Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. Oktober 2004

Christus, König über alle Welt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier des Königsfestes Christi Versammelte!

Jeder, der Christus bekämpfen oder auch nur ihn beiseitesetzen will, hält sich an seine Kirche. Denn Christus ist nicht mehr greifbar. Einmal ist es gelungen, ihn zu beseitigen, aber jetzt thront er zur Rechten des Vaters, unangreifbar für seine Hasser und Feinde. Und so hält sich der grausame Kampf gegen Christus an seine Kirche; sie ist ja der Herold des Herrn. Christus hat sie geschaffen, um seine Botschaft weiterzutragen und seine Gnade zu vermitteln. Wer die Kirche zum Schweigen bringt, der bringt Christus zum Schweigen, und das ist die Absicht aller Feinde. Man will die Kirche, man will die Religion, man will das Christentum aus den gesellschaftlichen Bereichen entfernen; man will das tun, was einem beliebt, um nicht von Forderungen, von unbequemen Forderungen Christi behelligt zu werden.

Doppelt teuflisch ist dieses Vorhaben, wenn es sich auf Worte aus dem Munde Christi stützt, und wenn es angeblich in der Absicht geschieht, der Kirche helfen zu wollen, dass sie sich auf ihre eigenen, auf ihre ureigenen, auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentriert, wie man sagt. Man will das geistige Christentum gegen das politische Christentum ausspielen, als ob Christus nur Herr der Sakristei und nicht auch Herr des Rathauses wäre!

Wenn die Kirche zum Beispiel irgendwo fordert, dass das öffentliche Leben nach dem Gesetz Christi gestaltet wird, dass christliche Grundsätze berücksichtigt werden oder dass sie wenigstens nicht missachtet werden, wenn die Kirche die Achtung vor den sittlichen Gesetzen einfordert, auch im kulturellen Leben, im sozialen Leben, wenn sie die vertragliche Regelung der Beziehungen von Kirche und Staat wünscht und begehrt, dann hält man ihr scheinheilig entgegen: Kirche, halte dich aus diesen Sachen heraus! Beschränke dich auf die Sakristei und die Sonntagsandacht! Denn Christus hat ja selbst gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Tatsächlich ist dies ein Wort Christi, wie wir soeben im Evangelium des Christkönigsfestes gehört haben: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Er sagt es, und daran darf nicht gerüttelt werden. Aber dieses Christuswort ist anders gemeint, als seine Feinde ausgeben. Es besagt nicht einen müden Verzicht auf seine Königsrechte. Es besagt nicht: Da habt ihr die Welt, und macht aus ihr, was ihr wollt. Nein, dieses Wort ist eine Erklärung seiner besonderen Rechte an diese Welt. In diesem Worte erhebt er seinen Majestätsanspruch. Dieses Wort ist ein Königswort, das seine Herrschaft einfordert, gleichzeitig freilich auch die Andersartigkeit dieser Herrschaft hervorhebt.

Wenn Christus sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, dann will er damit ausdrücken, dass dieses Reich ihm nicht von unten gegeben ist. Es beruht nicht auf Wahlen und Abstimmungen. Es hat auch nicht seine Kraft in Flugzeugträgern und Panzern. Es ist von anderer Art als die Herrschaften dieser Welt. Die Kirche tritt für ein Reich ein, das nicht mit irdischen Mitteln gebaut ist und von irdischen Kräften lebt. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, das heißt: Es ist von oben. Es ist von Gott gegeben. Es ist vom Vater im Himmel gegründet. Es ist nicht von der Art und der Natur dieser Welt. Es hat in dieser Welt nicht seinen Ursprung. Es empfängt seine Berechtigung und sein Recht nicht von Revolutionen oder Referenden. Der Herr ist König, aber nicht von Volkes Gnaden, sondern von Gottes Gnaden. Das Reich Christi ist von Gott gegründet und ist wahrhaftig von Gott geschaffen.

Aber man muß auch sogleich hinzusetzen: Wenn dieses Reich nicht von dieser Welt ist, so ist es doch in dieser Welt. Das Reich Christi ist dafür geschaffen, die Ordnung dieser Welt aufzubauen und zu gewährleisten. Das Reich Christi hat seine Forderungen an diese Welt, an die Politik, an die Wirtschaft, an das Sozialleben. Für alle diese Gebiete stellt Christus seine Ansprüche auf, und die Kirche verkündet sie in seinem Namen.

Wir haben in diesen Tagen, meine lieben Freunde, ein trauriges und bitterböses Schauspiel erlebt, nämlich in Brüssel und in Straßburg. Die italienische Regierung hatte für den Posten eines Kommissars in der europäischen Kommission den gläubigen katholischen Politiker Buttiglione vorgeschlagen, einen hervorragenden Juristen, polyglott, er spricht viele Sprachen, auch deutsch flüssig. Aber Buttiglione konnte nicht Kommissar werden. Warum nicht? Weil er sich zum katholischen Glauben bekannte; weil er die katholische Sittenlehre vertrat. Was ihm nicht verziehen werden konnte, das war das Wort: „Homosexualität ist Sünde.“ Das darf man nicht sagen in Brüssel oder in Straßburg. Dieses Geschehnis, meine lieben Freunde, ist erhellend, was wir von dieser Europäischen Union zu erwarten haben. Wir hatten schon eine Probe bekommen, als es abgelehnt wurde, den Namen Gottes in die Verfassung, die dieser Tage unterzeichnet wurde, aufzunehmen. Jetzt wissen wir noch mehr. Jetzt wissen wir, dass für bekennende katholische Christen in den maßgebenden Institutionen dieser Europäischen Union kein Platz ist.

Nicht alle haben dieses Geschehen kommentarlos hingehen lassen, und ich habe die Zeitungen gesammelt, in denen sich Christen zu Wort gemeldet haben. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb ein Leserbriefschreiber: „Der italienische Kommissarskandidat muß sich als gläubiger Katholik dafür rechtfertigen, dass er die Positionen der katholischen Kirche, für welche er in der Kommission ,Justitia et Pax’ arbeitet, in seinem Handeln als Individuum versucht umzusetzen. Er hat nicht gesagt, dass er nach diesem Grundsatz sein Amt führen will, er hat nur gesagt, dass dies seine Überzeugung ist, und wegen seiner Überzeugung wurde er abgelehnt.“ Ein anderer Leserbriefschreiber schrieb:  „Wer Christus verteidigt und die Wahrheit spricht, die nur von Gott kommt, den können wir nicht leiden, den müssen wir weghaben, und der sollte doch nicht Politiker werden. Jetzt kann jeder Christ und jeder Jude, der sich an die Weisungen seiner Heiligen Schriften hält und mit ihnen das Sünde nennt, was dort als Sünde bezeichnet wird, kein guter Europäer sein. Ist das die Wertegemeinschaft der Europäischen Union?“

Es sei zum Ruhme der beiden führenden Zeitungen in Deutschland gesagt, nämlich der „Frankfurter Allgemeinen“ und der „Welt“, dass auch sie in redaktionellen Beiträgen gegen diesen Skandal Stellung bezogen haben. Die Frankfurter Allgemeine fragt: „Wird jemand, der sich zu einem traditionalistischen Weltbild bekennt, von vornherein europauntauglich dazu erklärt von Leuten wie Cohn-Bendit (einem Juden)? Oder geht es allein um europäisches Recht, seine korrekte Anwendung, um die Unterscheidung von privater Moral und öffentlichem Amt?“ Und in der Zeitung „Die Welt“ hieß es: „Beurteilt wird einer nicht mehr nach dem, was er macht, sondern nach dem, was er denkt. In solchen Momenten gibt sich die selbsternannte europäische Wertegemeinschaft als antiliberales Institut der Meinungskontrolle zu erkennen. Die Menschen sollen nach ihren Gedanken sortiert werden, nicht nach dem, was sie tun und lassen.“

Schließlich haben auch einige Parlamentarier in Brüssel und Straßburg ihre Ablehnung dieses Geschehnisses kundgetan. Der italienische Staatschef Berlusconi schrieb, das Votum des Ausschusses habe einen Beigeschmack von Fundamentalismus. Es richte sich gegen die Gewissensfreiheit eines Politikers katholischen Glaubens. Und die CDU-Abgeordnete Klamt sprach von einer unerträglichen Diskriminierung. Der CSU-Abgeordnete Posselt warnte vor einer hysterischen Atmosphäre der Christenverfolgung in europäischen Institutionen. Schweigsam blieb der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Er spricht zu allem, zu fast allem, aber diesmal bleib er schweigsam. Dafür ergriff der Erzbischof von München – man höre und staune! – Friedrich Wetter, das Wort. Obwohl, so sagte er, Buttiglione deutlich gemacht habe, dass er zwischen seiner persönlichen Moralvorstellung und dem geltenden Recht zu unterscheiden wisse, wurde ihm die Eignung für ein wichtiges politisches Amt in der Europäischen Union abgesprochen. Wetter verwies darauf, dass Buttigliones Haltung auf der Lehre der katholischen Kirche gründe. Die Kirche könne nicht hinnehmen, dass von Politikern verlangt werde, ihre christliche Einstellung zu verbergen. Er protestierte gegen einen solchen Kulturkampf, der im Gewand von Liberalität und Toleranz inszeniert werde. „Offensichtlich“, sagte Wetter, „wäre es nicht einmal den christlich geprägten Gründervätern eines einigen Europas, Konrad Adenauer, Robert Schumann und Alcide De Gasperi möglich, heute UN-Kommissar zu werden.“

Meine lieben Freunde, das Christkönigsfest ist geeignet, an die Königsrechte Christi zu erinnern. Sie gelten immer und überall. Sie gelten sogar für die Europäische Union. Und wenn dort Atheisten und Homosexuelle etwas werden können, dann fordern wir, dass auch katholische Christen, die hinter ihrem Glauben stehen, in Ämter dieser Europäischen Union einrücken dürfen. Andernfalls ist der Krieg gegen Christus, der Krieg gegen seine Königsherrschaft, der Krieg gegen seine Majestätsrechte eröffnet. Daran beteiligen wir uns nicht. Seien wir wachsam, was aus der Europäischen Union auf uns gläubige Christen noch zukommt!

Amen.

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