Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
19. Mai 1991

Das Zeugnis des Heiligen Geistes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Pfingstfreude Versammelte!

In den Abschiedsreden Jesu steht ein Wort, das uns zunächst dunkel erscheint: „Wenn ich nicht hingehe, kann der Heilige Geist nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich ihn euch senden.“ Warum kann der Heilige Geist nicht kommen, wenn Jesus nicht hingeht? Kann er ihn nicht auch senden, ohne daß er hingeht? Hingehen bedeutet die Einheit von Tod, Auferstehung und Himmelfahrt. Diese Ereignisse sind das Hingehen, und dieses Hingehen, so sagt der Herr, ist die Voraussetzung dafür, daß er den Heiligen Geist senden kann. Warum ist es die Voraussetzung? Warum muß er hingehen – getötet werden, auferstehen und in die Herrlichkeit des Vaters zurückkehren –, damit er den Heiligen Geist senden kann? Der Grund ist in folgendem gelegen: Tod, Auferstehung und Himmelfahrt bilden eine Einheit. Sie sind der Hingang Jesu, der Hingang, der durch den Tod zur glorreichen Erhöhung führt. Erst wenn Christus erhöht ist, erst wenn er verklärt ist, ist das Werk des Heiligen Geistes in ihm selbst zum Ende gekommen. Erst wenn er in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen ist, ist er vollendet, hat der Heilige Geist sein Werk in ihm vollbracht, ist das Haupt der Schöpfung verklärt. Und das Haupt der Schöpfung muß zuerst verklärt sein, bevor die Schöpfung verklärt werden kann. Das All kann erst dann verklärt werden, wenn sein Haupt verklärt ist. Die Verklärung des Hauptes, die Vollendung des Hauptes aber ist erst geschehen, wenn der Herr in den Himmel aufgefahren ist und zur Rechten des Vaters Platz genommen hat. Dann ist seine Vollendung erfolgt. Dann soll aber auch der Beginn der Vollendung am All nicht mehr aufgeschoben werden; dann sendet er den Geist, damit an dem All geschieht, was an ihm geschehen ist.

Das ist also der Grund, warum der Herr sagt: „Wenn ich nicht hingehe, kann der Heilige Geist nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich ihn euch senden.“ Aus der verklärten Natur des Herrn wird der Heilige Geist gesandt. Wenn er vollendet, wenn er vom Heiligen Geist erfüllt ist, dann strömen gleichsam Gnadenbächlein und Gnadenströme aus ihm heraus und vollenden die Menschheit, ja das ganze All. Denn die Menschheit und das All soll nicht, darf nicht, kann nicht in einer Seinsweise verharren, die zu der des Hauptes nicht mehr paßt. Und das Haupt ist eben vollendet und verklärt, und deswegen soll das All und soll die Menschheit vollendet und verklärt werden.

Der Heilige Geist nimmt also nach der Himmelfahrt des Herrn die Arbeit an der Menschheit auf, sie zu verklären. Er hat ja die menschliche Natur Christi gewirk; von Maria ist gesagt: „Sie empfing vom Heiligen Geist“. Doch zur Zeit des irdischen Lebens Jesu war sein Erfülltsein und Durchwirktsein und Durchstrahltsein vom Heiligen Geiste verborgen. Erst seit seiner Auferstehung ist dieses Erfülltsein vom Heiligen Geiste offenbar. Und nun, da es offenbar ist, soll es auch an denen verwirklicht werden, die zu ihm gehören durch Glaube und Taufe. Und so hat der Herr am Pfingsttage den Heiligen Geist gesandt. Der Grund, warum er gewartet hat, ist also nicht darin gelegen – wie ungläubige Theologen behaupten –, daß erst der Leichnam Christi verwest sein und unkenntlich geworden sein mußte, damit die Jünger dann die Lüge ausstreuen konnten, er sei auferstanden und verklärt. Denn um die Erlösung Jesu zu verkündigen, dazu haben sie nicht vierzig oder fünfzig Tage gebraucht, sondern sie haben schon am dritten Tage nach dem Tode, also längst vor seiner Verwesung, die Überzeugung gewonnen, daß er auferstanden und verherrlicht ist. Also diese törichte Behauptung trägt nichts zur Erklärung des Pfingstfestes bei.

Die in dem Hause in Jerusalem Versammelten werden unter sichtbaren und äußeren Zeichen mit dem Heiligen Geiste erfüllt. Ein Brausen, ein Sturmwind, Feuersflammen, diese Erscheinungen zeigen die Ankunft des Heiligen Geistes an. Der Heilige Geist wirkt in den Aposteln. Was wirkt er? Er wirkt in erster Linie das Verständnis für Jesus und sein Werk. In der Zeit seines irdischen Lebens gewannen die Volksmassen schon eine gewisse Ahnung, wer Jesus sei. „Was ist denn das für einer“, heißt es einmal, „daß ihm sogar der Wind und die Wellen gehorchen?“ Was ist denn das für einer? Die Jünger Jesu drangen tiefer in das Geheimnis der Person Jesu ein. Aber auch ihnen blieb der Herr noch rätselhaft. Dieses Rätsel, was das für einer sei, wurde dann durch die Auferstehung gelichtet. Jetzt hat man es gesehen, was das für einer ist. Der Herr hat es in den vierzig Tagen, die zwischen Auferstehung und Himmelfahrt vergingen, den Jüngern klarzumachen versucht, was es um das Reich Gottes und um den Herold dieses Reiches ist, und was noch ausstand an Verständnis, das wurde ihnen vermittelt durch die Ankunft des Heiligen Geistes. Jetzt wurden sie ertüchtigt zum Zeugnis. Denn Zeugnis geben ist nicht leicht, meine lieben Christen. Wir wissen es, wie schwer es ist, ein Zeugnis vom Christsein zu geben im täglichen Leben, in der Selbstbeherrschung, im Bekenntnis des Glaubens. Dazu braucht es Heiligen Geist. Und dieser Geist hat in den Jüngern gewirkt, daß aus Schwachen Starke, aus Feigen Mutige, aus Ehrsüchtigen Liebende und aus in ihre eigenen Antriebe Verfangenen mit göttlicher Seligkeit erfüllte Menschen wurden. Und so traten sie hinaus und gaben Zeugnis von dem Volke in einer Kraft, die den Menschen Bewunderung und Staunen abnötigte.

Das Zeugnis, das sie ablegten, verherrlicht Christus. Indem sie vom Siege Christi, von seiner Auferstehung, Zeugnis ablegten, haben sie Christus verherrlicht; und wer die Verherrlichung Christi betreibt, das ist eben der Heilige Geist, der in ihnen wirkt. Und wo immer heute noch das Zeugnis von Christus, seinem Tod und seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt abgelegt wird, da verherrlicht der Heilige Geist Christus. Er ruft aber gleichzeitig in die Entscheidung, denn das Zeugnis wird gehört, will angenommen werden, aber nicht alle hören es, nicht alle nehmen es an. So wird das Zeugnis zum Zeichen der Entscheidung. Von denjenigen, die es ablehnen, gilt das Wort im Johannesevangelium: „Der Heilige Geist wird die Welt überführen, daß es eine Sünde gibt, eine Gerechtigkeit und ein Gericht. Eine Sünde, daß sie nicht an mich geglaubt haben, eine Gerechtigkeit, weil ich zum Vater gehe, und ein Gericht, weil der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist.“ Also es ist nicht alles Unkenntnis, Irrtum, Gewissensentscheid, was sich gegen Christus erhebt. Es gibt eine Sünde, und es gibt eine Gerechtigkeit, und es gibt ein Gericht. Diejenigen aber, die dieses Zeugnis annehmen, werden vom Heiligen Geist erfüllt und geheiligt. In sie strömt aus der menschlichen Natur Christi der Heilige Geist in sie ein. Sie werden Geistträger. Sie sind Tempel des Heiligen Geistes. Das ist das kostbare Ergebnis der Ausschüttung des Heiligen Geistes, daß wir jetzt Geistträger werden, daß wir vom Geiste erfüllt und vom Geiste getrieben werden und dadurch eben Kinder Gottes sind; denn der Geist gibt uns Zeugnis, daß wir Kinder Gottes sind.

Der Geist wirkt auch Gemeinschaft. Denn die da zusammen waren in dem Hause in Jerusalem, bildeten eine Einheit. Sie haben nichts gewußt, meine lieben Freunde, von Pluralismus, d.h. von Zersetzung des Glaubens und von gegensätzlichen Meinungen in der Kirche, sondern sie waren sich einig. Der Geist der Kraft hat ihnen diese Einigkeit geschenkt, und deswegen war diese Kirche siegreich, deswegen hat sie sich ausgebreitet bis an die Grenzen der Erde, weil ihre Verkündiger sich einig waren. Und wenn sie das heute nicht ist, dann kann es nur daran liegen, daß dem Wirken des Geistes der Eingang versperrt wird, daß das Wirken des Geistes gehemmt wird, daß man sich dem Geiste nicht aufschließt und von dem Geiste nicht erfüllt sein will. Denn sonst hätten wir nicht den Pluralismus in der Kirche, sondern die Einheit, die Einheit im Geiste, die Einheit im Glauben, die Einheit im Bekenntnis und die Einheit im Zeugnis.

Das Wirken des Geistes ist für den Gutwilligen zu erkennen. Aber für den Böswilligen gibt es auch Gründe, sich dem Zeugnis des Geistes zu entziehen. Das hat das erste Pfingstfest schon bewiesen. Da gab es Leute, die sagten: Die Männer sind ja trunken, sie haben sich betrunken! Und da muß Petrus ihnen erklären: Um 9 Uhr früh ist man doch nicht betrunken! Um diese Zeit fängt man höchstens an zu trinken, da kann man doch nicht schon betrunken sein! Aber an diesem Begebnis sehen Sie, meine lieben Freunde, wie diejenigen, die bösen Willens sind, die Begabung mit dem Heiligen Geiste mit Betrunkenheit verwechseln können. Und so wird es immer bleiben. Die glühendsten Zeugen, die eifrigsten Kämpfer, die wahrhaftigsten Bekenner werden von den eigenen Leuten verdächtigt, beschimpft, boykottiert, diffamiert. Man hängt ihnen die Schmähung des Fundamentalismus und ähnliche Vorwürfe an, nur deswegen, weil sie rein und lauter und mit glühendem Eifer das Zeugnis für Christus ablegen. So wird es immer bleiben! Und darauf muß man sich gefaßt machen, wenn man in die Fußstapfen derer tritt, die am ersten Pfingstfest für Christus Zeugnis ablegten.

Ja, es wird die Zeugen Christi, die vom Geiste erfüllten Zeugen Christi immer auch das Leid und der Kummer begleiten. „Der Geist selbst legt unserem Geiste Zeugnis ab, daß wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, dann auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi.“ Und jetzt kommt der Schluß: „Aber erst müssen wir mit ihm leiden, bevor wir mit ihm verherrlicht werden. Doch ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der Herrlichkeit, die einst an uns offenbar werden soll.“

Amen.

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