Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Mai 2024

Eine Wesenheit Gottes in drei Personen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der erste Sonntag nach Pfingsten verwendet als Evangelium die Schlussverse des Evangeliums nach Matthäus. Das Wort, das Jesus zu den elf Jüngern spricht, ist eines der gewaltigsten und in vielfacher Hinsicht wichtigsten des Evangeliums überhaupt. Inhaltlich ist es dreiteilig: Den Anfang und die Grundlage bildet das Vollmachtswort. Aus ihm folgt der Missions- und Taufbefehl. Den Abschluss bildet die Verheißung. In dem Text wird die Taufformel der jungen christlichen Kirche erwähnt. Die trinitarische Formel, welche die Personen des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes ausspricht. Auf diesen Gott wird der Täufling vereidigt. Mit Bezug auf diese Feststellung wird der Sonntag Dreifaltigkeitssonntag genannt. Es lohnt sich, bei der Betrachtung der Taufformel zu verweilen.

Diese Kirche macht keine Kompromisse mit dunklen Formulierungen. Sie stellt an den Rand des Taufbeckens eine klare philosophische Sprache. Die Taufbewerber sollen wissen, dass der Gottesbegriff ihrer neuen Kirche über den Gottesbegriff des Judentums und des Heidentums bewusst hinausgeht. Die heidnischen Götter überbietet der jüdische Eingott. Den jüdischen statischen Gott überbietet der dynamische christliche Gott, dessen Persönlichkeitsüberfülle alles durchdringt. Die arme Sprache, auch die des hellenistischen Menschen, vermag nur zu stammeln und die stärksten Worte, die sie in ihrem Schatz findet, vor ihn hinzustellen. So ist dreifaltiger Gott Einheit und Fülle, jüdischer Gott schon Einheit, heidnischer Gott noch unvollendete Gärung.

Du Ankömmling im Gefilde des Christentums sollst wissen, auf wen du vereidigt wirst. Wir taufen dich auf den Namen des trinitarischen Gottes. Du sollst ihn mit klarer Logik nicht nur bekennen. Du wirst sein Besitz, du wirst ihm übereignet. Diese Taufe ist ein Kontrakt, ist ein Schwur, ist eine Heeresfolge. Du trägst jetzt den Helm seiner Gefolgschaft. Du bist in die Reihe seiner Legionen eingereiht. Das Patent der Mitgliedschaft seiner Kirche wird dir ausgestellt. Du bist sein geworden. Die Taufe ist es, die den Menschen in Beziehung setzt zum dreipersönlichen Gott, in eine Beziehung, die der Mensch von sich aus, durch die gläubige Annahme des Evangeliums, nicht herzustellen vermag. Durch die Taufe wird der Gläubige zum „Jünger“, zum wirklichen Christen. Ein öffentlicher Akt mit geheimnisvoller Wirkung schafft den Christusjünger, die Christusjüngerin. Paulus kennt keinen ungetauften Christen.

Zur Eroberung der Welt in dieser Heeresfolge fordert der Auferstandene heute seine Apostel auf. Irgendwo, am Rande eines galiläischen Berges. Dorthin hat er sie bestellt. Unter ihnen steht er. Die Rede beginnt mit dem monumentalen Hinweis auf sein Königtum. Seit Gründonnerstag schwebt der neue Gedanke in die Atmosphäre. Er kehrt aus der Armseligkeit dieses Landes zwischen Jericho, Kapharnaum und Haifa in die Besitztümer der Ewigkeit zurück. Die rationierte Zeit ist nun vorüber. Jetzt ist er nicht mehr der Menschensohn in Niedrigkeit, dessen Vollmacht trotz der Wundertaten, trotz der Verkündigung des absoluten Willens Gottes „mit Vollmacht“ (7,29), trotz der Gewalt, Sünden zu vergeben (9,6), in gewissem Sinn noch verhüllt war. Hier redet der Erhöhte, der „Herr“ (Phil 2,11), der „Gottessohn in Macht“ (Röm 1,4). Das Bettlergewand ist abgeworfen. Der Königsmantel wieder um die Schultern gelegt. Nun blitzen wieder Diadem und Zepter. Die Fülle der Gewalt umrauscht ihn. Ihm ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Dem erhöhten Christus, der das Mandat des Vaters ausgeführt hat und zur Mitregierung der Welt zum Vater zurückgekehrt. Jesus von Nazareth hat eine alle anderen übersteigende Autorität, weil seine menschliche Natur mit der zweiten Person der Gottheit untrennbar verbunden ist. Christus ist König in einem wahren und eigentlichen (eminenten) Sinn. Sein Königtum ist anders als jedes sonstige Königtum. Aber es ist nicht weniger wirklichkeitsmächtig. Seine Herrschaft ist nicht eine uneigentliche. Keine Herrschaft greift so in das Innerste der Welt hinein wie die seinige. Sie umfasst die gesamte Schöpfung.

Aus der Fülle dieser Gewalt sendet er die Apostel. Sie sollen das Reich Christi um die Erde ausbreiten. Über die Säulen des Tempels, die nicht zu zerbrechen brauchten, die Pfeiler des neuen Domes recken. In die Gemeinschaft der Kirche die Völker der Erde einführen. Damit ist der Befehl der Weltmission ausgesprochen. Der Auftrag, den er den Elfen erteilt, ist in seiner sich über die ganze Welt erstreckende Machtvollkommenheit begründet und bringt den umfassenden Charakter seines Heilswirkens zum Ausdruck. Seine Sendung gilt der ganzen Menschheit. Denn die eine Wahrheit des Evangeliums und das eine Heil sind für alle Menschen bestimmt. Bisher ließ der Herr immer noch das Vorkaufsrecht des jüdischen Volkes mit einfließen. In stiller Hoffnung erinnerte er an seine Prärogativen. Jetzt sind die Würfel gefallen. Die Tore der Welt öffnen sich im Blickfeld der galiläischen Ebene. Oben auf dem Berge steht das erleuchtete Schloss. An seinen Tischen tafeln die Heiden und das jüdische Proletariat, die Blinden, die Lahmen, die Gedrückten, die Geplagten. „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.“ Des eigenen Volkes Söhne und Töchter, darüber hinaus die Welt. Die Einladung steht. Sie ist an die Hindus wie an die Buddhisten und die Muslime gerichtet. Christus gegenüber hat der Satz: Jeder kann nach seiner Fasson selig werden, keine Gültigkeit. Das liegt darin begründet, dass er tatsächlich der Herr der Welt ist.

Nun noch ein Kompendium der Arbeitstechnik. „Was alles sollen wir tun, o Herr, die Welt in die neue religiöse Gemeinschaft zu führen?“ Einmal sollt ihr ihnen Religionsunterricht erteilen, und dann sollt ihr ihnen Lebensunterricht geben. Der erste genügt zur Taufe. Der zweite folgt der Taufe und macht sie fruchtbar. Ihr sollt sie Katechismus und biblische Geschichte, ihr sollt sie Philosophie und Apologetik, ihr sollt sie Dogmatik und Moral lehren, unter Einbeziehung ihrer Zeit und der neuesten Fälle. Dieser Unterricht sollte interessant sein. Er soll sich an den Straßen der Städte ebenso wie in der Einsamkeit der Zelle vollziehen. Er soll mit den Worten jeder Zeit gesagt sein. Christus soll übersetzt werden in alle Sprachen und in jedes Jahrhundert. Tausendfach und wieder neu. Keine Zeit soll meinen, sie habe die letzte Formel für ihn gefunden. Er ist immer noch größer als die Zeit, in der er steht. Er ragt über alle Betonbauten immer noch riesenhaft hinaus. Kein Scheinwerfer holt ihn aus den dräuenden Wolkennebeln, die sein Haupt umhüllen, in die Tresore menschlicher Weisheit. Von seiner Gottesherrlichkeit ist so viel zu sehen, dass die Gutwilligen zum Glauben an ihn kommen können, und so viel verborgen, dass die Böswilligen sie übersehen können.

„Lehret ihn allen Völkern!“ Stellt sie dann nach der Taufe in die Register der Kirche. Der Herr will solches Bekenntnis und solche Ordnung. Der Herr will sichtbare Ordnung und sichtbare Disziplin. Diese Kirche verwaltet die große Gemeinschaft mit innerer Glut und äußeren Mitteln. Als die Neuerer des 16. Jahrhunderts verkündeten, die wahre Kirche sei unsichtbar, trat ihnen der große Kirchenlehrer Robert Bellarmin entgegen: „Nein, die wahre Kirche ist so sichtbar wie die Republik Venedig.“ Intellektuelle Lehre reicht nicht. Auf die Taufe folgt die eigentliche Arbeit. „Lehret sie alles halten, was ich euch aufgetragen habe.“ „Bildet christliches Leben. Gebt diesen Gemeinden einen Atem und einen Rhythmus. Entfaltet in ihnen zur Blüte, was die Saat der Taufe in ihre Seelen gelegt. Gebt der exakten Lehre das Blut des glühenden und opfernden Lebens. Das könnt ihr nur, wenn ihr selber Christen seid und eure Lehre der Welt vorlebt. In einsamen Stunden, in bitterer Versuchung, am Markt der Menschheit, Tag um Tag, bis zur letzten Stunde. So werdet ihr sie alles halten lehren, was ich euch aufgetragen habe. Sonst aber werfen sie euch die Schalen der Taufe in das pharisäische Gesicht.“

O Herr, was für ein Gebot! Geographisch und moralisch über alle Dimensionen gerückt. Über alle Völker der Erde, bis zu den Polen; bis zum letzten Antlitz, das scheu sich in den Urwald verzieht. Lehren in allen Sprachen in einer jeden neuen Zeit. Aus der Seele des Jahrhunderts heraus, in das du, o Herr, uns stellst. Gegen jede Versuchung, in jeder Großstadt, im Dunkel der Leidenschaft halten lehren. Nicht nur säen, auch ernten in hundertfacher Frucht, in Wahrhaftigkeit und Martyrertreue. O Herr, wer kann das schaffen? Da reckt er sich auf, der Auferstandene, über den Hügeln Galiläas und spricht: „Siehe, ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt. Ihr könnt!“

Amen.

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