8. September 2024
Johann Nepomuk Neumann
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Johannes Nepomuk Neumann wurde am 28. März 1811 geboren. Er stammt aus Prachatitz, in Südböhmen gelegen, war ein Sudetendeutscher. Er war der Sohn eines deutschen Vaters und einer tschechischen Mutter. Der Vater war 1802 aus dem unterfränkischen Obernburg am Main ausgewandert und hatte sich in der Handelsstadt Budweis am Ende des Goldenen Steiges niedergelassen. Johannes Neumann wuchs in einer kinderreichen katholischen Familie auf; er war das älteste von sechs Kindern, besuchte das Gymnasium und das Priesterseminar in Budweis. Später wechselte er an die Universität in Prag. Neumann war vielseitig wissenschaftlich interessiert. Eine besondere Neigung hatte er für Botanik und Astronomie. Sowohl das Gymnasium als auch die Universität waren josephinisch geprägt. Die Kirche wurde als Staatsanstalt betrachtet und dem Staat dienstbar gemacht. Der Staat griff mit seinen Dekreten in ihr innerstes Leben ein. 738 Klöster wurden aufgehoben, aber auch zahlreiche Pfarreien und andere Seelsorgestellen neu errichtet. Die bischöflichen Seminarien wurden aufgehoben, dafür Generalseminarien errichtet. Der theologische Unterricht wurde durch unkirchliche Lehrbücher beeinflusst. Das josephinische System dauerte auch nach dem Tod Kaiser Josephs II. (20.2.1790) fort. Neumann war ein stiller, bildungsbeflissener Priesterkandidat. Mitstudenten machten sich über ihn als „überkatholischen“ Mann lustig. Er war durchdrungen von der Größe und Heiligkeit Gottes. Ihm wollte er näherkommen. 1835, mit 24 Jahren, beendete er das Theologiestudium. Wegen der übergroßen Zahl der Priester in der Diözese Budweis wurden die Weihen für seinen Kurs aufgeschoben.
Er entschloss sich, ohne Weihen nach Amerika zu gehen. Er hatte gehört, dass man in Nordamerika dringend Priester für die deutschen Auswanderer suche. Am 8. Februar 1836 verließ er sein Elternhaus, ohne zu wissen, ob er in Amerika einen Bischof finden werde, der ihn in seine Diözese aufnehmen würde. In dem Abschiedsbrief an die Eltern schrieb er: „Ich bin überzeugt, dass es der Ruf Gottes ist, mich dem Heil der Verlassenen und Unwissenden zu opfern.“ Am 20. April 1836 stach er von Le Havre in See, um nach New York zu segeln. Am 1. Juni 1836 betrat er amerikanischen Boden. Bereits am 25. Juni 1836 wurde er in New York von Bischof John Dubois zum Priester geweiht. Drei Tage später war er auf dem Weg zu seinem ersten Wirkungsgebiet bei den Niagarafällen im Bereich der großen Seen. Vier Jahre lang betreute er die deutschen, französischen und irischen Siedler in einem Umkreis von etwa 80 Kilometern. Er sprach acht Sprachen. Seine Arbeit war hart und entsagungsreich. Armut, Mühe und Enttäuschung bestimmten sein Leben. In gleichem Maße wuchsen sein Gottvertrauen und sein seelsorglicher Eifer. In sein Tagebuch schrieb er: „Herr, gib mir eine größere Liebe zu deinen Erlösten, damit ich in Geduld, Weisheit und Heiligkeit ihr Heil wirke.“
Von den Anstrengungen zermürbt, von Malaria geschüttelt, brach er Ostern 1840 zusammen. Da gab der Brief des Redemptoristen Prost seinem Leben eine neue Wende. Am Schluss des Briefes standen die beiden Worte: „Vae soli!“ Wehe dem, der allein steht. Im November 1840 trat Neumann in Pittsburgh in den Orden der Redemptoristen ein. Sein Bruder Wenzel folgte ihm als Ordensbruder. In seinem Lebenslauf schreibt Johann Neumann: „Ich selbst war nie ein rechter Novize, denn als ich in unsere liebe Kongregation eintrat, gab es noch keinen Novizenmeister und kein Noviziat in Amerika. Aber ich habe des ungeachtet viele Erfahrungen gemacht und viele Versuchungen kennengelernt, mit denen der alte Feind die Rekruten des hl. Alfonsus heimsucht.“ Die Chronik des Noviziats bemerkt: „Dieser erste Novize unserer amerikanischen Provinz genoss nicht den regelmäßigen Unterricht und die sorgfältige Leitung eines geordneten Noviziates. Dennoch ward er sogleich mit den Arbeiten reifer Ordensmänner betraut und zeichnete sich aus durch treue Beobachtung der Ordensregeln, durch Liebe zur Kongregation und durch große Tugenden.“
Seine erste Pfarrstelle nach Ablegung der Gelübde war für Pater Neumann die Seelsorge an der Alfonsus-Kirche in Baltimore, wo es damals 4000 deutsche Katholiken gab. Er betreute dann die Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau, die von München nach Nordamerika gekommen waren. Sie verehren Neumann zu Recht als ihren Gründer in Amerika. Er gründete selbst eine franziskanische Schwesterngemeinschaft und hielt Diözesansynoden ab. 1844 wurde er Rektor des Pittsburgher Klosters, 1846 Oberer aller amerikanischen Niederlassungen des Ordens, 1848 erster Vizeprovinzial in Nordamerika. Er leitete seine Brüder in den ersten schwierigen Jahren entschieden und klug. Zu seinen Untergebenen war er wie ein Vater. Neben seinen Amtsgeschäften war er ständig in der Seelsorge tätig. Doch er wusste und wiederholte es ständig gegenüber seinen Mitbrüdern: Mehr als alle äußere Wirksamkeit zählt das Gebet. „Die Welt wird mehr durch das Gebet bekehrt als durch alle anderen Mühen“, schrieb er im Dezember 1851. In seinem Amt als Oberer abgelöst, konnte sich Neumann 1849 der Theologischen Wissenschaft widmen, der seine besondere Liebe gehörte, und sich neben der Seelsorge schriftstellerisch betätigen. Er gab einen kleinen, einen großen Katechismus und eine Biblische Geschichte heraus. Der Kleine Katechismus in deutscher Sprache erlebte 30 Auflagen, ein größerer englischer wurde 18mal nachgedruckt. Er arbeitete an einem umfassenden theologischen Werk, konnte es jedoch nicht vollenden. Am 1. Januar 1852 ernannte ihn Papst Pius IX. zum Bischof von Philadelphia, damals nach New York und Baltimore die bedeutendste Diözese Amerikas. Er sträubte sich, allein der Papst befahl ihm, die Bischofswürde anzunehmen „aus Gehorsam und ohne weitere Berufungsmöglichkeiten“. Neumann fügte sich. Er wählte als Wahlspruch für sein Bischofswappen: „Leiden Christi, stärke mich!“ Die innere Verbundenheit mit dem leidenden Christi trug ihn über alle Fährnisse. Sein Leben als Bischof war eine Zeit ständiger Überforderung und schonungslosen Einsatzes. „Man kann gar nicht glauben, dass dieser Mann ein Bischof ist“, sagte einmal eine Frau von dem neuen Oberhirten. Ein Bischof, der am liebsten mit den armen Leuten ihre Kartoffelsuppe löffelte, ein Bischof, der seine Gewänder selber in einem Handkoffer zur Kirche trug, der am frühen Ostermorgen in einem bunten Tuch die Ostereier für die Ministranten durch die Stadt schleppte, der eigenhändig das Geschirr spülte, und alles tat, als wäre es die gewöhnlichste Sache der Welt, das war auch in Amerika des neunzehnten Jahrhunderts etwas Ungewöhnliches. Dabei wollte er gar nichts Außergewöhnliches tun. Es fiel ihm schwer, repräsentativ aufzutreten, und bei vornehmer Tafel war er auffallend schweigsam und wortkarg. Viel lieber als mit den Damen und Herren der „gehobenen“ Gesellschaft unterhielt er sich mit den armen Leuten. Sie konnten ihn besuchen, wann sie wollten, hatte er doch gesagt: „Wenn ihr etwas braucht, lasst es mich bitte wissen! Ich werde dann schon sorgen.“
Neumann war ein Bischof, der sich der Not seiner Zeit und seiner neuen Heimat stellte und die Lage sicher und klar beurteilte. Mit staunenswertem Weitblick und unablässiger Energie nahm er das Problem der Schule in Angriff. Er konnte es nicht mit ansehen, wie die Kinder in liberalen staatlichen Schulen der Kirche und dem Glauben entfremdet wurden. „Keine Pfarrkirche ohne Pfarrschule“ – für dieses Programm warb er unablässig. Beim ersten Nationalkonzil der amerikanischen Bischöfe im Mai 1852 in Baltimore horchten die versammelten Oberhirten auf, als der sonst so schweigsame Mann sein klar durchdachtes Schulprogramm vorlegte. Doch er redete nicht nur, er handelte. Annähernd hundert neue Schulen entstanden während seiner kurzen Amtszeit. Es ist sein bleibendes Verdienst, dem System der Pfarrschulen in Amerika Heimatrecht gegeben zu haben, jenem System, das heute noch das auffallendste Merkmal des katholischen Lebens in den Vereinigten Staaten ist. Neben der Schule galt seine Arbeit vor allem dem Bau von Kirchen. Ungefähr achtzig Kirchen und Kapellen konnte er erstellen. Der bescheidene Mann, der seine tiefste Freude im stillen Gebet fand, fern aller äußeren Aktivität, wurde, da ihm nun einmal ein Amt übertragen war, zu einem Mann äußerster Aktivität. Doch es war nicht blinde Arbeitswut, was ihn nicht zur Ruhe kommen ließ, so dass er mitunter, bis tief in die Nacht hinein arbeitend, die wenigen Ruhestunden am Schreibtisch schlafend verbrachte. Auch in seiner Arbeit als Bischof ging es ihm einzig um das Heil der Menschen. Kein Priester in seiner Diözese verbrachte mehr Zeit im Beichtstuhl als er. Er gönnte sich keine Ruhe. Das Übermaß der Arbeit brauchte die Kräfte Neumanns allzu früh auf. Am 5. Januar 1860 brach er, noch nicht neunundvierzig Jahre alt, auf einer Straße Philadelphias zusammen. Er war sofort tot. Im Hinblick auf das plötzliche Sterben des Bischofs sagte Erzbischof Kenrick von Baltimore bei seinem Begräbnis: „Er war jeden Augenblick vorbereitet zu sterben, denn er wandelte mit Gott und lebte aus dem Glauben.“ Sicher traf er damit das letzte Geheimnis seines Lebens. Papst Paul VI. sprach Bischof Neumann am 13. Oktober 1963 selig. 1977 wurde er heiliggesprochen. Sein Festtag ist der 5. Januar.
Bischof Neumann ist unvergessen. Seine sudetendeutschen Landsleute verehren ihn. Die deutschen Bewohner von Prachatitz wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben. Die Neuansiedler wussten kaum etwas von dem großen Sohn ihrer Stadt. Heute erinnert am Geburtshaus in der Neumann-Straße eine Tafel in tschechischer, deutscher und englischer Sprache an ihn. Das Haus hatte die älteste Schwester des Bischofs geerbt. Sie trat bei den Borromäerinnen ein. So wurde das Geburtshaus ein kleines Kloster. Seit der Wende betreuen es wieder die Borromäerinnen. Zu den Jubiläumsfeierlichkeiten hat die Tschechische Bischofskonferenz auch die vertriebenen Sudetendeutschen eingeladen. Johannes Neumann ist ein Heiliger für die Gegenwart. In einer Zeit, wo Bischöfe versagen und an der Selbstzerstörung der Kirche arbeiten, ist das Beispiel eines tiefgläubigen, gelehrten und sich selbst verzehrenden Oberhirten ein Zeichen des Lichtes. Nehmen wir unsere Zuflucht zu ihm! Rufen wir ihn an! Flehen wir für die verirrten Bischöfe!
Amen.