11. August 2019
Gottes Sprechen in der Gegenwart
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Wir haben versucht an den vergangenen Sonntagen, das Sprechen Gottes uns vor Augen zu führen. Gott spricht nicht nur durch Worte zu seinen Offenbarungsträgern, er spricht auch durch die Natur und deren Ereignisse, er spricht auch durch die Geschichte und deren Geschehnissen. Nicht alle zerstörerischen Naturerscheinungen vollziehen sich ohne Zutun des Menschen. Für viele Vorgänge trägt der Mensch ganz oder teilweise die Verantwortung. Und Gott lässt die Menschen wissen, dass sie verantwortlich sind, indem er sie die Folgen ihres Tuns spüren lässt. Fast ein Drittel der Erdoberfläche besteht aus Wüsten oder wüstenähnlichen Gebiete, und dieser Anteil nimmt zu. Ursache sind vor allem menschliche Eingriffe. Der Mensch dehnt Ackerbau und Viehhaltung aus, dadurch wird die spärliche Vegetation gelichtet oder beseitigt. Die Beweidung und Überweidung durch Tiere lassen Gräser, Kräuter und Sträucher nicht nachwachsen. Die Beschaffung von Brennholz trägt ebenfalls zur Wüstenbildung bei. Pro Familie wird jährlich eine Menge von 100-200 Savannenbäumen abgeholzt für die tägliche Mahlzeit – eine Familie benötigt 100-200 Savannenbäume. Es gibt die Bodenerosion. Das ist die durch die Tätigkeit des Menschen ausgelöste oder verstärkte, die durch Wind und Wasser bewirkte Abtragung der Böden – Bodenerosion, sie kann bis zur völligen Bodenzerstörung gehen. Hauptursache ist die Beseitigung der natürlichen Vegetation, vor allem die Vernichtung des Waldes, die Überweidung und die Monokultur, z.B. mit den Baumwollfeldern. In den letzten vierzig Jahren ging weltweit ein Drittel des anbaufähigen Bodens durch die Bodenerosion verloren. Der Mensch zerstört seinen eigenen Lebensraum und erhebt dann noch Anklage gegen den Schöpfer. Die Verstädterung der Gesellschaft nimmt in allen Ländern zu. Viele Dörfer werden leer, ganze Regionen sterben aus. Aber die Städte wachsen und mit ihnen die Anzahl der Häuser und der Straßen und die Versiegelung des Bodens. Die Versperrung durch Steine, durch Teer, durch Bitumen führt zu einer Reduzierung der Grundwasserausbildung, Niederschlag kann nicht mehr ungehindert eindringen. Die Versiegelung bewirkt die Beeinträchtigung des Bodens als Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen. Lebensräume für Pflanzen und Tiere werden eingeengt. Die gesteigerte Bodenversiegelung ist auch die Ursache der heutigen Jahrhunderthochwasser. Das Wasser dringt nicht ein, sondern fließt ab und zerstört. Der Mensch vernichtet seinen eigenen Lebensraum, der ihm vom Schöpfer anvertraut ist, dass er ihn hegen und pflegen soll.
Auch durch Versalzung des Bodens werden weiträumige Schäden verursacht. 1970 stellten die Ägypter den Nasser-Staudamm fertig am Nil. Er sollte Dauerbewässerung erreichen, weil man eben das Wasser aufstaute und nicht auf die Flut wartete wie früher. Die negativen Auswirkungen sind verheerend. Der fette Nilschlamm, der vorher die Felder fruchtbar gemacht hat, bleibt aus, er verbleibt im Nasser-See und verunkrautet ihn und verschlammt ihn. Die Verdunstung auf der großen Wasserfläche ist riesenhaft. Die Felder müssen jetzt künstlich bewässert werden, die Fischerei ist stark zurückgegangen. Im nördlichen Nildelta, also am Mittelmeer, stellt Ägypten eine Landverminderung fest, einen Landverlust, es geht Land verloren. Die Eingriffe des Menschen in die Natur haben verheerende Folgen. Um den Wassermangel zu beheben, hat man in Afrika immer tiefere Brunnen gegraben, auch dies mit verhängnisvollen Wirkungen. Die Tiefbrunnen, in denen Wasser aus dreihundert Meter Tiefe gefördert wird, bewirken eine Absenkung des Grundwasserspiegels, wodurch die vorhandene Vegetation gefährdet wird. Die durch die Wüstenbildung veränderte Oberfläche der Erde beeinflusst auch die Witterung. Sie fördert die Wahrscheinlichkeit der Dürre. Die Gelehrten haben die genannten Zusammenhänge aufgespürt. Gott hat sie die Ursachen der Zerstörung der Lebensräume des Menschen erkennen lassen, und das ist ein Sprechen Gottes. Er handelt durch menschliche Zweitursachen. Gott lässt die Menschen die Erkenntnisse gewinnen, mit denen sie in der Lage sein sollen, Abhilfe zu verschaffen, der Zerstörung Einhalt zu gebieten.
Die Menschen sind – wie Sie alle wissen – gefährdet durch Krankheiten. An ihrer Entstehung und Verbreitung ist der Mensch nicht unbeteiligt. Krankheiten besonderer Art sind die Seuchen. Seuchen sind Infektionskrankheiten, die infolge ihrer großen Verbreitung und der Schwere des Verlaufs eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Die große Pestseuche in den Jahren 1347 bis 1352 breitete sich von Asien bis nach Island aus und verursachte 25 Millionen Todesfälle; das war ein Drittel der damaligen Bevölkerung. An der Verbreitung der Pest waren die Menschen nicht unbeteiligt. Sie wurde vor allem auf dem Seewege durch Schiffe und deren Besatzung verbreitet. Es fehlte vielfach auch die Bereitschaft, wirksame Isolierungsmaßnahmen zu ergreifen. Unhygienische Verhältnisse begünstigten die Ausbreitung. Bevor es die Abwasserregelung gab, warfen die Leute ihren Unrat auf die Straßen. Die Pestkranken wurden nicht mehr gepflegt, sondern aufgegeben und sich selbst überlassen. Bei manchen war die Pest Anlass zur Ausgelassenheit und zur Ausschweifung. Sie wollten noch etwas haben von dem Leben, bevor sie starben. Die Tuberkulose war und ist eine heimtückische Krankheit. Die von ihr ergriffenen Menschen siechen dahin, ohne zu wissen – bis man den Erreger entdeckte 1882 (Robert Koch) –, was man dagegen tun kann. Die Ursache war bis zu diesem Datum unbekannt. Heute wissen wir: Die Übertragung der Tuberkulosebazillen vollzieht sich fast ausschließlich durch Tröpfcheninfektion über die Atemwege. Unbehandelt steckt ein Mensch mit offener Tuberkulose etwa zehn Gesunde an. Jährlich gibt es auf der Erde etwa 8 Millionen Neuerkrankungsfälle an Tuberkulose. An der Ausbreitung ist der Mensch nicht unbeteiligt. Bis vor einigen Jahren oder Jahrzehnten waren viele Haustiere von der Krankheit befallen wie Geflügel und Schweine. Ich kann mich erinnern, dass in meiner Jugend noch die Mehrzahl der Kühe tuberkulös war. Man konnte sich anstecken durch die Milch von tuberkulösen Tieren. Erkrankte Lehrer konnten ihre Krankheit an die Kinder weitergeben. Karl Maria von Weber, der große Komponist, war lange, lange tuberkulös. Wie viele von seinen Musikern und Schauspielern er angesteckt hat, das wissen wir nicht. Auch internationale Migrationsbewegungen tragen zur Ausbreitung der Tuberkulose bei. Die kongolesische Regierung hat am 1. August 2018 den Ausbruch von Ebola, der Ebola-Seuche bekanntgegeben. Seitdem wurden Tausende von Fällen bekannt; 2000 Befallene sind bisher an der Seuche gestorben. Es gelingt nicht, die Verbreitung des Virus unter Kontrolle zu bringen. Das Ebola-Virus wird durch Kontakte mit Blut oder anderen Körperausscheidungen übertragen. Die Krankheit verläuft zu 50-90% tödlich. Ein Pfarrer, ja ein Pfarrer hatte in einer Region des Kongo mehreren Kranken die Hände aufgelegt. Obwohl er bereits Symptome der Krankheit entwickelte, fuhr er in die ostkongolesische Metropole Ngoma. Wenig später starb er. Niemand weiß, wie weit er an der Ausbreitung der Krankheit beteiligt ist. Die katholische Diözese Ngoma verlangt jetzt von den Gläubigen vor Teilnahme am Gottesdienst Händewaschen in Chlorwasser. Und hören Sie: Sie hat in der heiligen Messe die Übung, die Hand zum Friedensgruß auszutauschen, abgeschafft. Die Bekämpfung der Seuchen durch irdische Mittel wie Quarantäne, Absonderung und medizinische Behandlung steht nicht im Widerspruch zu Gebet und Bittgängen. Denn Gott lenkt auch die menschlichen Bemühungen zur Eindämmung und Überwindung der Seuchen. Die ergriffenen Maßnahmen und die verabreichten Medikamente beziehen ja ihre Wirksamkeit aus der Kraft, die Gott ihnen verliehen hat. Die Heilmittel, die der Mensch entdeckt oder erfunden hat, leisten ihren Dienst dank der Potenzen, die Gott in sie gelegt hat. Gott hat die physikalischen, chemischen und biologischen Gesetze geschaffen, die der Mensch entdeckt und deren Vermögen er ausnutzt.
Die Menschen haben immer einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten und dem Ausbruch von Seuchen einerseits und von Gottes Zorn gesehen. Sie haben vor allem die Pest als Strafe Gottes verstanden. Man suchte Zuflucht bei Pestpatronen: Sebastian, Rochus, Christophorus, Karl Borromäus. Man errichtete Pestkapellen, Pestsäulen, Pestkreuze. Das Passionsspiel im Oberammergau geht auf ein Gelübde anlässlich einer Pestzeit zurück. Bis in die jüngste Zeit hielt man in Europa und in den USA die Seuchen für überwunden. Da machte eine neue Krankheit von sich reden: AIDS, erworbenes Immunschwächesyndrom. Das ursächlich menschliche Immunschwächevirus befällt vor allem die Zellen des Immunsystems und beeinträchtigt ihre Funktion. Das Virus ist durch Sexualkontakte, Blut oder Blutprodukte sowie von der infizierten Mutter auf das neugeborene Kind übertragbar. In West- und Mitteleuropa sowie in den USA wird die Krankheit vorwiegend durch homosexuelle Kontakte zwischen Männern und intravenös Drogenabhängigen verbreitet. Fast 70% der AIDS-Neuansteckungen haben Männer zu verantworten, die Sex mit Männern haben. AIDS ist mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zu heilen. Die lebenslange sexuelle Treue nicht infizierter Partner oder sexuelle Abstinenz sind ein absoluter Schutz vor AIDS. Die katholische Lehre über den Gebrauch der Geschlechtlichkeit ist durch die AIDS-Krankheit glänzend bestätigt worden. Das Geschlechtsleben steht unter göttlicher Sanktion. Die katholische Sexualmoral verkündet sie. Ihr oberster Grundsatz lautet: Geschlechtliche Betätigung ist allein zulässig in der gültigen Ehe. Daneben steht der zweite Satz: Jeder muss seinen Geschlechtstrieb beherrschen. Von da her ergeben sich alle einzelnen Gebote. Völlig verkehrt ist die von Luther aufgebrachte Behauptung von der Unausweichlichkeit und von der Notwendigkeit geschlechtlicher Betätigung. Der Verzicht auf geschlechtliches Tun ist möglich, ist jedem Menschen möglich und in vielen Fällen geboten. Die Überbetonung des Geschlechtlichen ist Zeichen absinkender Kultur, ist Anfang des Endes eines Volkes. Jede Lockerung der Sexualethik führt zu unaufhaltsamem Verfall der Sitten und gefährdet die Keimzelle der menschlichen Gesellschaft: die Familie. Durch nichts wird eine solche Flut von Blut und Tränen erzeugt wie durch den Missbrauch der Geschlechtskraft. Die Enthemmung des Geschlechtlichen, die Wucherung der Libido hat den Menschen nicht mehr Freude, sondern nur mehr Lust gebracht. Sie hat zahllose Ehen zerstört, die Kinderarmut und Kinderlosigkeit vermehrt, die Ehrfurcht vor dem Leib und vor dem anderen Menschen zerstört. Die Enthemmung des Geschlechtlichen, die Wucherung der Libido hat den Glauben der Menschen zersetzt, ihre Gottesbeziehung zerstört, ihr Gewissen korrumpiert, ihr sittliches Bewusstsein untergraben. Hier liegt die Wurzel der Abwendung von der Kirche! Hier ist die Wurzel der Kirchenaustritte! Die Welt wäre nicht ungläubig, wenn sie nicht unkeusch wäre. Es ist ein Ruhm unserer Kirche, dass sie allen Verirrungen zum Trotz an der gottgewollten Ordnung der Geschlechtskraft festgehalten hat. Nicht zuletzt der große Papst Johannes Paul II. hat alle Fragen des Geschlechtlichen umfassend, eindeutig und überzeugend beantwortet. Seine Äußerungen sind die Stimme des kirchlichen Lehramtes, ja, die Stimme Gottes.
Der Mensch hat es immer verstanden, Nahrungs- und Genussmittel zu missbrauchen. Denken Sie vor allem an den Alkohol. Alkohol wirkt spezifisch auf das zentrale Nervensystem, besonders das Großhirn. Die psychischen Abläufe werden nicht mehr zureichend kontrolliert, sie werden enthemmt, die Selbstkritik geht verloren. Alkoholismus schwächt und verdirbt den Charakter, macht selbstsüchtig, großsprecherisch, genusssüchtig, unzuverlässig, ist ein Feind der Religiosität. Der uneingeschränkte Alkoholkonsum hat auch viele soziale Folgen. Er führt zu Problemen am Arbeitsplatz, zu familiären Konflikten, zur Isolation, zum sozialen Abstieg, ja sogar zur Kriminalität. Unsere Kirche hat sich wie keine andere Organisation der Vermeidung und der Bekämpfung des Alkoholismus angenommen. Ich erinnere an den Kreuzbund. In ihm haben sich Menschen versammelt, die freiwillig abstinent von Alkohol sind. Der Kreuzbund hat den Grundsatz: Durch freiwillige Abstinenz vieler zur Mäßigkeit aller. In meiner Heimatstadt Liegnitz in Schlesien gründete ein Pfarrer, Johannes Smaczny, die GOA, eine Gaststätte ohne Alkohol.
Seefahrt tut Not, meine lieben Freunde. Die Menschen haben sich alle Zeit auf das Meer hinausgewagt, jahrtausendelang auf schwankenden Fahrzeugen, die dem Wind und den Wellen nicht gewachsen waren. Seit der Erfindung des Dampfschiffes im 19. Jahrhundert hat der Schiffsbau eine atemberaubende Entwicklung genommen. Wir haben heute Kreuzfahrtschiffe mit 6000 Passagieren. Das Selbstvertrauen der Schiffsbauer und der Fahrgäste auf die Fahrtüchtigkeit der immer größer werdenden Schiffe nahm zu. Man sprach von der Unsinkbarkeit der modernen Passagierschiffe. Doch bis in die jüngste Zeit beweisen Schiffsunglücke, das es keineswegs so ist, dass die Gefahren der Seefahrt nicht überwunden sind. Denken Sie an das Schiffsunglück der „Costa Concordia“. Im Gedächtnis der gesamten Menschheit ist vor allem ein Unglück geblieben, nämlich der Untergang der „Titanic“. Am 10. April 1912 ging das Luxusschiff Titanic von Southampton auf große Fahrt, auf Jungfernfahrt nach Amerika – 2200 Mitreisende, davon 892 Mann Besatzung. Das Schiff hatte 7 Stockwerke. Das Bootsdeck ragte 20 Meter über dem Wasserspiegel auf. „Die schlimmste See“, meinte lachend ein Offizier auf der Kommandobrücke, „kann nicht über Deck spülen. Uns kann nichts mehr etwas anhaben.“ Der Direktor der Schifffahrtslinie betonte beim letzten Essen unter dem Beifall der Gäste die absolute Sicherheit des Ozeanriesen. Es war ein Sonntag, der Weiße Sonntag des Jahres 1912. Drei Priester befanden sich an Bord: ein Engländer, ein Litauer und ein Deutscher, ein Benediktiner aus der Abtei Metten in Bayern. Sie hatten für die Katholiken die Sonntagsmesse gelesen und gepredigt. Es kam die Nacht. Da, mitten in der Nacht, ein unheimliches Knirschen an der einen Schiffswand. Ein Eisberg hatte das Schiff unter Wasser aufgeschlitzt. Der Kapitän war aus Rekordsucht die um diese Zeit besonders gefährliche Nordroute gefahren. Erst versuchte man die Passagiere zu beruhigen, die Musik spielte muntere Weisen, bis es sich nicht mehr verheimlichen ließ. Es galt, sich auf den Untergang vorzubereiten. Die Kapelle stimmte den englischen Choral an: „Näher, mein Gott, zu dir.“ In entsetzlicher Eile wurden die wenigen – es waren ja zu wenige – Rettungsboote besetzt. 1502 Menschen blieben auf dem sinkenden Schiff zurück, um die drei Priester geschart, die ihnen vorbeteten. Einer der Geretteten erzählte später: „Noch einmal sah ich zurück. Das Rückschiff hob sich wohl 40 Meter steil aus dem Wasser und deutete wie ein gewaltiger dunkler Finger erschütternd gen Himmel.“ Durch die schweigende Nacht gellte der Todesschrei der Opfer. Einige Männer retteten sich auf ein Korkfloß, das herrenlos auf den Wellen trieb. Sie standen auf dem schwankenden Gerät, jeden Augenblick gewärtig, dass eine Woge sie ins nasse Grab spüle. Wie sie nach der Bergung berichteten, waren die Stunden bangen Ringens mit dem Tod ein ununterbrochenes Beten. Alle beteten, alle beteten mit, auch solche, die wohl viele Jahre, ja vielleicht seit ihrer Jugend kein Gebet mehr über die Lippen gebracht haben. Der Untergang der Titanic hat nicht nur seiner Zeit, sondern auch bis heute die Bevölkerung der ganzen Erde aufgeschreckt. Die Menschen erfuhren die Grenzen der Technik und die Gefahren der Natur. Die Katastrophe war geeignet, sie an den Herrn der Natur und Richter der Menschen zu erinnern.
Der Mensch hat sich auf der Erde häuslich eingerichtet. Er legt Dörfer und Städte an, er errichtet Häuser und Schlösser, auch Kirchen und Kathedralen. Manche Bauten scheinen wie für die Ewigkeit errichtet zu sein. Doch man täusche sich nicht. Die Paläste der antiken Herrscher sind zusammengesunken, die Weltwunder der alten Zeit verschwunden. Die Bauten unserer Zeit sind nicht gegen Gefahren geweiht. In Frankreich brannte die Hauptkirche des Landes, die Kathedrale Notre-Dame in Paris. Ist das nur ein Feuer wie andere auch? Oder ist das ein Zeichen, ein Feuerzeichen angesichts des tausendfachen Vandalismus, der sich in Frankreich gegen katholische Gotteshäuser richtet? Ein Zeichen angesichts der Entchristlichung Frankreichs, der ältesten Tochter der römischen Kirche? Fünf Prozent der französischen Katholiken praktizieren heute noch. Gläubige Menschen sehen in den Flammen von Notre-Dame kein zufälliges Ereignis, sondern das Wirken Gottes, der sich zurückzieht, weil er den Anblick einer Welt, die von ihm abgefallen ist, nicht mehr erträgt. Warum sollen die stolzen gotischen Türme, die auf den Himmel weisen, weiterhin aufrecht stehen, wenn die Menschen ihre Geste mit Arroganz oder mit Verachtung beantworten? Die Türme sind Wächter des Geheimnisses. Vielleicht tun sie gut daran, sich vor dem Karneval des 21. Jahrhunderts zurückzuziehen. Vielleicht sind sie müde von all dem Lärm, von all der Hässlichkeit, die sie umgibt. Man fragt mit Recht, warum die Bevölkerung Europas, die ja immer wieder ihre Ursprünge aus dem Christentum leugnet, warum diese Bevölkerung den Brand derart beklagt, warum diejenigen, die den Wert der gläubigen Vergangenheit und ihres alten Glaubens leugnen, gerade den Untergang jenes Monuments bedauern, das nichts anderes ist als ein Altar Gottes. Notre-Dame ist kein Denkmal, Notre-Dame ist ein in Stein inkarniertes Wort Gottes. Der Zusammenbruch des Vierungsturmes von Notre-Dame ist die logische Fortsetzung unseres blinden Umgangs mit unserer christlichen Vergangenheit. Das Vergessen, das Hohngelächter, die Selbstsicherheit, die Hysterie, die Hybris, der Fetischismus des Fortschritts, und dann eines Tages die Flammen. Meine lieben Freunde, ich habe keinen Zweifel: Gott spricht zu uns auch durch die Feuerbrunst von Notre-Dame. Ob die Menschen diese Sprache verstehen?
Amen.