblich ist und wenn der Glaube vergeblich ist, dann ist natürlich auch die Kirche vergeblich; dann ist das letzte Stündlein der Kirche gekommen. Man kann versuchen, das Leben Jesu weiter als wunderbar und vorbildlich anzusehen, aber das hilft uns nichts. Man kann auch seine Lehre schön und ergreifend finden, aber das nützt uns nichts. „Ist Christus nicht auferstanden, dann ist vergeblich unsere Predigt, vergeblich auch euer Glaube. Dann seid ihr noch in euren Sünden“, denn dann gibt es keine Sündenvergebung, so fährt Paulus gleich fort.

Wenn es so wäre, wie die Ungläubigen der heutigen Zeit sagen, dann müßte die gesamte Kirchengeschichte als Irrtum abgelehnt werden. Denn dann war das Grab Jesu nicht leer, und dann ist an Jesus nichts geschehen, dann war er tot und ist im Tode geblieben, dann ist das, was in 1900 Jahren Kirchengeschichte und in 1900 Jahren Missionsgeschichte geschehen ist, als auf Lüge und auf Trug aufgebaut anzusehen.

Nun kann uns das Beispiel der Zeugen der Auferstehung gewiß machen, daß auch sie anfangs nicht an die Auferstehung glaubten. Saulus von Tarsos war durch nichts so sehr gereizt wie durch die Botschaft von der Auferstehung. Aber nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Von diesem Zeitpunkt an war er von der Auferstehung Jesu überzeugt und rief sie in die ganze damalige Welt hinaus. „Ich konnte es nicht glauben, aber ich mußte es glauben.“ Ähnlich ist es mit den übrigen Zeugen der Auferstehung. Die Frauen, die zum Grabe kamen, waren entsetzt, aber nicht gläubig. Sie waren betroffen von dem, was sie da vorfanden, aber sie waren nicht überzeugt. Erst als der Herr ihnen erschien, da keimte der Glaube in ihnen, da sagten sie: „Wir konnten es nicht glauben, aber wir mußten es glauben.“ Ähnlich war es bei den Jüngern. Noch am Schluß des Markusevangeliums heißt es zweimal: „Sie glaubten nicht.“ Was sind das für seltsame Zeugen der Auferstehung, die in den Berichten, die sie für andere verfaßten, zugaben: „Wir glaubten nicht, wir konnten es nicht glauben, aber wir mußten es glauben“? Ähnlich ist es bei dem Apostel Thomas. Er sagte es frei heraus: „Ich kann es nicht glauben.“ Erst als er seine Hand in die Seitenwunde legte, da wuchs in ihm der Glaube. „Ich konnte es nicht glauben, aber ich mußte es glauben.“

Diese anfängliche Ungläubigkeit der Jünger und ihr späteres Gläubigwerden haben für uns eine ungeheure Bedeutung. Die Bedeutung liegt in folgendem: Die Tatsache, daß die Zeugen der Auferstehung und die Zeugen des Auferstandenen anfangs ungläubig waren, verschließt jeden Versuch, die Auferstehungsbotschaft als aus der Predigt der Gemeinde herausgesponnen zu erklären. Es ist ausgeschlossen, zu sagen: Die Auferstehungsbotschaft ist von der Gemeinde erfunden worden. Es ist völlig unmöglich, daß sie den verzweifelten Versuch unternommen hat, dem Sterben Jesu doch noch einen Sinn abzugewinnen, indem sie sagte: Er ist auferstanden. Es ist ganz undenkbar, daß das sehnsüchtige Verlangen: Ach, wenn er doch noch am Leben wäre, die Osterbotschaft hervorgetrieben hat. Alle diese Versuche, aus dem Inneren der Apostel, aus der Psyche der Jünger die Entstehung der Osterbotschaft zu erklären, sie als eine Gemeindebildung zu erklären, sind durch den anfänglichen Unglauben aller Auferstehungszeugen ausgeschlossen. „Wir konnten es nicht glauben, aber wir mußten es glauben.“

Die Alternative, vor die wir gestellt sind, lautet folgendermaßen: Entweder wir glauben, oder wir glauben nicht. Wenn wir nicht glauben, dann machen wir unsere Erkenntnisse und unsere Erfahrungen zum Maßstab für das, was Gott möglich ist. Wir sehen nicht, daß ein Toter dem Grab entsteigt; wir erleben nicht, daß ein toter Leib lebendig und verwandelt wird. Und das soll nun der Maßstab dafür sein, was Gott möglich oder nicht möglich ist. Es ist unsere Autorität, die Gott vorschreiben will, wie er zu sein hat und wie er zu handeln hat.

Dieser Ausweg des Unglaubens begegnet aber schweren Bedenken. Wer hätte es denn für möglich gehalten, daß eine Welt aus nichts entsteht? Wer hätte daran gedacht, daß der Sohn Gottes in nächtlicher Stunde auf diese Erde herniedersteigen würde? Wer hätte je davon geträumt, daß dieser Mann von Nazareth segenspendend durch die Lande wandelte, Kranke heilte, Tote erweckte, Besessene zum Frieden mit Gott führte? Nein, wir können Gott nicht vorschreiben, wie er zu sein hat und wie er zu handeln hat. Gott läßt sich von uns nicht maßregeln; er läßt sich von uns nicht verbieten, seine Macht, seine Allmacht zu zeigen. Und deswegen müssen wir wie die Zeugen des Evangeliums sagen: Wir können es nicht glauben, nämlich wenn wir von unseren eigenen Maßstäben ausgehen, aber wir müssen es glauben, wenn wir uns die Maßstäbe Gottes zu eigen machen. Wir können es nicht glauben, wenn wir nur an die Möglichkeit denken, die wir mit unseren Naturgesetzen haben, aber wir müssen es glauben, wenn wir bedenken, daß Gott der Herr der Naturgesetze ist.

Die Jünger kamen zum Glauben, weil der allmächtige Gott ihnen begegnet ist. Er ist ihnen begegnet in dem Auferstandenen. Sie haben von außen unwiderlegbare, überwältigende Erfahrungen gemacht, und diese Erfahrungen haben sie zu dem Glauben, zu dem sieghaften, zu dem nie aufgegebenen, zu dem weltüberwindenden Glauben gebracht: „Er ist wahrhaft auferstanden!“ Auch uns ist es möglich, zu diesem wahrhaft weltüberwindenden, sieghaften Glauben zu finden. Wir müssen uns nur auf Gott einlassen. Wir müssen nur Gott als den immer Größeren und unvorstellbar Gewaltigen uns vor Augen führen. Wenn immer wir Gott ernstnehmen als den, der das Nichtsein ins Sein ruft, der die Toten lebendig macht, wenn immer wir an dieser Erkenntnis festhalten, dann werden wir auch keinen Zweifel daran haben, daß Gott seinen Sohn Jesus Christus in verwandelter Gestalt aus dem Grabe gerissen hat. Die Predigt kommt von außen, die Gnade wirkt von innen. Wenn wir die Predigt von der Auferstehung gläubigen Sinnes annehmen, wenn wir auf das hören, was aus dem Munde der Apostel bis heute durch die ganze Welt hallt: „Er ist wahrhaftig auferstanden und dem Petrus erschienen“, dann kann auch in uns diese läppische Bemerkung verschwinden: Wir können es nicht glauben. Nein, wir müssen es glauben. „Christ ist erstanden wahrhaft vom Tod. Du Sieger, du König, sieh unsere Not!“

Amen.

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