Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Mai 2018

Der Geist Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Geistsendung Versammelte!

Als der Apostel Paulus nach Athen kam, fand er dort einen Altar, auf dem stand: Einem unbekannten Gott. Uns gläubigen Christen ist der Heilige Geist kein unbekannter Gott. Wir kennen ihn. Denn er wurde uns geschenkt. „Gott sandte den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, lieber Vater.“ „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.“ Diese Glaubenserkenntnis ist nur möglich im Heiligen Geist. Um mit Christus in Verbindung zu treten, muss man zuvor durch den Heiligen Geist berührt worden sein. Er kommt uns entgegen und erweckt in uns den Glauben. Durch das erste Sakrament des Glaubens, die Taufe, wird uns das Leben, das im Vater seinen Urgrund hat und uns im Sohn geschenkt wird, in der Kirche durch den Heiligen Geist tief und persönlich weitergegeben. Durch seine Gnade ist der Heilige Geist der Erste bei der Weckung unseres Glaubens und beim Eintritt in das neue Leben. Dieses Leben besteht darin, den Vater zu erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat. An den Heiligen Geist glauben, heißt bekennen, dass er eine der Personen der heiligsten Dreifaltigkeit ist, eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn, und dass er mit dem Vater angebetet und verherrlicht wird. Der Geist des Sohnes, den der Vater in unsere Herzen gesandt hat, ist wirklich Gott. Er ist mit dem Vater und dem Sohn eines Wesens. Er lässt sich weder im inneren Leben der Dreifaltigkeit noch als Gabe der Liebe für die Welt von ihnen trennen.

Die Kirche betet die lebendigmachende, wesensgleiche und untrennbare heiligste Dreifaltigkeit an. Sie bekennt jedoch auch, dass sich die drei Personen voneinander unterscheiden. Wenn der Vater sein „Wort“ (den LOGOS) sendet, dann sendet er auch stets seinen „Hauch“ (Spiritus). Es ist eine gemeinsame Sendung, in welcher der Sohn und der Heilige Geist sich voneinander unterscheiden, aber nicht voneinander trennen lassen. Christus erscheint, das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes, aber es ist der Heilige Geist, der ihn offenbart. „Heiliger Geist“ ist der Name dessen, den wir mit dem Vater anbeten und verherrlichen. Die Kirche hat diesen Namen vom Herrn übernommen und spricht ihn bei der Taufe ihrer neuen Kinder aus. Wenn Jesus das Kommen des Heiligen Geistes ankündigt und verheißt, nennt er ihn den „Parakleten“, den advocatus, den Herbeigerufenen. Paraklet wird gewöhnlich mit „Beistand“ oder „Tröster“ wiedergegeben. Der Herr nennt den Heiligen Geist auch „Geist der Wahrheit“. Der Apostel Paulus spricht vom „Geist der Verheißung“, vom „Geist der Sohnschaft“, vom „Geist Christi“, vom „Geist des Herrn“, vom „Geist Gottes“. Der Apostel Petrus nennt ihn den „Geist der Herrlichkeit“.

Die Kirche ist die lebendige Glaubensgemeinschaft, die den Glauben der Apostel weitergibt. Sie ist auch der Ort unserer Erkenntnis des Heiligen Geistes. Die Kirche erkennt den Geist in vielfacher Weise. Sie erkennt ihn in der Heiligen Schrift, die von ihm inspiriert, deren erster Autor er ist. Sie erkennt den Geist in der Überlieferung, die vom Geist getragen ist und die ebenso ehrfürchtig anzunehmen ist wie die Heilige Schrift. Die Kirche erkennt den Geist in ihrem Lehramt, dem er beisteht und das er lenkt. Die Kirche erkennt den Heiligen Geist in ihren sakramentalen Vollzügen, in denen er uns mit Christus verbindet. Die Kirche erkennt den Geist im Gebet, in dem er für uns eintritt, weil wir von uns aus nicht wissen, wie wir beten sollen. Der Geist zeigt sich weiter in den Charismen und Dienstämtern, durch welche die Kirche aufgebaut wird. Er ist es, der das apostolische und missionarische Leben der Kirchenglieder trägt und durchpulst. Endlich offenbart sich der Geist im Zeugnis der Heiligen, worin er seine Heiligkeit bekundet und das Heilswerk fortsetzt.

Um den Heiligen Geist zu kennen und zu verstehen, hat Gott ihn uns in Sinnbildern geoffenbart. Sie zeigen uns sein Wesen uns sein Wirken. An erster Stelle das Wasser. Es ist bei der Taufe nach Anrufung des Heiligen Geistes das wirksame sakramentale Zeichen der Wiedergeburt zum göttlichen Leben. Diese Neugeburt wird uns im Heiligen Geist geschenkt. „In einem Geiste getauft“ sind wir auch „mit dem einen Geist getränkt“. Der Geist ist also in Person das lebendige Wasser, das aus dem gekreuzigten Christus quillt und uns ewiges Leben schenkt. Ein weiteres Sinnbild ist die Salbung mit Öl. Sie ist sogar ein Wort zur Bezeichnung des Geistes im ersten Brief des Apostels Johannes. In der Christwerdung ist die Salbung das sakramentale Zeichen der Firmung. Die erste Salbung, die der Heilige Geist vorgenommen hat, war die Salbung Jesu. „Christus“ ist die Übersetzung des hebräischen Wortes Messias und bedeutet der mit dem Geist Gottes „Gesalbte“. Jesus ist der einzigartig von Gott Gesalbte. Die menschliche Natur, die der Sohn Gottes annimmt, ist ganz „vom Heiligen Geist gesalbt“. Jesus wird durch den Heiligen Geist zum „Christus“. Seine Mutter, die Jungfrau Maria, empfängt ihn durch den Heiligen Geist. Dieser gibt ihn durch den Engel schon bei seiner Geburt als Christus bekannt. Er führt den Simeon in den Tempel, damit er den Gesalbten des Herrn sehe. Er ist es, der Christus erfüllt. Er ist es, dessen Kraft von Christus ausgeht, wenn er Heilungen und Wundertaten vollbringt. Er endlich ist es, der Jesus vom Tode auferweckt. In seiner Menschennatur, die Siegerin ist über den Tod, ist er voll und ganz zum „Christus“ geworden. In dieser Menschennatur spendet er überreichlich den Heiligen Geist.

Ein weiteres Symbol des Heiligen Geistes ist das Feuer. Es symbolisiert die verwandelnde Kraft des Heiligen Geistes. Der Prophet Elias, der „aufstand wie Feuer und dessen Wort wie ein flammender Ofen“ war, zieht durch sein Gebet Feuer vom Himmel herab auf das Opfer vom Berge Karmel. Das Feuer ist Sinnbild des Geistes, weil er, was er umfasst, verwandelt. Johannes der Täufer, der „mit dem Geist und mit der Kraft des Elias dem Herrn vorangeht“, kündigt Christus als den an, der „mit Heiligem Geist und mit Feuer tauft“. Von diesem Geist sagt Jesus: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.“ In „Zungen wie von Feuer“ kommt der Heilige Geist am Pfingstfest auf die Jünger herab und erfüllt sie. In der geistlichen Überlieferung bleibt das Feuer ein entsprechendes Symbol des Wirkens des Heiligen Geistes. „Löschet den Geist nicht aus!“, schreibt Paulus der Gemeinde in Saloniki.

Die Wolke und das Licht sind ebenfalls Sinnbilder des lebendigen, rettenden Gottes. Sie treten auf, wenn der Heilige Geist in Erscheinung tritt. Wolke und Licht offenbaren und verhüllen Gottes Herrlichkeit. So bei Moses auf dem Berg Sion, im Offenbarungszelt und während des Durchzugs durch die Wüste. Diese Bilder sind durch Christus im Heiligen Geist in Erfüllung gegangen. Der Geist kommt auf die Jungfrau Maria herab, „überschattet“ sie, damit sie Jesus empfängt und gebiert. Auf dem Berg der Verklärung kommt er in einer Wolke, „wirft einen Schatten“ über die sechs Männer und eine Stimme aus der Wolke ruft: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.“ Die gleiche „Wolke“ entzieht schließlich Jesus am Tage seiner letzten Himmelfahrt den Blicken der Jünger. Am Tag seines Kommens wird sie ihn als den Menschensohn in seiner Herrlichkeit offenbaren.

Auch das Siegel ist ein Sinnbild des Heiligen Geistes. Das Siegel ist ein Zeichen der Erkennung und der Beglaubigung. Der himmlische Vater hat Christus mit seinem Siegel beglaubigt. Dieses Siegel ist der Heilige Geist. Er beglaubigt Jesus als den Sohn des Vaters, denn er offenbart sein göttliches Wesen in seiner Lehre und in seinen Taten. Im Heiligen Geist drückt der himmlische Vater auch uns sein Siegel auf. Dieses geschieht bei den Sakramenten der Taufe, der Firmung und der Weihe. Sie prägen uns eine unauslöschliche Formung ein, ein Mal, das nie vergehen wird.

Die Hand ist ein sprechendes Symbol für den heiligen Geist. Jesus heilt Kranke und segnet Kinder, indem er ihnen die Hände auflegt. In seinem Namen tun die Apostel das gleiche. Durch die Auflegung der Hände der Apostel wird der Heilige Geist gespendet. Vor der Wandlung breitet der Priester die Hände über Brot und Wein und bittet den Heiligen Geist um Verwandlung der Elemente in Leib und Blut unseres Herrn.

„Durch den Finger Gottes“ treibt Jesus die Dämonen aus. Das Gesetz des Alten Bundes war vom „Finger Gottes“ auf steinerne Tafeln geschrieben. Der von den Aposteln ausgefertigte Brief Christi ist in Herzen von Fleisch geschrieben. Im Hymnus „Veni, Creator Spiritus“ rufen wir den Geist an als den „Finger der Rechten des Vaters“.

Am Ende der Sintflut kehrte die Taube, die Noe aus der Arche herausließ, mit einem frischen Ölzweig im Schnabel zurück als Zeichen dafür, dass die Erde wieder bewohnbar war. Als Christus aus dem Wasser seiner Taufe steigt, lässt sich der Heilige Geist wie eine Taube auf ihn nieder und ruht auf ihm.

Alle diese Sinnbilder offenbaren die Existenz und das Wirken des Heiligen Geistes. Sie enthüllen uns dessen unsichtbare Wirkungen in Christus, in der Kirche, in den Gläubigen. Aber vielleicht fragt manch einer: Wo zeigt sich der Geist in der großen Schar der Getauften, Gefirmten und Geweihten? Sind sie nicht alle Geistträger? Zeigen sich in ihnen Spuren seiner Gegenwart und seines Wirkens? Es besteht kein Zweifel: Zeichen der Ausstattung des Heiligen Geist gibt es auch heute. Die gläubigen Christen, die der Kirche die Treue halten trotz der Unzulänglichkeiten vieler Hirten. Die namenlosen Priester, die ihren Dienst klaglos verrichten trotz ungenügender Führung und fehlenden Beispiels. Die mutigen Bischöfe, die den Papst angesichts zweideutiger Äußerung an das unveränderliche Glaubensgut der Kirche erinnern. Alte Menschen, die mit mannigfachen Beschwerden und schmerzlichen Leiden behaftet sind, schleppen sich nicht nur jeden Sonntag, sondern auch an allen Werktagen zur Teilnahme am Messopfer in das Gotteshaus. Wer hat die Kühnheit zu sagen, dies sei keine Wirkung des Heiligen Geistes? Eine schlichte Frau unserer Gemeinde bestellte bei mir drei Messen in folgender Intention: zu Ehren des Heiligen Geistes, um Erleuchtung für die verirrten Hirten, um Abschaffung der Hand- und Stehkommunion. Woher hat sie diese überraschenden Erkenntnisse, wenn nicht vom Heiligen Geist? Ich war neulich mit mehreren Priestern zusammen. Sie beklagten einmütig den Rückgang, ja das Aufhören des Beichtens. Ich konnte ihnen sagen: Meine Leute beichten alle. Wer leitet sie dazu an, wenn nicht der Heilige Geist?

Mit Sehnsucht, aber auch mit Wehmut rufen wir gläubigen Verehrer des Heiligen Geistes heute an seinem Festtag zu ihm: Heiliger Geist, Geist der Wahrheit, Beistand und Tröster, erhöre unser Flehen für das heilige Volk und für alle geistlichen Stände, dass dir mit dem Beistand deiner Gnade von allen Rangstufen treu gedient werde. Vor allem aber: dass du den apostolischen Oberhirten und alle geistlichen Stände in der heiligen Religion erhalten wollest, wir bitten dich, erhöre uns.

Amen.

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