21. November 1993
Die Angriffe des Teufels
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
An den vergangenen Sonntagen haben wir erkannt, daß der Christ nicht nur mit dem Bösen zu rechnen hat, das mit seiner Freiheit gegeben ist; daß er auch nicht nur mit dem Bösen zu rechnen hat, das aus dem Hang zur Sünde, der seit der Erbsünde in ihm wohnt, gegeben ist. Nein, wir haben erkannt: Der Christ muß mit einer personalen Macht rechnen, die böse ist und das Böse um des Bösen willen will.
Christus hat die Macht des Bösen erfahren. In dem Kampfe in der Wüste hat er die Versuchungen des Satans abgewiesen. Aber Satan hat nicht von ihm abgelassen. Er gibt den Menschen seiner Umgebung ein, in Jesus nicht den gottgesandten Messias zu sehen, sondern einen vom Teufel Besessenen, also gewissermaßen einen Spießgesellen. In ergreifender Weise ist dieser Gegensatz zwischen Christus und dem Satan und den Versuchen der irdischen Amtsträger Satans, Christus zu verdächtigen, im 12. Kapitel des Matthäusevangeliums geschildert. Da heilte Jesus einen Besessenen, der stumm und blind war. Und die Volksscharen gerieten außer sich und sagten: „Ist dieser nicht am Ende der Messias?“ Aber die Pharisäer, die maßgebenden Männer im Volke, erklärten diese Austreibung anders. „Dieser treibt die Teufel bloß aus durch Beelzebub, den obersten der Teufel.“ Jesus kannte ihre Gedanken und suchte den Widerspruch zu widerlegen, der darin liegt, daß ein Reich, das in sich uneins ist, nicht bestehen kann. Wenn eben ein Teufel den anderen austreibt, dann ist ja das Reich Satans gespalten, und dann wäre es ja schon längst zu Ende mit ihm. Weil es aber nicht so ist, weil er den Teufel nicht durch den obersten der Teufel austreibt, sondern in der Macht Gottes, „deswegen ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen!“ Es ist also töricht, die Gegnerschaft zwischen Teufel und Jesus irgendwie zu verharmlosen oder zum Verschwinden zu bringen.
Es ist auch unverzeihlich! Denn an dieser Stelle spricht Jesus von der Sünde, die nicht vergeben wird. „Wer ein Wort redet wider den Menschensohn, dem wird vergeben werden. Wer aber wider den Heiligen Geist redet, dem wird weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden.“ Diejenigen, die ihn also verdächtigen des Teufelsbündnisses, begehen eine Sünde wider den Heiligen Geist, und diese Sünde ist unvergebbar.
Mit dieser Anklage, Jesus stehe mit dem Teufel in Verbindung, haben die irdischen Amtsträger Satans Jesus ans Kreuz gebracht. Weil in seiner Person das Reich Gottes erschienen ist, macht das Reich des Satans jede Anstrengung, um ihn zu bekämpfen und zu vernichten. Der eigene Landesherr – Herodes – verfolgt sein Landeskind, die frommen Priester, die Theologen, klagen ihn an, der eigene Jünger verrät ihn, die Volksmassen werfen mit Steinen nach ihm, und der römische Richter verurteilt ihn. Und so haben sie ihn ans Kreuz gebracht, weil sich alles gegen ihn verschworen hat. Vordergründig waren es die Menschen, die ihn getötet haben. Jedoch im Hintergrund wirkte der Böse in Person und bediente sich seiner irdischen Diener. Jesus selbst sagt es, wer hinter diesem Geschehen steht: „Das ist euere Stunde und die Macht der Finsternis!“ Und der Evangelist bemerkt, daß der Satan in Judas Ischariot gefahren war, der ihn verriet.
Im Tode Jesu schien der Satan triumphiert zu haben. Es hatte den Anschein, als ob er Christus vernichtet und sein Werk zerstört hätte; aber der Untergang Jesu war gerade sein Sieg. In einer undurchdringlichen Vermischung von Freiheit und Notwendigkeit hat er den Tod, dem ihn seine Feinde ausgeliefert haben, als freie Tat auf sich genommen. Er hat ihn als Tat der Liebe auf sich genommen. Das Kreuz Jesu ist umhüllt von der Glut einer göttlichen Liebe, und die äußerste Liebe ist diejenige, die das Leben hingibt für die anderen. Er hat sich also nicht überwältigen lassen von dem Haß, der ihn traf; er hat nicht Gewalt mit Gewalt und Trug mit List beantwortet, sondern er hat den Haß zum Verschwinden gebracht, indem er die Liebe, die Liebe bis zum Kreuze, die Liebe bis zum Tod am Kreuze bewährte.
Deswegen singen die Jünger Jesu das Siegeslied von Christi Sieg am Kreuze, etwa im Hebräerbrief: „Er hat durch den Tod den ohnmächtig gemacht, der die Gewalt des Todes hatte, d.h. den Teufel, und er hat alle die erlöst, die durch Todesfurcht ihr ganzes Leben lang im Banne der Knechtschaft standen.“ Und im Kolosserbrief: „Gott hat uns gnädig die Sünden vergeben. Er hat gelöscht den wider uns lautenden Schuldschein und seine Forderungen, hat ihn vernichtet, indem er ihn ans Kreuz heftete. Er hat entwaffnet die Mächte und Gewalten, hat sie offen an den Pranger gestellt und durch ihn über sie triumphiert.“
Durch den Tod Jesu, durch den Liebestod am Kreuze ist also der Satan tödlich getroffen, ist sein Reich unterworfen. Wer sich dem am Kreuze dem Vater sich opfernden Christus hingibt, der ist unüberwindlich. Nur wer sich in die Macht des Satans freiwillig begibt, über den kann er künftig Macht ausüben.
Aber freilich, Satan verfolgt auch nach dem Erlösungstode Jesu die Christgläubigen weiter, er bedient sich böser Menschen, um ihnen zu schaden. Er verfolgt die Kirche, die ja der fortlebende Christus ist, und sein Kampf gegen die Kirche geschieht immer in einer doppelten Weise: Die Angriffe kommen entweder von innen, indem der Satan versucht, die Kirche ihrer Sendung untreu zu machen, oder sie kommen von außen, indem er das Wirken der Kirche zu hemmen sucht. Beide Weisen der Angriffe Satans können wir heute an vielen Stellen dieser Erde beobachten; einmal, indem er versucht, die Menschen in der Kirche von den klaren Weisungen Jesu abzubringen. Ich erwähne ein Beispiel dieses Abgehens von den Geboten des Herrn: Wer Kommunionunwürdige zur Kommunion zuläßt, wer Kommunionunwürdigen ein gutes Gewissen macht, die Kommunion zu empfangen, der ist im Solde Satans!
Die Macht des Satans richtet sich gegenüber den Christgläubigen an erster Stelle gegen ihren Glauben; denn wer den Glauben hat, der ist in der Gemeinschaft mit Christus. Wer im Unglauben ist, der ist in der Gesellschaft Satans. Deswegen sucht er zu verhindern, daß die Menschen zum Glauben kommen. Der Apostel Paulus hat diese Erfahrung in Zypern gemacht. Da existierte ein Zauberer und Lügenprophet mit Namen Barjesus, und er suchte zu verhindern, daß der Statthalter der Insel, ein hoher römischer Beamter, zum Glauben kam. Aber Paulus rang den Satan in diesem Barjesus nieder. Er sprach zu ihm: „Du, voll allen Trugs und aller Bosheit, Kind des Teufels und Feind aller Gerechtigkeit, hörst du nicht auf, die geraden Wege des Herrn krumm zu machen? Siehe, die Hand des Herrn kommt über dich, du wirst blind sein und die Sonne nicht sehen.“ Sogleich befiel ihn Dunkel und Finsternis, er tappte umher und suchte einen, der ihn an der Hand führte. Als der Statthalter sah, was geschehen war, wurde er gläubig voll Staunen über die Lehre des Herrn.
Wie damals, so heute versucht der Satan zu verhindern, daß die Menschen zum Glauben kommen. Er drückt den Kindern Religionsbücher in die Hand, aus denen sie nicht den Glauben, sondern eher den Unglauben lernen können. Und wenn der Same des Wortes Gottes in die Seele geworfen ist, dann sucht er zu verhindern, daß dieser Same aufgeht und daß er Frucht trägt. Zu diesem Zwecke bedient er sich der Irrlehrer, also jener, die die Menschen verwirren, die sie verblenden, die ihnen ein bequemes Evangelium unterbreiten, das eingeht. Unser Herr und Heiland sieht, wie das Unkraut in die Seelen gesät wird, obwohl doch guter Same von ihm ausgeworfen wurde. Und jene, die gläubig geworden sind, sucht der Satan durch die Leidenschaften, durch die Begierden zu gewinnen. Er zerstört die Ehen, er bringt Unfrieden in die Kirche, er reizt zum Hochmut, zum Haß. Alle diese Wirkungen des Satans sind darauf gerichtet, das Reich Gottes in den Seelen zu zerstören, die Menschen aus der Herrschaft Gottes in seine eigene zu überführen.
Die Apostel haben immer wieder dieses Wirken Satans beschrieben, etwa Paulus im 2. Thessalonicherbrief: „Sein Auftreten geschieht mit Teufelskraft unter allen möglichen Trugzeichen und Lügenwundern und mit aller Verführung zur Bosheit bei denen, welche verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, um gerettet zu werden. Darum wird Gott ihnen einen starken Irrwahn schicken, daß sie der Lüge glauben.“ Und dann sind es die Lügenpropheten, die Irrlehrer, die der Apostel immer wieder den Gemeinden vor Augen hält, um sie die Unterscheidung der Geister zu lehren. „Die Betreffenden sind nämlich Lügenapostel, Pfuscher in ihrer Arbeit, die sich das Aussehen von Aposteln Christi zu geben suchen. Und das ist kein Wunder, denn der Satan selbst verkleidet sich in einen Engel des Lichtes. Darum ist es nichts Sonderliches, wenn auch seine Diener sich verkleiden als Diener der Gerechtigkeit. Doch ihr Ende wird sein nach ihren Werken!“
Das Wirken Satans erreicht seinen Gipfel am Ende der Tage. Da wird es ihm gegeben sein, eine Herrschaft, eine Scheinherrschaft aufzurichten, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Mit Trug und Verführungskünsten wird er auftreten, und es besteht die Gefahr, daß selbst die Christgläubigen von ihm überwunden werden. Da heißt es, das Herz zu wappnen mit Glauben und Liebeskraft, sich an Christus zu klammern und auf seine Wiederkunft zu hoffen und sie zu ersehnen. Am Ende freilich wird Gott triumphieren und wird den Satan für immer und ewig zur Wirkungslosigkeit und zur Machtlosigkeit verdammen.
So gewichtig die Dämonologie in der katholischen Theologie ist, so bedeutsam das Auftreten des Teufels und das Wirken seiner Satrapen ist: Der Christ kann doch gewiß sein, daß Gott, der Allmächtige, Herr dieses Herrn der Welt ist. Der Teufel kann nur denjenigen schaden, die sich in seine Macht begeben. Der freie Wille ist es, der sie in die Bande des Teufels schlägt. Die Kirchenväter vergleichen die gegenwärtige Situation des Teufels mit einem Hunde, der an einer Kette liegt. Er kann bellen, soviel er will; beißen kann er nur den, der sich in seine Nähe begibt. So ähnlich ist es auch mit dem Wirken des Satans. Nur wer sein Herz nicht wappnet mit Glaube und Liebe, mit Demut und mit Wahrheit, nur der ist durch den Teufel gefährdet.
Auf dem Nordportal des Freiburger Münsters ist ein Bild zu sehen: Gott sitzt auf seinem Throne, zu seiner Rechten kniet ein anbetender Engel. Gott wendet ihm seinen Blick zu und segnet ihn mit der Rechten. Zur Linken sucht ein Teufel mit einem häßlichen Affengesicht einen Thronsessel an die Stelle von Gottes Thron zu rücken. Gott würdigt ihn keines Blickes, sondern er weist ihn nur mit der Linken ab, und da knickt der Rebell zusammen. Das ist eine schöne bildliche Darstellung unserer gegenwärtigen Lage. Mit den heiligen Engeln sind wir in Gottes Schutz, im Schutz des Herrn, von dessen Liebe uns nichts und niemand trennen kann. Wenn wir deswegen die Lehre vom Teufel und seinen Satrapen im Glauben bejahen, so leben wir doch nicht in der Furcht, sondern in der zuversichtlichen Hoffnung, daß uns mit Gottes Hilfe der Satan nicht schaden kann, sondern daß wir über ihn triumphieren und in alle Ewigkeit uns mit Gott freuen werden.
Amen.