14. März 2010
Mit Christus dem Vater Opfer bringen
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Durst tut weh. Wer einmal Durst gehabt hat, der weiß, was ein Trank frischen Wassers bedeutet. Als wir im Mai 1945, von sowjetischen Soldaten bewacht, abgeführt wurden, da stellten mitleidige Bewohner Wassereimer an den Rand der Straße. Aber die Soldaten stießen sie um, so dass wir nicht trinken durften.
Die Schrift erzählt, wie König David bei den Kämpfen mit den Philistern brennenden Durst hatte. Weit und breit kein Tropfen Wasser, der nächste Brunnen war in den Händen des Gegners. Halb als Frage, halb als Aufforderung wirft der König die Worte hin: „Wer holt mir Wasser aus dem Brunnen dort vor dem Tor?“ Drei mutige Männer schleichen sich in das Lager der Philister, schöpfen heimlich Wasser und bringen es dem König. David ist erschüttert über solchen Mut und solche Treue. Aber er trinkt keinen Tropfen. „Soll ich das Blut jener Männer trinken“, so sagt er, „die für dieses Wasser ihr Leben gewagt haben?“ Dann heißt es: „Das Wasser, das der Herr beschafft hatte, das Wasser schüttete David aus vor dem Herrn.“ Das heißt: Er machte Gott ein Opfer. Er machte Gott das Opfer dieses wunderbaren Trankes, er schüttete es aus als Gabe vor Gott und für Gott.
Was ist schon ein Pfennig? Sehr wenig, aber manchmal auch sehr viel. Der Herr hat uns eine Lehre darüber hinterlassen. Er setzte sich vor den Opferkasten in den Tempel und beobachtete, wie die Menschen ihre Gabe in den Opferkasten warfen. Viele Reiche warfen große Summen hinein. Aber dann kam eine arme Witwe. Verschämt warf sie zwei Scherflein in den Kasten. Markus erklärt: Das ist soviel wie ein Pfennig. Die Witwe geht weiter, aber der Heiland ruft seine Jünger und belehrt sie: „Wahrlich, ich sage euch, diese Witwe, diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten gelegt als alle anderen, denn alle anderen warfen von ihrem Überfluß hinein, sie aber hat alles gegeben, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt.“
Man kann Wasser ausgießen als Opfer vor Gott. Man kann einen Pfennig hingeben und vom Herrn höchstes Lob ernten. Man kann auch einem Dürstenden einen Trunk kalten Wassers reichen um Gottes willen. Das sind alles Opfer, Opfer, die vor Gott gebracht werden. Es ist auch ein Opfer, wenn ein Mann, der täglich 10 Zigaretten raucht, sich in der Fastenzeit auf 3 beschränkt. Das ist ein Opfer vor Gott. Und wie steht es mit anderen Einschränkungen, beim Genuß von Alkohol, Fleisch, Süßigkeiten? Ist das kein Gott gebrachtes Opfer, wenn es um Gottes willen geschieht? Die Einschränkung des Fernsehkonsums kommt manchen sehr hart vor, ist für sie ein Opfer. Das frühe Aufstehen zur heiligen Messe ist für viele ein Opfer. Das Zugehen auf einen unliebenswürdigen Menschen kann Opfergesinnung erfordern. Geduld haben mit Menschen, die uns bis zur Weißglut reizen, kostet Überwindung. Das alles sind Opfer.
Nun werden manche sagen: Wir haben ja im Neuen Testament das große Opfer, das einzigartige Opfer Jesu Christi, das Opfer, das er am Kreuze blutig dargebracht hat und das in der heiligen Messe unblutig erneuert wird. Es ist wahr: Christus hat sich am Kreuz als wahres und eigentliches Opfer dargebracht. Die Heilige Schrift bezeugt Jesu Sterben als einen Opfertod. „Christus hat euch geliebt und sich für euch hingegeben als Gabe und Opfer Gott zum lieblichen Wohlgeruch“, schreibt Paulus im Brief an die Epheser. Und bald werden wir wieder singen: „Unser Paschalamm Christus ist geopfert worden.“ Im Hebräerbrief, der eine ganze Opfertheologie entwickelt, heißt es: „Christus wurde einmal als Opfer dargebracht, um die Sünden vieler hinwegzunehmen.“ Das Sterben Christi war ein Opfer, das er für die schuldbeladene Menschheit dem himmlischen Vater dargebracht hat. Das Opfer Christi ist für uns dargebracht, aber es wirkt nicht automatisch, es wirkt nicht naturhaft. Die Sonne geht auf über Gute und Böse, und der Regen fällt über Gerechte und Ungerechte, aber das Opfer Christi muss von jedem einzelnen angeeignet werden. Jeder muss in das Opfer eingehen. Eines Opfers wird man nur teilhaftig, meine lieben Freunde, wenn man sich selbst opfert, in der Gesinnung und in der Tat. Die Gemeinschaft mit dem Opfer Christi wird auf zweifache Weise hergestellt, einmal indem wir am Messopfer teilnehmen, zum anderen indem wir im täglichen Leben bewußt Opfer bringen.
„Die heilige Messe ist ein wahres und eigentliches Opfer“, wie das Konzil von Trient unverrückbar festgestellt hat. Es ist deswegen ein wahres und eigentliches Opfer, weil es die sakramentale Darstellung des Opfers Christi ist. „Das Messopfer ist die sakramentale Epiphanie des Opfers Christi“, wie uns unser unvergeßlicher Lehrer Michael Schmaus gelehrt hat. „Im Messopfer“ – und das sind jetzt Worte des Konzils von Trient – „wird das Kreuzesopfer sakramental dargestellt, wird das Gedächtnis desselben begangen und wird die Frucht, die Heilskraft desselben uns zugewendet.“ Beim Kreuzesopfer und beim Messopfer sind die Opfergabe und der primäre Opferpriester identisch, nämlich Christus. Verschieden ist nur die Weise der Darbringung, am Kreuze blutig, im Messopfer unblutig. Das Kreuzesopfer war allein das Opfer Christi. Er allein hat die Kelter getreten. Aber das Messopfer ist auch unser Opfer, ist Opfer der Kirche. Wir opfern zusammen mit Christus, indem wir uns ihm anschließen, wir übergeben ihm unseren Willen, weihen ihm unser Leben. Bischof Sailer, der unvergeßliche, hat einmal das ergreifende und erschütternde Wort gesprochen: „Hier opfert der Priester seine liebste Leidenschaft, im Messopfer.“ Hier opfert er seine liebste Leidenschaft.
Die Teilnahme am Messopfer wirkt sich aus und setzt sich fort in den Opfern des täglichen Lebens. Es hat einen richtigen Sinn, wenn wir gemahnt werden und gemahnt wurden, Opfer zu bringen. Die Heilige Schrift autorisiert uns zu solchem Opferbringen. Im Buche Jesus Sirach heißt es: „Wer das Gesetz befolgt, bringt viele Opfer.“ Das heißt: Gehorsam gegen Gott ist Opfer, Opfer der Neigung, Opfer der Liebhaberei, Opfer der Leidenschaft. Die Kirche hat das Fastengebot erlassen. Auch das ist ein Gesetz, das Freitagsgebot. Das Freitagsgebot lädt uns ein, in Vereinigung mit Christus an dem Sterbetage des Herrn ein Opfer zu bringen, das Opfer des Fleischgenusses, und das ist für viele ein Opfer. Dass es ein Opfer ist, sieht man daran, dass viele es nicht bringen. Man kann auch andere Opfer bringen am Freitag. Es ist schon einige Jahrzehnte her, da zog ein Bischof um. Er hatte also die Möbelpacker bei sich, und dieser Umzug geschah an einem Freitag. Der Bischof stellte ihnen Lebensmittel und Getränke zur Verfügung, darunter auch Bier. Einer der Packer sagte zu dem Bischof: „Am Freitag trinke ich kein Bier.“
Der heilige Paulus lehrt uns im Brief an die Römer: „Bringet euren Leib als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer dar.“ Das heißt, wir sollen den Leib für die Zwecke verwenden, für die er von Gott geschaffen ist, also für die Arbeit, fürs Gebet, für das Wohltun an anderen. Das alles in der Gesinnung Christi: Gott zuliebe, Gott zur Ehre, zum Nutzen des Nächsten. Paulus hat dieses Opfer des Leibes vorbildlich gebracht. Im 2. Korintherbrief schreibt er, dass sein äußerer Mensch „aufgerieben wird“, aufgerieben durch das Übermaß an Arbeit, Entbehrungen und Leiden. Petrus fordert dasselbe in seinem 2. Briefe: „Laßt euch als lebendige Bausteine aufbauen zu einem geistige Tempel, zu einem heiligen Priestertum, um durch Jesus Christus geistige, Gott wohlgefällige Opfer darzubringen.“
Wir bringen solche Opfer in der Kirche, wir werden lebendige, brauchbare, nützliche Glieder der Kirche, wenn wir die Kirche zieren mit unserer Persönlichkeit, wenn wir sie schmücken mit unserer Tugend, wenn wir sie erfreuen mit unserer Leistung. Dann sind wir solche lebendige Bausteine am Bau der Kirche. Viele haben es begriffen und bringen diese Opfer, um Christus ähnlich zu werden. Ich bin immer ganz ergriffen, wenn ich an den Werktagen sehe, wie viele gute, fromme Frauen und gelegentlich auch Männer meinen Gottesdienst um halb 8 Uhr, also zu früher Stunde, besuchen. Von weit her kommen sie, aber sie bringen dieses Opfer.
Kein Geringerer als Papst Pius XII., dessen Seligsprechung wir erwarten, hat in seiner berühmten Enzyklika „Mediator Dei“ geschrieben: „Es ist ein schauererregendes Geheimnis, dass das Heil vieler abhängig ist von den Gebeten und Bußwerken der Glieder des geheimnisvollen Leibes Christi.“ Das Heil vieler abhängig von den Gebeten und Bußwerken, also von den Opfern der Glieder des geheimnisvollen Leibes Christi. Wir pflegen bei der Gewissenserforschung allein nach dem zu fragen, was wir gegen Gottes Willen getan haben. Wir vergessen allzu leicht, zu prüfen, was wir versäumt haben, um Gottes Willen zu tun. Wo sind unsere Opfer? Haben wir uns überwunden? Haben wir den Trieb besiegt? Haben wir unsere Feinde geliebt? Haben wir für die gebetet, die uns hassen und verfolgen? Entscheidend für den Wert unserer Opfer ist, dass wir so gesinnt sind wie Christus, also dass wir die Überwindungen, die Enthaltungen, die Entbehrungen in der Gesinnungsgemeinschaft mit Christus Gott darbringen, dass wir gleichsam eine einzige Opfergabe mit Christus werden. Ich zitiere noch einmal Pius XII.: „Wir müssen uns selbst als Opfergabe darbringen, die Hinopferung ist nicht auf das liturgische Opfer beschränkt.“ Wir müssen uns selbst als Opfergabe darbringen, die Hinopferung ist nicht auf das liturgische Opfer beschränkt.
Die Opfer, die wir bringen, meine lieben Freunde, tragen ihren Segen in sich selbst. Opfer haben den Lohn in sich selbst. Vom Opfer geht nämlich eine befreiende Wirkung aus. Das frühe Aufstehen befreit mich von der Versklavung an das Bett. Die Beherrschung und der Verzicht beim Essen befreit mich von der Eßlust. Die Einschränkung oder der Verzicht beim Fernsehen befreit mich von der Fernsehsucht. Durch das Opfer, das wir bringen, werden wir unserem Heiland ähnlich, werden wir ihm verbunden. Das ist immer so: Der Mensch verwächst am innigsten mit demjenigen, dem er am meisten opfert. Wahre Liebe wird vom Opfer genährt, und je mehr sich die Seele die natürliche Befriedigung versagt, desto stärker und selbstloser wird ihre Liebe. Auch die Treue mißt man an den Opfern, die einer bringt, ohne einen äußeren Vorteil davon zu haben. Wert oder Unwert eines Menschen zeigt sich immer darin, wenn ihm Opfer abverlangt werden. Das Opfer ist das Christlichste am Christentum.
Wir leben, meine lieben Freunde, in einer Zeit der Prüfungen. Von außen und von innen fallen die Schläge über uns: Erdbeben, Kriege, Generalstreik, der Zerfall in unserer Kirche, der Zusammenbruch in der Priesterschaft, die Unfähigkeit der bestellten Hirten. Die Lage scheint trostlos, aussichtslos. Nein, meine Freunde, wenn alles zusammenbricht, dann schlägt die Stunde der großen Seelen. Wenn uns noch etwas retten kann, dann sind es die Opfer, die wir in der Vereinigung mit Christus dem Vater im Himmel darbringen. Am 16. Februar 1770 trug sich in Paris ein Aufsehen erregendes Ereignis zu. Um für die Sünden ihres sittenlosen Vaters, des Königs Ludwigs XV., zu sühnen, trat die Tochter Louise in den strengen Karmelitenorden ein. Die Feier der Einkleidung wurde mit königlicher Pracht gefeiert. Als Vertreter des Papstes erschien der Apostolische Nuntius, der ganze Hofstaat war zugegen, darunter auch Marie Antoinette. Zahlreiche Bischöfe hatten sich eingefunden, die Kirche war geschmückt. Endlich erschien die Prinzessin Louise in prunkvoller Kleidung mit einem Diadem, einem Schmuck auf ihrem Haupte. Die Feier begann. Auf einmal entstand tiefe Stille. Die Königstochter legte allen Schmuck ab, empfing den ärmlichen Mantel und den Schleier der Karmelitinnen und warf sich im rauhen Ordenskleid auf ihr Angesicht nieder. Aus der bisherigen Prinzessin Louise wurde die schlichte Nonne Theresia vom heiligen Augustin. Es war der hochherzige Verzicht eines edlen Herzens, das fortan 17 Jahre lang in einer armen Klosterzelle schlug, um den Vater zu retten. Und sie hat ihn gerettet. Als ihr Herz im Tode still stand, da hatte der Vater sich bekehrt. Sie hatte sich für ihn geopfert.
All das Kleine und Große in unserem Leben können und sollen wir darbringen in Gemeinschaft mit Jesus, in der Opfergesinnung des Herrn. Wir beten in jeder heiligen Messe, und das soll kein flüchtiges, das soll ein zu Herzen gehendes Gebet sein: „Wir bringen das Opfer Christi und das Opfer unseres täglichen Lebens dar, zum Lob und Ruhme seines Namens, zum Segen für uns und seine ganze heilige Kirche.“
Amen.