7. März 2010
Satans Macht in dieser Welt
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
In dem Bühnenstück „Des Teufels General“ von Zuckmayer fragt eines Tages ein junger Hauptmann den General Harras: „Glauben Sie an Gott?“ Harras überlegt eine Weile. „Ich weiß es nicht, ich bin ihm nie begegnet. Aber das lag an mir. Aber den Teufel, den kenne ich.“ Es scheint leichter zu sein, sich von der Existenz des Teufels zu überzeugen als von der Wirklichkeit Gottes. Ich bin tatsächlich überzeugt: Man kann die Existenz Satans aus der Erfahrung – aus der Erfahrung! – feststellen.
Der Mensch ist gewiß geneigt zum Bösen von Jugend auf. In ihm wirken Triebe, Neigungen, Leidenschaften. Aber es scheint, dass sich das Böse in einem Menschen derart festsetzen kann, dass es solche Dimensionen annehmen kann, dass es so beherrschend werden kann, dass man in einem solchen Menschen das Böse nicht mehr allein aus seinen eigenen Kräften erklären kann, sondern dass man die Existenz einer übermenschlichen Macht, des Satans, annehmen muss.
Einige Beispiele. Falschheit und Verstellung sind ja nicht selten. Aber manchmal nehmen sie solche Ausmaße an, dass man daran zweifelt, dass es allein menschliche Kraft ist, die dazu fähig ist. Wer sein wahres Wesen verbirgt und sich anders darstellt, als er wirklich ist, wer diese Täuschung jahrzehntelang festhält, so dass sie ihm gleichsam zur zweiten Natur wird, der, so meine ich, hat sich dem Satan ausgeliefert. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts lebte in Frankreich ein Priester, der jahrzehntelang seine Pfarrei scheinbar musterhaft betreute, die Messe feierte, Beicht hörte, die Sakramente spendete, das Evangelium verkündete. Derselbe Priester hat jahrzehntelang religionsfeindliche Bücher geschrieben unter anderen Namen, bis er endlich entdeckt wurde. Das Wort Gottes verkünden, die Messe lesen, die Sakramente spenden und gleichzeitig das alles bis aufs Messer bekämpfen, ich meine, das geht über Menschenkraft.
Feindschaft und Unversöhnlichkeit, die lange, allzu lange anhalten, die niemals aufgegeben werden, gehen, so meine ich, über menschliche Schwäche und Bosheit hinaus. Jeder Mensch will doch endlich einmal Frieden haben und auch Frieden machen, es mag vorgefallen sein, was will. Wer diesen Wunsch sein ganzes Leben unterdrückt und in der Feindschaft unerbittlich verharrt, der hat sich, so fürchte ich, dem bösen Feind ausgeliefert.
Blindheit und Verblendung gegenüber Gott lassen sich teilweise auf die erbsündliche Schwäche des Menschen zurückführen. Aber Gott ist doch erkennbar. Er läßt sich aus den erschaffenen Dingen erschließen. Der Schluß von Geschöpf auf den Schöpfer ist einem jeden möglich. Wer die Wirklichkeit Gottes nicht sieht und nicht sehen will, dem, meine ich, hat Satan das Sehvermögen verwirrt. Der Gott dieser Welt, wie ihn Paulus nennt, hat ihm den Verstand verblendet.
Gotteshaß ist nicht allein aus der sittlichen Schwäche des Menschen zu erklären. Gewiß hat Nietzsche recht, wenn er sagt: „Der Gott, der alles sah, mußte sterben; der Mensch erträgt nicht, dass ein solcher Zeuge lebt.“ Das stimmt, aber den Gotteshaß ein ganzes Leben durchtragen, den wahren, lebendigen Gott, den Herrn und Schöpfer, den Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, den ewigen Richter hassen, also bis aufs Messer bekämpfen, das bezeugt eine Verworfenheit, deren der Mensch, so fürchte ich, aus eigener Kraft nicht fähig ist. Diese Ungeheuerlichkeit setzt als Anstifter und Beihelfer eine übermenschliche Kraft voraus.
Sie kennen alle, meine lieben Freunde, den Komponisten Richard Wagner. Von ihm sagte der bayerische Ministerpräsident Ludwig von der Pfordten: „Wagner ist in meinen Augen der teuflichste Mensch unter der Sonne.“ Von der Pfordten war kein Katholik; er war ein liberaler Protestant. „Wagner ist in meinen Augen der teuflichste Mensch unter der Sonne.“ Wie kam er zu diesem Urteil? Wagner betrog seinen Freund Hans von Bülow und nahm ihm die Frau weg. Er veranlaßte seine Frau, die Tochter von Franz Liszt, vom katholischen Glauben abzufallen. Er belog den bayerischen König Ludwig II. und beutete ihn zugleich schamlos aus. Er grollte Bismarck, nicht weil er den Kulturkampf begonnen, sondern weil er ihn beendet hatte. In seinem ganzen Leben war er ein rücksichtsloser Egoist, der den Luxus liebte. Er war auch radikal ungläubig. Ich wiederhole das Wort des bayerischen Ministerpräsidenten: „In meinen Augen ist Wagner der teuflichste Mensch unter der Sonne.“
Was uns die Erfahrung bezeugt, das wird uns von der Offenbarung bestätigt. Ganz unzweifelhaft hat Jesus vom Satan gesprochen. „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“ Heute, in der Lesung des Evangeliums, haben wir gehört: „Wenn ich durch den Geist Gottes die Teufel austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Der Herr spricht häufig vom Satan. Der Feind, der Unkraut zwischen den Samen wirft, das ist der Teufel. Und das furchtbare Wort: „Der Satan hat danach verlangt, euch zu sieben, wie man den Weizen siebt.“ O, es scheint, dass er heute gewaltig am Sieben ist. „Der Satan hat verlangt, euch zu sieben, wie man den Weizen siebt.“ Den feindseligen Juden hält Christus vor: „Ihr habt den Teufel zum Vater.“ Von Judas Iskariot, dem Verräter, wissen wir aus der Heiligen Schrift, dass der Satan in ihn fuhr. Er gab ihm den Entschluß ein, Jesus zu verraten. Und als der Verrat dann ausgeführt war im Ölgarten, als er mit einem Kuß den Meister verraten hatte, da sagte der Herr: „Das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ Der Herr der Finsternis aber ist der Satan.
In der Geheimen Offenbarung wird die Entwicklung des satanischen Reiches beschrieben, der Anfang. Im Himmel entstand ein Kampf, so berichtet uns der Apokalyptiker. Der Drache kämpfte mit den guten Engeln, und er hatte auch eine Gefolgschaft. Aber die bösen Engel siegten nicht. Ihre Stätte ward nicht mehr gefunden im Himmel. Sie wurden hinabgeschleudert auf die Erde, die alte Schlange, die Teufel und Satan genannt wird. Die Lehre der Kirche faßt dann zusammen, was uns in der Offenbarung über Satan berichtet wird: „Der Teufel und die anderen bösen Geister“, so hat das 4. Laterankonzil festgestellt, „sind von Gott der Natur nach gut geschaffen worden, als gute Geister. Aber sie sind durch eigene Schuld böse geworden. Gott schuf sie nämlich wandelbar, und in dieser Wandelbarkeit war die Möglichkeit, auch zum Bösen abzufallen.“
Warum ist er abgefallen, der böse Engel? Er liebte sich selbst mehr als Gott; er wollte ihm nicht untertan sein. Er überhob sich im Stolz, fiel von dem Wesen aller Wesen ab und kam zum Sturz. Der Stolz hat Satan aus dem Himmel gestürzt. Der glänzende Morgenstern ward zum Abendstern, aber nicht in leuchtendem Aufgang, sondern in finsterem Niedergang. Und er fiel nicht allein. In seinen Sturz riß er seine Gefolgschaft mit. Dieser Sturz ist unwiderruflich. Je höher ein vernunftbegabtes Wesen steht, um so tiefer ist sein Fall. Je unglaublicher sein Vergehen, um so größer das Strafmaß. Seitdem tobt der Kampf zwischen Satan und Gott im Weltall, auf der Erde.
Wie erklärt sich die große Wirksamkeit Satans? Erstens: Aus der Überlegenheit seiner Natur. Er ist ein Engel, ein gefallener Engel. Engel sind unkörperliche Geister, unstoffliche, unsterbliche Geister. Sie sind erhaben über die Menschen. Sie verfügen über eine übermenschliche Intelligenz und über einen übermenschlichen Willen. Alle diese Eigenschaften sind Satan verblieben, denn Satan hat seine gottgegebene Macht bewahrt, er ist nur aus der Gnade herausgefallen. Die Macht und die Intelligenz setzt Satan ein, um die Menschen auf seine Seite zu bringen.
Die Wirksamkeit Satans beruht zweitens auf der Ausdehnung seiner ruinierenden Macht. Christus nennt ihn den Fürsten dieser Welt. Ein Fürst ist ein Machthaber. Jesus spricht von der Macht der Finsternis. Macht ist eine Gewalt. Paulus nennt ihn den Gott dieser Weltzeit. Macht ist die höchste Realität. Satan konnte Jesus bei der Versuchung alle Reiche dieser Welt anbieten, weil er sie in gewisser Hinsicht besitzt. Er hat sie in Besitz genommen, weil die irdischen Herrscher sie ihm ausgeliefert haben. Satan hat den Menschen allerhand zu bieten: Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens. Satan erklärt die Gebote Gottes als willkürlich, willkürliche Fesselung. „Ich verspreche euch die Freiheit“, so sagt er, „Freiheit von dieser Fesselung.“ Er stellt sich selbst als den Befreier dar aus der Bindung, die Gott auferlegt hat. Wirklich, Satan hat den Menschen etwas zu bieten.
Wie erklärt sich seine Wirklichkeit und seine Wirksamkeit? Drittens: aus der Mißgunst. Dem Satan wird in der Heiligen Schrift der Neid zugeschrieben. Satan gönnt den Menschen nicht die Kindschaft Gottes, die heiligmachende Gnade, die Berufung zur ewigen Seligkeit. Er ist neidisch, dass Gott den Menschen gute Engel abgestellt hat, die sie schützen und führen. Satan ist eifersüchtig auf die Anstalt, die den Menschen die Wahrheit und die Gnade vermittelt. Diese Anstalt nennen wir katholische Kirche. Deswegen sein unaufhörliches Wüten gegen diese Kirche. Er ist mißgünstig auf die Priester, die, wenn sie richtig handeln, das Wort Gottes auf die Altäre herabrufen. Der Teufel söhnt sich niemals mit der menschlichen Natur aus. Er führt einen Kampf ohne Kriegserklärung und ohne Waffenstillstand.
Der Teufel geht auch um im Gotteshause. Wo man Gott eine Kirche baut, da baut der Teufel eine Kapelle daneben. Wenn Sie die Religionsfeinde unserer Tage beobachten, dann werden Sie immer und immer feststellen: Sie lassen die Protestanten in Ruhe, sie lassen die Orthodoxen in Ruhe, aber ihr Haß trifft einzig und allein die katholische Kirche. Warum? Der Teufel hält sich an die Profis, nicht an die Amateure. Deswegen sein unaufhörlicher Ansturm gegen diese Kirche, gegen den Papst, gegen die Priester. Er weiß, dass der Satz richtig ist: „Ich will den Hirten schlagen, dann wird sich die Herde zerstreuen.“
Dennoch hat die Macht Satans Grenzen. Dazu ist ja der Sohn Gottes erschienen, dass er die Bollwerke des Teufels zerstöre. Das hat er getan. Durch seinen Gehorsam gegen den Willen des himmlischen Vaters bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuze hat er die Rebellion überwunden. Er hat, wie Paulus im Kolosserbrief schreibt, „die Mächte und Gewalten entwaffnet, an den Pranger gestellt und über sie triumphiert“. Ja, der Herr selber sagt: „Der Fürst dieser Welt ist schon gerichtet.“ Christus hat den Teufel besiegt, er hat ihn an unser Statt und für uns und in uns besiegt. Aber Satan ist nicht vernichtet. Gott erhält ihn am Leben, vermutlich deswegen, damit wir zu kämpfen haben und zu siegen wissen, wie Jesus gegen ihn gekämpft und ihn besiegt hat. Und wie besiegen wir ihn? „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube!“ Der Sieg, der die Welt überwindet, ist unser Glaube. Warum und wieso? Weil der Glaube uns gewiß macht: Es lebt ein Gott, eine unendliche, weltüberlegene Wirklichkeit. Es existiert eine personale Macht von unendlicher Kraft und Schönheit. Es gibt eine allmächtige Liebe. Es ist nicht wahr, wir sind nicht allein im Weltall. Gott ist über uns und bei uns.
Wieso ist der Sieg, den wir erringen, durch den Glauben bedingt? Weil der Glaube nicht trügt. Er stammt aus der Offenbarung Gottes, der nicht täuscht und nicht getäuscht werden kann. Dieser Glaube klärt uns auf, woher das Böse kommt: nicht nur aus dem eigenen Herzen, das zum Bösen geneigt ist von Jugend auf, sondern auch aus der Verführung von außen durch den Verführer von Anfang an, die personale Macht des Bösen. Weil wir von der Existenz Satans wissen, können wir uns in acht nehmen vor ihm. Diese Offenbarung ist ein Gewinn für uns. Uns kann man nicht täuschen. Wir wissen, wer der Chefredakteur in einem bestimmten Magazin ist.
Wieso ist der Glaube der Sieg, der die Welt überwindet? Weil der Glaube uns lehrt, wie wir wandeln sollen, nämlich nüchtern, gerecht und fromm, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Ausschweifung und Unzucht, nicht in Streit und Eifersucht. Wer sich den Glauben zur Richtschnur nimmt, der weiß, wie er zu wandeln hat, und der wandelt, wenn er diesen Glauben sich zu eigen macht, auf den Wegen Gottes. Der Glaube macht uns auch immun gegen Menschenmeinungen. Der Glaube mit seinen felsenharten Grundsätzen panzert uns gegen die Diktatur der Schlagworte. Er schützt uns auch vor dem Wandel der sittlichen Anschauungen.
Für mich, meine Freunde, der ich auf ein langes Leben zurückblicken kann, ist es immer noch unfaßlich: In der Welt wurde gestern die männliche Unzucht mit Zuchthaus und Gefängnis bestraft, heute wird das Laster in den Schulen den Kindern als eine mögliche Form der menschlichen Liebe dargestellt. Für mich ist das unfaßlich. Ich kann diese Verkehrung nur durch das Wirken Satans erklären.
Wieso ist der Glaube der Sieg, der die Welt überwindet? Weil wir im Glauben mit Christus verbunden sind. Der Gläubige steht nicht mehr allein und kämpft nicht mehr allein. Neben ihm steht, mit ihm und in ihm kämpft Christus, der Überwinder Satans. Wer sich an Christus hält, ist stärker als der Feind des Menschengeschlechtes.
Und noch ein letztes Mal die Frage: Wieso ist der Glaube der Sieg, der die Welt überwindet? Weil er uns gewiß macht: Es gibt nicht nur diese Welt, die wir krampfhaft festhalten müssen. Nein, es gibt eine andere, eine bessere Welt, die uns erwartet. Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, empfangen wir einen Bau von Gott, eine ewige Wohnstatt im Himmel. Deswegen ergeht, meine lieben Freunde, heute an uns, an uns alle, der Appell, den Glauben haben und nach dem Glauben leben. Das ist der Sieg, der die Welt überwindet: Im Glauben den Kampf aufnehmen mit der eigenen bösen Neigung, aber auch mit dem Versucher von Anfang an. „Mensch, in das Paradies kommt man nicht unbewehrt. Willst du hinein, du mußt durch Feuer und durch Schwert!“
Amen.