Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
2. August 2020

Maria, die Gottesmutter

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In den Monat August fällt das Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel. Der Inhalt dieses Festes benötigt einen Vorlauf, um es zu verstehen. Wir wollen den heutigen und den folgenden Sonntag benutzen, um die Grundlagen für das Verstehen des Festes zu legen. Maria ist die Mutter Jesu und die Frau des Joseph. Der Engel Gabriel überbringt ihr eine göttliche Botschaft. Sie wird einen Sohn gebären, den sie Jesus nennen soll. Er wird „Sohn des Höchsten“ heißen. Die Empfängnis dieses Kindes wird nicht durch Verkehr mit einem Mann zustande kommen, sondern durch „Heiligen Geist“ und „Kraft des Höchsten“. Ohne Verlust der Jungfrauenschaft wird Maria Mutter des Messias. Maria war eine Prophetin. Sie sah in die Zukunft, und da erblickte sie, was sie in die Worte fasste: „Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.“ Maria hat ihre die gesamte Weltzeit ausfüllende Verehrung vorhergesehen. Allezeit galt in der Kirche: Christus nicht ohne Maria. Aber ebenso: Maria nicht ohne Christus. Die Verherrlichung der Mutter Gottes ist immer eine Verherrlichung ihres göttlichen Sohnes. Die Gottesmutter wird nur verehrt in Beziehung auf Christus und in Unterordnung unter denselben. Marienverehrung ist die beste Wegweisung zu Christus. Ein Konvertit aus dem Protestantismus erklärte: „Ich war immer davon ausgegangen, wenn die Menschen zu Maria gehen, wollen sie von Christus nichts wissen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Denn die Marienverehrung verbindet sich bei den meisten Leuten mit einer ganz großen Liebe zum Herrn Christus, zur Eucharistie und zur Kirche.“ Wer der Mutter nahesteht, kann dem Sohn nicht fremd sein.

Alle Verehrung, die Maria erwiesen wird, gründet in der Tatsache, dass sie den menschgewordenen Sohn Gottes geboren hat. Das mariologische Fundamentalprinzip ist die Gottesmutterschaft Marias. Als die Kirche auf dem Konzil zu Ephesus (431) Maria feierlich als die Gottesgebärerin ausrief, hat sie damit die wahre Gottheit des Messias Jesus Christus bezeugt. Wer eine Gottesmutter bekennt, bekennt damit die Gottheit ihres Sohnes. Der Philosoph Ludwig Feuerbach war ein erbitterter Gegner des Christentums. Aber er hat richtig gesehen, als er schrieb: „Wo der Glaube an die Mutter Gottes sinkt, da sinkt auch der Glaube an den Sohn Gottes und den Gottvater.“ Die Zurücksetzung der Mutter Jesu im Protestantismus hat sich gerächt. Mit der Gottesmutter ist ihm in großem Umfang der Gottessohn abhanden gekommen.

Das Leben Marias war das Leben einer Pilgerin. Es stand in der Wolke, die uns Gottes Antlitz verdeckt. Maria musste ihr Leben im Dunkel des Glaubens vollziehen. Ihr Glaube offenbarte sich besonders in ihrer Hingabe und in ihrem Vertrauen auf das Wort Gottes. Sie wagte ihre ganze Existenz auf das Wort hin, das ihr bei der Verkündigung der Mutterschaft gesagt wurde: „Du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Dieser wird groß sein und Sohn der Allerhöchsten genannt werden.“ Maria ließ nichts von dem zur Erde fallen, was ihr der himmlische Vater durch seine menschlichen Werkzeuge offenbarte. Sie bewahrte die preisenden Worte der Hirten ebenso wie die bitter-prophetischen Worte des greisen Simeon und das schmerzlich-ferne Wort des Zwölfjährigen im Tempel. Auch Jesu Wort auf der Hochzeit zu Kana nimmt sie im Glauben auf. Die Worte, die sie empfing, bewahrte sie getreu in ihrem Herzen, bemüht, nichts davon verlorengehen zu lassen. Wenn Gott sich ihr als unbegreifliches Geheimnis offenbarte, stellte sie keine Forderungen und erhob keine Klagen; sie vertraute darauf, dass Gott zu der von ihm bestimmten Zeit Rettung und Hilfe bringen werde. Im Glauben ist Maria den Weg der Schmerzen gegangen, auf den Gott sie geführt hat. Er begann mit ihrer Erwählung zur Mutter des Erlösers. Als ihr der Engel die Botschaft brachte, dass sie die Mutter des Sohnes Gottes werden solle, erschrak sie. Auch sie, die Hocherwählte, erlebt, wenn Gott in spürbare Nähe kommt, die Andersartigkeit Gottes und bedarf der Aufforderung, sich nicht zu fürchten. Noch mehr beunruhigte sie die Botschaft. Der Bote wies sich durch kein Wunder aus. Nichts anderes trug sie in diesem Augenblick als ihre Liebe und ihre Hingabe an Gott. Ihre Entscheidung fiel daher in der Freiheit der Liebe. Sie überantwortete sich mit ihrem ganzen Wesen dem göttlichen Willen: „Ich bin die Magd des Herrn, Mir geschehe nach deinem Wort.“ Mit dieser Äußerung hat sie Gott gleichsam eine Vollmacht ausgestellt für alle Fälle, für alle Zeiten, für alle Heimsuchungen. Sie verlangt gar nichts Näheres zu wissen, sie ist bereit; wenn sie nur weiß, dass Gott etwas will, dann ist sie schon bereit. Ihre Entscheidung war von größter Tragweite. In Maria hat die Menschheit den göttlichen Beschluss verstanden. In Maria hat die Menschheit Antwort gegeben: „Komm, Herr Jesus.“ Und Jesus kam. Sie sah sich auf einmal in die Mitte der Welt und der Geschichte gestellt. In ihr sollte das Alte Testament zu Ende gehen und das Neue seinen Anfang nehmen. Wir dürfen nicht meinen, dass Maria das Große, das der Mächtige an ihr getan hat, sogleich in seinem ganzen Sinn und in seiner Tragweite durchschaut hat. Sonst wäre nicht verständlich, dass es später mehrmals heißt, sie habe ihren Sohn nicht verstanden. Wie hätte sie auch die Geheimnisse Gottes verstehen können? Aber sie hat dem Ruf Gottes vorbehaltlos gehorcht, über alles Verstehen und Begreifen hinweg. Sie war ganz Hingabe, Bereitschaft, Empfänglichkeit für Gott. Eben die Magd des Herrn.

Nach dem schweren Gesetz, nach dem Marias Leben begonnen hat, geht es weiter. Ihre Mutterschaft ist für sie eine ständige Bewährung des Glaubens. Sie schenkt ihrem Kinde das Leben unter bedrückenden äußeren Umständen. In dem sich ihr verschließenden Bethlehem muss sie den Gottessohn in größter Armut gebären. Vor dem Hass des Herodes muss sie das Kind durch die Flucht retten. Ausdrücklich wird Maria in der Prophetie des greisen Simeon im Tempel als die Mutter der Schmerzen bezeichnet. Er wies auf kommendes Leid hin, das sie um ihres Kindes willen werde ertragen müssen. „Dieser ist bestimmt zum Falle und zum Auferstehen vieler und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird. Auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen.“ Maria muss es ertragen, wenn sie den Unglauben gegenüber dem Messias sehen wird. Christus wird für die Menschen zum Gericht werden. Maria hält dieser unerwarteten, ja unverständlichen Ankündigung Simeons stand. Sie empfängt sogar von ihm den Segen. Simeon segnete Maria und Joseph mit dem künftigen Leiden Jesu. Marias Glaube wankte nicht unter dem Andrang des Unverstandenen und Unbegreiflichen. Sie wurde nicht irre an ihrem Sohne. In ein besonders tiefes Dunkel des Glaubens wurde Maria durch ihr Erlebnis mit dem Zwölfjährigen im Tempel hineingeführt. Der wortlose Abschied des Kindes von Vater und Mutter war peinigend; Maria war fassungslos. Sie hörte mit großem Schmerz, dass der Vater im Himmel ihrem Kinde das Gesetz seines Lebens vorschreibt. „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ Nicht der Friede und die Geborgenheit häuslichen Zusammenlebens dürfen Christi Tun bestimmen. Maßgebend ist allein der Auftrag des Vaters. Jesus lebt aus einer Welt, deren vertrauter Mitwisser er allein ist. Seiner Mutter ist sie noch nicht aufgeschlossen.

Jesus kam in seine Vaterstadt Nazareth. Am Sabbat lehrte er erstmals in der dortigen Synagoge. Es steht nichts der Annahme entgegen, dass Maria unter den Zuhörern war. Man reichte ihm die Buchrolle mit den Texten des Propheten Isaias. Er öffnete sie und traf auf die Stelle: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich salbte. Armen das Evangelium zu verkünden, sandte er mich.“ Nach der Lesung begann er zu den Versammelten zu sprechen. „Heute hat sich erfüllt diese Schrift vor euren Augen.“ Und er legte die Weissagung des Propheten Isaias aus, doch wohl abweichend von der Weise, wie die Nazarener es gewohnt waren. Daher war die Wirkung seiner Rede anders, als er und wohl auch seine Mutter gehofft hatten. Die Anwesenden gerieten außer sich und sprachen: „Woher hat er denn dies? Ist er nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria?“ Und sie nahmen Anstoß an ihm. Der Evangelist Lukas berichtet sogar, dass sie von Zorn erfüllt wurden und ihn zur Stadt hinausstießen. Wie schmerzlich muss die Vorfall Maria getroffen haben! Aber es kam noch schlimmer. Jesus wirkte Wunder und Machttaten. Ihre Tatsächlichkeit wurde von niemand bestritten. Aber seine Feinde führten sie auf den Teufel zurück. „Durch Beelzebul, den Fürsten der Dämonen, treibt er die Dämonen aus.“ Dies war der Gipfel der Verkennung und Verleumdung Jesu. Wir dürfen annehmen, dass Maria davon gehört hat. Wie muss ihr zumute gewesen sein, den gottgeschenkten Sohn mit dem Teufel in Verbindung gebracht zu sehen!

Was Maria mit ihrem Sohn erfuhr, machte sie reif für die schwerste Stunde, die Gott ihr schickte, für die Stunde des Todes ihres Sohnes. Und was für ein Tod. Der Tod, der den Verbrechern zugedacht war. Der Tod der Kreuzigung. Maria weilte in der Leidenswoche in Jerusalem. Sie wird vernommen haben, dass die jüdische Obrigkeit nach ihrem Sohn fahndete. Sie wird gehört haben, dass er festgenommen, verhört, verhöhnt, verurteilt wurde. Wie mag sie mit ihm und für ihn gelitten haben! Und dann der Kreuzweg! Maria folgte dem Zug aus der Stadt zu dem Hügel, auf dem das Kreuz errichtet wurde. Sie war unter den weinenden Frauen von Jerusalem, die ihren Herrn und Meister beklagten. Sie vernahm die Hammerschläge, welche die Nägel durch die Glieder ihres Sohnes trieben. Sie stand unter dem Kreuz und blickte zu ihrem gekreuzigten Sohn empor. Sie hörte die Verhöhnungen der Umstehenden. „Der du den Tempel abbrechen und in drei Tagen aufbauen willst, hilf dir selbst, wenn du der Sohn Gottes bist. Steig herab vom Kreuze.“ Maria vernahm die letzten Worte des Gekreuzigten. „Vater, verzeih' ihnen. Sie wissen nicht, was sie tun.“ Maria erlebte den bitteren Tausch, den Jesus am Kreuze vornahm: „Frau, siehe deinen Sohn.“ Für Jesus erhielt sie den Johannes, für den Meister den Jünger, für den Sohn Gottes den Sohn des Zebedeus. Unter dem Kreuze hat Maria aus dem Mund ihres Sohnes zum letzten Mal Gottes Wort gehört, welches sie in ihrem Herzen aufbewahrte. Jetzt mag sie den prophetischen Spruch Simeons vom Schwerte verstanden haben. Da erfüllten sich auch die Weissagungen der alttestamentlichen Propheten über sie. „O ihr alle, die ihr des Weges kommt, habt acht und schaut, ob je ein Schmerz gleich ist meinem Schmerze“ (Klg 1,12). „Nennt mich nicht Noёmi, die Schöne, sondern nennt mich Mara, die Bittere, denn der Allmächtige hat mich mit Bitterkeit erfüllt gar sehr“ (Ruth 1,20). Unter dem Kreuze wurde Maria in höchstem Maß die Jüngerin ihres Sohnes. Sie erduldete unblutigerweise alle Martern ihres Sohnes an der Seele und nahm so Anteil an dem welterlösenden Opfertod Christi. „Angst und Trauer, Qual und Bangen, alles Leid hielt sie umfangen, das nur je ein Herz durchdrang.“ Das Kreuz, das Sinnbild des Glaubens, ist uns heilig, weil es gesalbt ist mit dem Blute des Heilands, aber auch, weil es geweiht ist mit den Tränen der Heilandsmutter. Als Frau der Schmerzen ist sie so recht die Mutter derer geworden, die in dem Tal der Tränen auf der Pilgerschaft sind. Sie versteht etwas von Leid und Not. Daher geht seit 2000 Jahren ein Strom von Vertrauen und von Bitten zu ihr. In Goethes „Faust“ fleht die angsterfüllte Margarete vor dem Bild der Schmerzensmutter: „Ach, neige, du Schmerzensreiche, dein Antlitz gnädig meiner Not! Das Schwert im Herzen, mit tausend Schmerzen, blickst auf zu deines Sohnes Tod. Zum Vater blickst du, und Seufzer schickst du hinauf um sein' und deine Not. Ach, neige, du Schmerzensreiche, dein Antlitz gnädig meiner Not.“ Margarete ist nur eine aus der endlosen Schar der Bedrängten und Bedrückten dieser Erde, die zu der Mutter des Gekreuzigten ihre Zuflucht nehmen. „Maria, Mutter, reine Magd, all unsere Not sei dir geklagt, denn du bist voll der Gnaden. Fürbitterin bei deinem Sohn, sieh her, wir knieen an seinem Thron, mühselig und beladen.“ Als Schmerzensmutter ist Maria die Mutter der immerwährenden Hilfe, die Zuflucht der Sünder, die Trösterin der Betrübten geworden. Barmherzige Mutter! Zu dir geht unter Rufen. Zu dir geht unser unstillbares Weinen in diesem Tal der Tränen. Wir strecken die Hände nach dir aus, die du drüben weilst in den Tiefen Gottes, und rufen zu dir, wir verbannte Kinder Evas; wir seufzen zu dir trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen. Heilige Mutter, erhöre uns!

Amen.

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