Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. Juli 2007

Die Kirche – heilige Stiftung Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im 19. Jahrhundert lebte zunächst in Tübingen und dann in München der große Theologe Johann Adam Möhler. Von Johann Adam Möhler stammt das schöne Wort: „Die Kirche ist der Leib des Herrn. Sie ist in ihrer Gesamtheit seine sichtbare Gestalt, seine bleibende, ewig sich verjüngende Menschheit, seine ewige Offenbarung.“

Die Kirche ist der Leib Christi. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass dieser Leib heilig sein muss. Deswegen hat die Kirche auch in ihren Glaubensbekenntnissen sich immer als die „heilige Kirche“ bekannt. Vom Wesen her, als Leib Christi, muss sie heilig sein. Aber heilig ist sie auch, weil sie die Aufgabe hat zu heiligen. Sie soll die Menschen, die Gott ihr zuführt, heiligen, sie zur Heiligkeit führen und sie auf diese Weise dem geheimnisvollen Leibe Christi eingliedern. Da kenne ich natürlich die Einwendungen, die man vorbringt: Aber wie steht es denn mit dem tatsächlichen Katholizismus? Sind da nicht viele unheilig? Was ist denn da von der Heiligkeit zu erkennen?

Zunächst einmal, meine Freunde, die grundsätzliche Feststellung zu den Schwächen der Christen: Nicht das Christentum hat versagt, nicht die Kirche hat versagt, sondern die Menschen haben sich als unfähig oder unwillig erwiesen, das Christentum zu leben und der Kirche zu folgen. Das ist die Antwort für diejenigen, die uns sagen: Eure Angehörigen sind nicht heilig. Nicht das Christentum hat versagt, die Menschen haben sich als unfähig und unwillig erwiesen, es zu leben.

Die Kirche ist ein Baum, und an einem Baume gibt es gute und schöne Früchte, aber auch Fallobst und unreife Früchte. Ähnlich ist es in der Kirche. Die Kirche als Institution ist heilig, auch wenn es in ihr unheilige Glieder, leider in beträchtlicher Zahl, gibt. Die Kirche ist heilig, weil sie in der Wahrheit Christi bleibt. Die Kirche als Institution hat sich in ihren Dogmen, in ihren Glaubenssätzen, in ihren Glaubensgesetzen nie geirrt. Sie hat nie ihre Kraft verloren, der Wahrheit Zeugnis zu geben. Sie hat sich nicht dem Geist der Zeiten gebeugt, sondern nur allzu oft sich dem Geist der Zeiten widersetzt. Es war für sie nie eine dankbare Aufgabe, sich dem Geist der Zeiten entgegenzustellen, gegen die Gelüste der Menschen, und Recht und Wahrheit zu verteidigen. Das war nie eine angenehme Aufgabe. Aber die Kirche hat sich ihr nie verweigert. Sie hat immer das höchste Gut der Menschheit, die Wahrheit, verteidigt, hochgehalten und in ihrem Schoße bewahrt. Jetzt wieder durch die Erklärung der Glaubenskongregation, die der Heilige Vater persönlich bestätigt hat. In Mainz, meine lieben Freunde, in Mainz gab es einen Theologieprofessor, der sagte: „Jetzt, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, kann man die Lehrbücher über die Kirche, die vorher gebraucht waren, in den Keller bringen.“ Welcher Unsinn! Welcher Unsinn, meine lieben Freunde! Nicht weglegen, sondern aufheben muss man sie; denn die Lehre von der Kirche ist vor dem Zweiten Vatikanum keine andere als nach ihm, wie der Heilige Vater jetzt zu unserer Freude erklärt hat. Die Kirche, die katholische Kirche, ist der Leib Christi, und die Kirche Christi ist keine andere als die katholischer Kirche. Ich verstehe die Aufregung nicht, die sich mancher wegen dieser Klarstellung bemächtigt. Man wird doch der Kirche noch zugestehen, dass sie ihr Selbstverständnis ausspricht! Man wird ihr doch noch erlauben, dass sie zu ihrer Wahrheit steht und sich nicht selbst verleugnet! Alle anderen könnten auch in dieser Kirche stehen, wenn sie sich nicht zu ihrem Unsegen von ihr getrennt hätten.

Freilich, da gibt es Leute, die die Möglichkeit irrtumsloser, zweifelsfreier Erkenntnis der Wahrheit leugnen. Es gebe nur Meinungen. Es gebe keine feststehende, keine endgültige, keine unabhängige Wahrheit. Die Wahrheit sei etwas Fließendes, das sich stets verändere. Die Wahrheit sei auch nur soviel wert, wie sie der Bequemlichkeit und dem Vorteil dient. Wahr ist, was nützt. Wahrheit ist der zweckmäßige Irrtum. Diese Irrlehren hat die Kirche schon unter Papst Pius X. verurteilt. Damals, als der Papst sich erhob gegen den Modernismus, also dieses Sammelbecken von Irrtümern. Der Modernismus verlegte den Glauben in das Gefühl. Was der Mensch im Inneren denkt und was ihn treibt, das sei die jedem einzelnen eigene und vorübergehende Wahrheit. Es gibt – das war der entscheidende Irrtum des Modernismus – keine unveränderliche Wahrheit.

 Die Kirche hat diese Irrlehre zurückgewiesen. Sie hat den Glauben und auch die Vernunft damit gerettet. Lieber lässt die Kirche ihre Anhänger zu einer kleinen Schar zusammenschmelzen, lieber lässt sie ganze Länder von sich abfallen, als dass sie die Wahrheit preisgäbe eingedenk des Wortes des Heilandes: „Vater, heilige sie in der Wahrheit. Dein Wort ist Wahrheit.“

Wie die Wahrheit, so schützt die Kirche auch das Sittengesetz. Das Sittengesetz ist ja nichts anderes als die Wahrheit auf dem Gebiete des Handelns und des Tuns. Hier ist der Mensch aufgerufen, sich der Wahrheit anzubequemen, nach der Wahrheit zu handeln. „Die Kirche ist’s, die Heilige, die Hohe, die zu dem Himmel uns die Leiter baut“, so steht es bei Schiller. Und das ist eben der Weg, den die Kirche mit ihrem Sittengesetz weist. Auch hier hat man versucht, die Sitte der Veränderlichkeit unterzuordnen. Sitte ist, so sagt man, je nach der Zeit zu verändern. Vorher kannten die Leute eben die Pille nicht, jetzt kennen sie sie, und deswegen muss die Kirche die Pille akzeptieren. Nein, meine lieben Freunde, das Sittengesetz ist keine menschliche Konvention. Das Sittengesetz ist der Ausdruck des ewigen Willens Gottes. Das Sittengesetz wandelt sich nicht mit der Zeit; das Sittengesetz steht über der Zeit. Wenn der Mensch sich in seinem Wesen nicht ändert, kann sich auch das Sittengesetz nicht ändern.

Was die Menschen aus dem Sittengesetz machen, wissen wir ja. Was haben Luther und seine Anhänger aus der Ehe gemacht? „Die Ehe ist ein weltlich Ding“, sagt er, „so wie Haus, Hof und Kleidung.“ Kein Sakrament der Ehe, ein weltlich Ding wie Haus, Hof und Kleidung! Und dann ist es weitergegangen. Entsprechend dieser Vorgabe hat die Französische Revolution die Zivilehe eingeführt, die ja doch nur ein Abklatsch der wahren Ehe ist. Durch die Zivilehe wird die Ehe wechselnden parlamentarischen Mehrheiten ausgeliefert. Und was treibt diese Mehrheiten? Immer es den Menschen bequem zu machen, es immer noch leichter zu machen, alles, was beschwerlich ist, abzubauen. Das ist der Zug des Parlamentarismus. Und was hat der Protestantismus aus dem Weihesakrament gemacht? Er hat es vernichtet. Es gibt kein solches Sakrament. „Alles, was aus der Taufe gekrochen ist, ist Priester, Bischof und Papst.“ Das sind Worte von Luther. Nein, wir müssen an der Wahrheit festhalten. Ob die Zeiten sich ändern, die Menschen brauchen die Wahrheit, denn die Wahrheit allein kann sie schützen und vor dem Irrtum, vor dem verderblichen Irrtum bewahren. Das ist ein Ausdruck der Heiligkeit der Kirche, dass sie an der Wahrheit des Glaubens und an der Wahrheit der Sittengesetze unerbittlich, zu ihrem größten äußeren Schaden, festgehalten hat.

Sie ist heilig, weil sie Gott anbetet, weil sie Gott verehrt, wie er angebetet und verehrt werden will und muss. Der Mensch muss anbeten. Wenn er nicht den wahren Gott anbetet, dann betet er Götzen an. Die Kirche hat ihr immerwährendes Lob gestiftet in den Klöstern, in den Priestern. Wir Priester beten jeden Tag stundenlang. Wir beten für die, die nicht beten, die nicht beten können oder nicht beten wollen. Wir beten, denn wir sind die berufenen Beter der Kirche. Gebet ist unsere erste und oberste Aufgabe. Wir sind keine Sozialmanager, sondern wir sind Beter. Der Allerhöchste darf nie ohne Verherrlichung bleiben, nicht um seinetwillen, sondern um unseretwillen. Denn wenn der Mensch nicht anbetet, dann wird er zum Tier. Die Menschheit darf nicht stumm bleiben vor Gott. Sie muss ihn anbeten, sie muss ihn anerkennen, sie muss ihm danken und ihn preisen, und sie muss ihn auch bitten und anflehen. Nur dann behält sie ihre Würde, nur dann vergisst sie nicht ihr Ziel.

Die Kirche hat die Aufgabe, die Menschen zu heiligen, und sie hat diese Aufgabe erfüllt. Sie hat in ihrem geschichtlichen Dasein Unermessliches für die Heiligung des Menschengeschlechtes geleistet. Sie hat unzählige Menschen zum Glauben geführt, im Glauben erhalten. Sie hat ihnen das Sittengesetz verkündet und sie zur Beobachtung dieses Gesetzes angeleitet. Unzählige Menschen haben dank der Kirche Gott die Ehre gegeben und ihren Mitmenschen zum Heile gewirkt. Unzählige Menschen haben sich an Hand der Kirche aus dem Schlamm der Sünde emporgearbeitet und dank ihrer Hilfe zur Reinheit erhoben. Die Kirche hat unzähligen Menschen Halt gegeben. Ihre Lehre, ihre sittlichen Weisungen haben sie vor Schuld und Sünde bewahrt. Nein, meine lieben Freunde, die Kirche hat ihre Heiligungsaufgabe allezeit ernst genommen und damit unermesslichen Segen gestiftet. Sie hat auch in unzählige Herzen Trost und Frieden gebracht. Ihre Botschaft von der Liebe hat die Menschen gelehrt, dem Haß zu entsagen, das Evangelium von der Barmherzigkeit hat den Sündern Mut gegeben und hat sie vor Verzweiflung gerettet. Die Verkündigung des ewigen Lebens hat den Leidenden eine unversiegliche Hoffnung gegeben.

Und die Kirche ist bei ihrem Bemühen um Heilung und Heiligung der Menschheit erfolgreich gewesen. Keine Macht der Erde kann eine solche Reihe vollkommener Menschengestalten aufweisen, wie sie die Kirche aufzuweisen hat, eine unendlich lange und ganz einheitlich auf Gott ausgerichtete Reihe von Männern, Frauen, Kindern und Jugendlichen, von allen Berufsklassen, Menschen aller Völker und aller Lebensverhältnisse. Sie sind unser Vorbild, sie sind uns vorangegangen. Nach ihnen können wir uns richten. Haben sie es gekonnt, warum sollen wir es nicht können? Die Heiligenreihe feiert nicht die außergewöhnlichen Taten, sondern die Heiligenreihe feiert die unscheinbare Tugend, die innerliche Schönheit, die Treue im Kleinen, das Heldentum im Alltag. Das ist es, was die Heiligenreihe uns erkennen lässt. Menschen, nicht Bücher, Gestalten, nicht Gedanken sind es, nach denen wir uns richten dürfen. Sie zeigen uns, was Heiligkeit, was Güte, was Reinheit, was Seelenglück und was letztes Ziel alles Strebens auf Erden ist.

Meine lieben Freunde, wenn jemand so töricht wäre, zu sagen: Ich will euch eine bessere Religion geben als eure christliche, so antworten wir: Sei du uns vorerst ein solches Vorbild an Liebe, an Demut, an Keuschheit, wie Petrus und Paulus es waren. Dann komm und lehre uns deine bessere Religion! Und wir wollen sie mit Dank annehmen. Bis dahin behalten wir die unsere, und ich meine, wir behalten sie für immer.

Amen.

 

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