2. September 2001
Über Begriff und Sache der Wesensverwandlung)
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils machen Tausende von Worten aus. Aber in diesen Texten fehlt das Wort Transsubstantiation – Wesensverwandlung. Aus diesem Fehlen haben unberatene Theologen den Schluß gezogen, daß sich das Konzil – und damit die Kirche – von der Wesensverwandlung distanziert. Daß dieser Schluß falsch ist, hat Papst Paul VI., der ein waches Gespür für die Strömungen in der Kirche hatte, klargemacht, indem er eine eigene Enzyklika über das eucharistische Opfersakrament und darin über den Begriff und die Sache Transsubstantiation, Wesensverwandlung, erließ. Die Kirche kann keine Dogmen preisgeben, wenn sie sich nicht selbst preisgeben will. Was Wahrheit war, bleibt Wahrheit. Ob der Zeitgeist dagegen anstürmt oder nicht, das spielt keine Rolle. Was die Kirche einmal im Heiligen Geist als Wahrheit erkannt hat, das bleibt immer gültig.
Natürlich muß man versuchen, in die Geheimnisse des Glaubens einzudringen, soweit das menschlichem Bemühen zugänglich ist. Wir wollen heute noch einmal versuchen, hineinzuschauen in den Begriff und in die Sache der Wesensverwandlung. Wir müssen ja versuchen, denen, die uns fragen, Antwort zu geben, und deswegen ist es notwendig, mit der Anstrengung des Geistes den Versuch zu machen, Begriff und Sache der Wesensverwandlung aufzuhellen. Ich will es in fünf Schritten tun.
Erstens: Man hat sich die Gegenwart Christi im eucharistischen Opfersakrament, also in den Gestalten von Brot und Wein, so vorzustellen versucht, daß man sagte: Jesus ist eben ganz zusammengepreßt und ganz klein, und deswegen findet er Platz in der Hostie. Eine solche Vorstellung ist irrig. Ein zusammengepreßter Leib ist kein Leib. Ein Leib, in dem sich die Glieder durchdringen und verschlingen, ist kein Leib. Diese falsche Meinung resultiert daraus, daß man die natürliche Seinsweise Christi, wie er auf Erden gewandelt ist, wie er die Aussätzigen geheilt hat, verwechselt mit der sakramentalen Seinsweise. Die sakramentale Seinsweise ist von der natürlichen Seinsweise wesentlich verschieden. Sie ist unserer Erfahrung nicht zugänglich, und deswegen können wir über sie auch wenige Aussagen machen. Wir können sie auch nicht mit den Maßstäben der Erfahrung messen. Sie ist anders, als es die täglich begegnenden Wirklichkeiten sind. Die Gestalt, die Maße, die Organe, das ganze leibliche Leben Jesu ist nicht in wirklicher Ausgedehntheit da. Die natürliche Seinsweise ist ausgedehnt. Ein Raum nimmt einen Platz ein, und wo ein Körper ist, kann kein anderer sein, lehrt uns die Physik. Aber das ist eben in der sakramentalen Seinsweise anders. Der Leib und das Blut Christi sind unräumlich. Wegen ihrer Unräumlichkeit brauchen sie keinen Platz; sie sind nicht in räumlicher Weise gegenwärtig, so daß ein Teil seines Leibes einen Teil des Raumes ausfüllt. Nein, Christus ist wirklich gegenwärtig, aber nach Art – nach Art! – des Geistes, und der Geist braucht ja keinen Raum. Er ist an einem Raum, er ist raumgebunden, aber er füllt einen Raum nicht aus. Wir müssen uns das ungefähr so vorstellen wie das Gesetz der Schwerkraft. Wir wissen, daß die Gestirne am Firmament dem Gesetze der Schwerkraft gehorchen. Dieses Gesetz gilt für alle Gestirne und für die ganze Sternenwelt. Aber das Gesetz der Schwerkraft kann man nicht lokalisieren. Man kann nicht sagen: Es ist hier, oder es ist da. Es gilt, und durch sein Gelten beherrscht es die Wirklichkeit. Ähnlich-unähnlich ist es mit der Wirklichkeit der Eucharistie. Auch hier ist die Unräumlichkeit wie beim Geist gegeben, und Christus füllt deswegen keinen Raum aus.
Der zweite Gegenstand ist die Frage: Wie kann Christus, von dem wir wissen, daß er in den Himmel aufgefahren ist, gleichzeitig in der Hostie sein? Wie ist denn die Vielörtlichkeit Christi möglich? Der abgefallene englische Theologe und Bischof Cranmer hat unter Hinweis auf die Existenz Christi im Himmel die Existenz Christi in der Eucharistie bestritten. Die Kirche antwortet darauf, daß der Leib Christi selbstverständlich einer ist, einer und ein einziger. Er verändert sich auch nicht, wenn er in die Hostie eintritt. Das bedeutet für ihn keine neue Seins- und keine neue Verhaltensweise. Er geht nur eine neue Beziehung ein. Er geht neue Beziehungen ein zu all den Hostien, die auf der Welt konsekriert werden. Es ist ein und derselbe Leib, der ohne Veränderung und ohne räumliche Bewegung neue, eigenartige Beziehungen zum Raum eingeht. Und deswegen hat die Kirche auf dem Konzil von Trient den Lehrsatz aufgestellt: „Wer leugnet, daß in dem verehrungswürdigen Sakrament der Eucharistie unter jeder Gestalt und unter den einzelnen Teilen – und unter den einzelnen Teilen! – einer jeden Gestalt nach der Teilung der ganze Christus enthalten ist, der sei ausgeschlossen.“
Die dritte Frage ist: Kann denn Christus in der Eucharistie, in den Gestalten von Brot und Wein sehen, hören, fühlen? Die Antwort muß lauten: Er kann es nicht. Christus entfaltet als Mensch in der eucharistischen Gestalt kein Sinnenleben. Er kann nicht sprechen, nicht hören, nicht sehen, sich nicht bewegen, denn diese Tätigkeiten setzen eine räumliche, ausgedehnte, körperliche Seinsweise voraus. Dennoch weiß Christus natürlich, was in den Herzen der Gläubigen vorgeht, weil die Menschheit verbunden ist mit der Gottheit. Kraft seiner Verbundenheit mit der Gottheit weiß Christus in der heiligsten Hostie, was jeder Mensch denkt und wie er sich ihm naht, wenn er zum Empfange der heiligen Hostie vortritt.
Weil Christus in einer fremden Gestalt zugegen ist, nicht in seiner eigenen, deswegen kann er auch von uns nicht gesehen werden. Wir sehen nur die Gestalten. Christus tritt nur durch die Gestalten in Beziehung zur Außenwelt. Er ist unter den Gestalten verborgen, sein Leib ist in einer anderen Existenzform zugegen, und für diese fehlt uns jedes sinnliche Wahrnehmungsvermögen. Wir wissen, daß er zugegen ist, aber wir sehen ihn nicht. Wir glauben fest und unerschütterlich, daß er in der konsekrierten Hostie und im konsekrierten Wein zugegen ist, aber wir können ihn nicht wahrnehmen, wir können nur immer seine Erscheinungsformen, die Erscheinungsformen von Brot und Wein wahrnehmen, aber ihn selbst können wir nicht wahrnehmen.
Diese Erscheinungsformen aber, viertens, sind von großer Bedeutung, denn sie verbürgen uns die Gegenwart Christi. Die Erscheinungsformen sind uns die Bürgschaft dafür, daß Christus in ihnen zugegen ist. Sie verbürgen nicht die Gegenwart von Brot und Wein, sondern sie verbürgen die Gegenwart Christi. Gott hat in das innere Gefüge von Brot und Wein so eingegriffen, daß der Wesensbestand verschwunden ist und an seine Stelle der Wesensbestand des Leibes und Blutes Christi getreten ist. Die Erscheinungsformen, also Brot und Wein, behalten die ihnen eigentümlichen Wirksamkeiten. Das Brot der heiligen Hostie besitzt also Nährkraft, Schwere, Farbe wie vor der Konsekration; das bleibt unverändert. Was verändert ist, ist der Wesenskern, ist der jenseits aller Experimente liegende Wesenskern. Die Grundwirklichkeit, die hier zugegen ist, ist verändert worden. Man kann also nicht, wenn man meinetwegen Schicht um Schicht ablöst von der heiligen Hostie, irgendwann einmal auf den Leib Christi stoßen. Er ist der überempirische Seinsgrund der Eigenschaften. Es gelingt uns nicht, durch irgendwelche chemischen und physikalischen Manipulationen zum Wesenskern Christi durchzudringen. Es muß ja so sein. Denn wenn es anders wäre, dann würden wir Gott überwältigen, dann würden wir ihn in unsere Gewalt bringen, da könnten wir ihn beherrschen. Es muß so sein, wenn Gott der weltüberlegene, transzendente Schöpfer bleiben will.
Und noch ein Letztes, was zu fragen ist: Wie vollzieht sich denn die Gegenwart Christi in den Gestalten, und wie ist es zu beurteilen, daß im Sakrament kraft des Wortes nur von Leib und Blut Christi die Rede ist? Kraft des Sakramentes wird in der Eucharistie nur der Leib und nur das Blut Christi gegenwärtig – kraft des Sakramentes. Aber durch die Verbundenheit des Leibes und Blutes Christi mit seiner Seele und durch die Verbundenheit von Leib und Seele mit seiner Gottheit wird unter jeder Gestalt mit dem Fleische und mit dem Blute Christi auch seine Seele und die Gottheit gegenwärtig. Man nennt das die Gegenwart durch Konkomitanz, durch Begleitschaft. Wenn kraft des Sakramentes nur der Leib und nur das Blut gegenwärtig wird, so doch wegen der Beifolge, wegen der Mitfolge auch die Seele und die Gottheit Christi.
Das sind Versuche, meine lieben Christen, das Unsagbare auszusagen. Sie müssen gemacht werden, denn wir müssen uns Rechenschaft geben, ob wir im Geheimnis des eucharistischen Opfersakramentes den göttlichen Sinn erkennen, oder ob wir hier ein menschliches Gemächte vor uns haben. Die Erkenntnisse, welche die Kirche in 2000 Jahren gewonnen hat, gipfeln in den Worten und in der Sache der Wesensverwandlung. Es ist möglich, daß von einem Gegenstand das Grundsein, das verborgene Sein verändert wird, ohne daß die Erscheinungsformen verändert werden. Und das eben ist in der Eucharistie geschehen. Brot und Wein bleiben als äußere Erscheinungsformen bestehen, aber in der Tiefe, in einer überempirischen Tiefe hat sich etwas verändert, hat Gott durch seine Allmacht gewirkt, daß sein Leib, sein Blut, seine Seele und seine Gottheit wahrhaft, wirklich und wesentlich zugegen ist.
Die Aussätzigen des heutigen Evangeliums haben den Herrn angerufen: „Meister, erbarme dich unser!“ Diesen Ruf wollen wir uns zu eigen machen. Wenn wir das eucharistische Opfersakrament bekennen, wenn wir die Gestalten des eucharistischen Opfersakramentes vom Priester erheben sehen, dann wollen wir rufen: „Jesus, Meister, erbarme dich unser! Wir glauben, aber hilf unserem Unglauben!“
Amen.