29. Mai 2016
Das Gastmahl unseres Herren
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
„Ein Mann bereitete ein großes Gastmahl“, so hebt das Evangelium der heutigen Messe an. Wir wissen, welches Gastmahl damit gemeint ist. Es ist das große Mahl der Liebe, bei dem Jesus selbst Gastgeber und Speise ist. Das heilige Mahl, das er zum ersten Mal in der feierlichen Abschiedsstunde vor seinem Opfergang den Jüngern bereitete und das die Kirche in seinem Namen seit ihrer Gründung Tag für Tag ihren Kindern bereitet. Als in den Anfängen des Christentums die Verfolgung ausbrach, da bekannte ein Christ vor den Richtern: „Wir können nicht ohne dieses Gastmahl sein.“
Wer lädt hier ein? Es ist unser Herr und Heiland. Er ist der Gastgeber, er lädt ein; Menschen tun es nur in seinem Auftrag. Er setzt die Bedingungen der Teilnahme fest, die Menschen wenden sie lediglich an. Sie haben keine Befugnis, andere Eignungsvorschriften zu erlassen, als der Herr sie erlassen hat. Wozu lädt er ein? Zum heiligen Mahl der Gnade, zum Empfang des Herrenleibes, zur Vereinigung mit unserem Heiland. Unsere Sinne nehmen nur ein unscheinbares Stück weißen Brotes wahr. Aber unsagbar ist das, was in diesem weißen Scheibchen enthalten ist, nämlich der Gottmensch selbst mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. Ich habe mich in jedem Jahr bemüht, in die geheimnisvolle Welt des eucharistischen Heilandes einzudringen, und ich habe in diesen Jahren, in diesen 65 Jahren meines Priestertums – Gott sei es geklagt – kaum Fortschritte gemacht. Es ist mir immer nur eingefallen das, was die Kirche feierlich definiert hat, nämlich dass Jesus, unser Heiland, mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit enthalten ist. Wie sollte er es denn anders machen, wenn er bei uns sein wollte, wenn er sich einem jeden schenken wollte, wenn er auch sichtbar in uns eingehen wollte, wie sollte er es denn anders machen? In einer Weise, wie sie inniger nicht gedacht werden kann, vereinigt sich hier der Schöpfer mit dem Geschöpf, der Heiligste mit dem Sünder. Und durch diese Vereinigung werden wir gleichsam umgewandelt, nehmen wir teil an der göttlichen Natur Christi. Kann es etwas Größeres geben? Der heilige Augustinus hat es in Worte gefasst: „Obwohl er der Weiseste ist, wusste er nichts Besseres zu geben. Obwohl er der Allmächtige ist, konnte er nichts Besseres geben. Obwohl er der Reichste ist, hatte er nichts Besseres zu geben.“ Und dieser Reichtum ist uns geschenkt. Die heilige Kommunion vereinigt uns mit Jesus, dem Quell aller Gnaden. Sie vermehrt die heiligmachende Gnade, sie schwächt die bösen Neigungen, sie gibt uns Kraft und Lust zum Guten, sie reinigt uns von lässlichen Sünden und bewahrt uns vor Todsünden. In diesen Sätzen fasst der alte Katechismus die Wirkungen des eucharistischen Opfersakramentes zusammen.
Wen lädt er ein? „Er lud viele ein“, heißt es im Evangelium, und dieses „viele“ kann verstanden werden als „alle“, aber freilich als alle Bereiteten, alle, die fähig sind, zu diesem Gastmahl zu kommen, alle, die geeignet sind, diese Speise zu empfangen. In dem Sinne kann man sagen: er lädt alle ein. Aber ein jeder muss die Voraussetzungen erfüllen, die für den Genuss des Herrenleibes erforderlich sind. Welches sind denn die Voraussetzungen?
1. Der Glaube,
2. die Freiheit von schwerer Sünde,
3. die Ehrfurcht.
Der Glaube an die wahre Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. Wenn Jesus dieses Mahl eingesetzt hat, und wenn er wollte, dass es bis zum Ende der Welt gefeiert wird, dann musste er dafür sorgen, dass das Verständnis dieses Geschehens in der Kirche bestehen bleibt, das wahre Verständnis, nicht irgendein Verständnis, sondern das einzige legitime, das Verständnis, das er hineingelegt haben wollte. Die Kirche lässt nicht mit sich handeln. Im Lauf der Geschichte sind immer wieder Theologen, irrlehrende Theologen aufgestanden, die das Geheimnis der eucharistischen Gegenwart Christi dem Verständnis der Menschen anpassen wollten. Die Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts wollten es besser wissen als die Kirche 1500 Jahre vorher, die den Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes den Menschen gelehrt hat. Wenn Sie einmal, meine lieben Freunde, ins bayerische Schwaben kommen, dann versäumen Sie nicht, das Benediktinerkloster Ottobeuren zu besuchen. In diesem Kloster befindet sich ein Bild. Auf diesem Bilde sitzt unser Herr Jesus mit den Glaubensneuerern an einem Tisch, als wolle er mit ihnen Abendmahl halten. Jeder der Tischgenossen hat vor sich ein Spruchband, auf dem seine eucharistische Ansicht dargestellt ist. Auf dem Spruchband des Ulrich Zwingli steht: „Das bedeutet meinen Leib.“ Auf dem Band des Johannes Calvin liest man: „Das ist Kraft von meinem Leib.“ Martin Luthers Inschrift lautet: „Das enthält meinen Leib.“ Jesus aber blickt in leiser Wehmut, doch voll Liebe auf das Brot in seiner Hand und spricht: „Das ist mein Leib.“ Alle von der Kirche Abgefallenen rüttelten bisher an dem Geheimnis des eucharistischen Opferleibes, vor allem an dem Begriff Transsubstantiation. Mit diesem Begriff hat die Kirche seit 1000 Jahren den Inhalt des eucharistischen Opfergeheimnisses ausgedrückt – Wesensverwandlung. Die Glaubensneuerer suchten ihn loszuwerden, durch andere Worte zu ersetzen. Die kirchliche Autorität hat niemals zugelassen, dass dieses heilige Wort aufgegeben wird. Papst Paul VI. hat eine eigene Enzyklika, einen eigenen Rundbrief geschrieben, um das heilige Wort Transsubstantiation zu erhalten – denn mit dem Worte fällt die Sache!
Das Zweite, das wir brauchen, um am Gastmahl des Herren teilzunehmen, ist Sündenfreiheit. Die Menschen sind Sünder, und die Sünde ist eigentlich das größte Unglück, das einen Menschen treffen kann. Die Sünde ist Auflehnung gegen Gott, ist Widerstand gegen sein Gebot, ist Verletzung der Ordnung, die Gott aufgestellt hat. Wir unterscheiden lässliche Sünden und Todsünden. Lässliche Sünden werden auch Wundsünden genannt, weil sie den Menschen verwunden, seine Seele verwunden. Todsünden sind solche, die das göttliche Leben ersticken, die das göttliche Leben in uns auslöschen, die uns der heiligmachenden Gnade berauben. Wer zum eucharistischen Opfermahl hinzutreten will, der muss frei sein von Sünden, frei sein von schweren Sünden. Dazu ist das Sakrament der Buße da, aber die Kirche ermuntert und ermahnt uns auch immer wieder bei der Feier der Eucharistie, Sündenvergebung zu erbitten. Sie lehrt uns einen Reueritus am Anfang der Messe: Durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld habe ich dich beleidigt, mein Gott, verzeih mir. Und unmittelbar vor der Kommunionausteilung ruft der Priester noch einmal Gottes Segen über die Kommunionteilnehmer herab, Gott möge auch die letzten Reste einer Sünde oder Sündenneigung in ihnen tilgen. So ernst nimmt die Kirche das Gebot der Freiheit von Sünde, das uns zum eucharistischen Mahl führt. Wer es ändern will, meine lieben Freunde, der verirrt sich. Wer die Vorrausetzungen bezüglich der Sündenreinheit abschwächen will, der vergiftet den Kommunionteilnehmer! Paulus sagt es mit seinen Worten: „Wer unwürdig isst oder trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht.“ Es ist bezeichnend für die Liturgie der nachkonziliaren Kirche, dass dieser Satz ausgelassen wird. Warum denn?!
Das Dritte, das wir mitbringen müssen für das heilige Mahl, ist Ehrfurcht. Ehrfurcht ist scheue Liebe und liebende Scheu. Ehrfurcht weiß um die Erhabenheit Gottes und um das eigene Ungenügen, und so fühlt sie sich angezogen von der Güte Gottes und abgestoßen von der eigenen Bedürftigkeit. Scheue Liebe und liebende Scheu, das ist Ehrfurcht. Sie ist zunächst eine innere Haltung, aber sie drückt sich nach außen aus. Aus Ehrfurcht knien wir vor dem Allerheiligsten, aus Ehrfurcht vermeiden wir den Zugriff auf die Speise mit der Hand. Ehrfurcht lehrt uns in geeigneter Weise, auch äußerlich zugerüstet, zu dem heiligen Mahl zuzutreten. Der ganze Aufwand, den die Kirche bei der heiligen Messe beobachtet, ist ein Hinweis, wie kostbar sein Inhalt ist und wie ehrfürchtig wir hinzutreten sollen, also der geschmückte Altar, der goldene Kelch und die goldene Monstranz, die festlichen Gewänder, die erhabenen Gesänge, der Segen. Das alles soll uns aufmerksam machen: „Kommt her ihr Kreaturen all, kommt, was erschaffen ist; kommt her und sehet allzumal, wer hier zugegen ist.“
Die Einladung steht, aber ihr Erfolg? Es wiederholt sich das, was der Heiland vorausschauend im Gleichnis geschildert hat: „Da fingen alle, alle!, nacheinander an, sich zu entschuldigen.“ Dürftige Entschuldigungen: Ich habe keine Zeit, ich muss mein neues Landhaus besichtigen, ich muss meine Ochsen erproben, ich muss mein Haus neu einrichten. Die Gründe sind der Form nach verschieden, die Gesinnung aber ist bei allen dieselbe: Mein Besitz, meine Beschäftigungen, mein Genuss liegen mir mehr Herzen als du und dein Mahl. Das ist das Schicksal, das der eucharistische Heiland tausendfach erdulden muss. Er ruft die Menschen mit seiner ganzen Liebesglut, er ruft ihnen täglich zu: Kommet zu mir, ich will euch meinen Leib geben, um euren Leib zu heiligen, meine Seele, um eure Seele mit Gnaden zu füllen, meine Menschheit, um euch meiner Gottheit teilhaftig zu machen. Ich will eure Krankheiten heilen, will euch in euren Leiden trösten und euch in euren Kämpfen siegreich machen. Nichts Segenvolleres gibt es für uns als dieses überfließend reiche Mahl. Und doch erhält Christus immer wieder von ungezählten Christen die schäbige Antwort: Ich habe keine Zeit. Irdischer Erwerb, irdische Sorgen, Geschäft und Arbeit, Vergnügungen und Genuss; für alles das haben sie Zeit. Aber wenn der Gottessohn ruft, wenn der Gottessohn ihnen Schätze von unmessbarem Wert anbietet, wenn er Einkehr halten will, dann haben sie keine Zeit. Darin liegt die tiefe Kränkung, die Menschen dem Heiland zubereiten, die tiefe Gleichgültigkeit gegen seine Einladung.
Die Folgen: „Da wurde der Hausvater zornig.“ Der Zorn Gottes, meine lieben Freunde, ist ein Bestandteil der Frohbotschaft, ist ein Bestandteil des Evangeliums. In den Heiligen Schriften ist häufig vom Zorn Gottes die Rede. Auch wenn das heute unterschlagen wird, es bleibt geschrieben! „Gottes Zorn offenbart sich vom Himmel über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen“, schreibt Paulus in seinem großen Schreiben an die römische Gemeinde. Der Zorn Gottes ist Ausdruck der Lebendigkeit seiner Persönlichkeit, ist Ausdruck seiner wesenhaften Heiligkeit, ist Ausdruck seines Widerwillens gegen alles Böse, Reaktion auf die Verletzung seines liebenden Willens. Die Gäste haben die Einladung verschmäht, jetzt verschmäht der Herr des Gastmahls seine Gäste. Er verliert kein weiteres Wort, sondern er schickt seinen Knecht zu den Armen, zu den Krüppeln, zu den Beladenen, zu den Lahmen, zu den Blinden und lässt sie zu seinem Mahle führen. Die Armen im Geiste, alle jene, die sich trotz aller Erdengüter ohne den Heiland geistig arm wissen, die Armen im Geiste, sie kommen zu seinem Mahle. „O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Gedächtnis seines Leibes gefeiert, die Seele mit Gnaden erfüllt und ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit uns gegeben wird“ – dazu kommen sie. Aber dann kommt das furchtbare Wort des Herrn: „Ich sage euch: Von jenen Männern, die geladen waren, wird keiner mein Mahl verkosten.“ In diesen Worten des Hausvaters liegt die Hauptlehre, die das Gleichnis uns geben will: Das Mahl der heiligen Kommunion ist Vorbild und Vorbereitung für das große Gastmahl in der Ewigkeit. Wer das eine verachtet, der wird zu dem anderen nicht zugelassen. „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und das Blut nicht trinken werdet, dann werdet ihr das Leben nicht in euch haben.“ Wer die werbende Liebe des eucharistischen Heilandes auf Erden verschmäht, den wird er beim Endgericht verschmähen in jener Stunde, in der alles Irdische versinkt, wertlos, wesenlos wird, und nur eines bleibt: die hungernde Sehnsucht der Seele nach dem Glück des ewigen Gastmahls im Himmel. Wenn wir aber in demütiger Dankbarkeit und Liebe dem Heilandsruf folgen, wenn wir uns regelmäßig mit ihm in der heiligen Kommunion vereinigen, dann tragen wir die stärkste Verheißung des ewigen Lebens in uns. Dann dürfen wir gewiss sein, dass uns auch die Losung des Lieblingsjüngers Johannes gegeben wird, nämlich: „Selig, die zum Mahle des Lammes geladen sind.“
Amen.