26. Dezember 2006
Ehre Gottes und Anbetung des göttlichen Kindes
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Zu Weihnachten knien wir an der Krippe. Da ist Jesus, unser Heiland, da sind Maria und Josef. Aber damit ist die Reihe der Personen, die an der Krippe stehen, nicht abgeschlossen. Es sind noch drei andere Kategorien, die zur Krippe gehören, nämlich erstens die Engel, zweitens die Hirten und drittens die Weisen. Engel sind die ersten an der Krippe Sie verkünden den Hirten eine große Freude: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“
Dass an der Krippe Engel auftreten, ist ein Zeichen dafür, dass Gott die Hand im Spiele hat; denn Engel sind seine Diener, Engel sind sein Hofstaat. Wenn Engel auftreten, ist immer Gott dabei. Engel sind überirdische Wesen; sie sind leibfreie Geister. Meine lieben Freunde, es bereitet vielleicht manchem eine gewisse Verlegenheit, an Engel zu glauben, eben weil man sie nicht sehen, nicht anfassen, nicht berühren kann. Aber Geister kann man eben nicht anfassen, Geister kann man nicht sehen, Geister sind unsichtbar – und doch wirklich. Diese leibfreien Geister heißen Engel, weil sie von Gott als Boten gesandt werden, denn das griechische Wort angelos bedeutet Bote. Man hat also zur Bezeichnung der Engel ihre Funktion gewählt, nämlich Botendienste zu leisten. Das wissen wir ja aus der Heiligen Schrift: Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft. Und nicht nur Maria wurde von Engeln besucht, auch Josef erhielt von Engeln die Weisung, das Kind zu nehmen und nach Ägypten zu fliehen. Er wurde auch von den Engeln belehrt, dass das, was in dem Leibe seiner Frau vor sich ging, vom Heiligen Geist gewirkt wurde.
Die Engel überragen die Menschen an Kraft des Verstandes und an Macht des Willens. Sie sind den Menschen weit überlegen. Sie sind fähig zur Erfassung des Daseins und zur analogen Erkenntnis Gottes. Sie besitzen eine besonders kraftvolle Konzentration des Willens, und sie besitzen auch Macht über Körperdinge, und zwar größere Macht als die Menschen. Die Engel sind schon bei ihrer Erschaffung mit Gnade beschenkt worden. Aber nicht alle Engel sind in der Gnade verblieben; es gibt den Engelsturz. Die größten Theologen der Kirche haben sich gefragt: Wie ist denn das möglich, dass Wesen von solcher Erhabenheit ihre gottgeschenkte Würde vergessen können und von Gott abfallen? Sie haben die Frage wie folgt beantwortet: Die Engel haben es nicht ertragen, dass das höchste Wesen, das sie anbeten sollten, ein Mensch ist, nämlich der Mensch und Gott Jesus Christus. Aus Neid auf diesen Herrn haben sie nach der Meinung dieser Theologen ihre himmlische Würde verspielt, sind gefallene Engel, sind Dämonen geworden. Es gibt zahllose Engel. Sie bilden die Heerscharen Gottes und repräsentieren die himmlische Welt. Sie haben Christus und seinen Jüngern gedient. Als Jesus in der Wüste versucht wurde und er die Versuchungen überstanden hatte, „da traten Engel zu ihm und dienten ihm“. Als er vor Angst zitternd und bebend auf den Knien am Ölberge lag, da trat ein Engel zu ihm und tröstete ihn.
Solche Engel erscheinen jetzt auf den Fluren von Bethlehem, und sie stimmen einen Gesang an, meine lieben Freunde, der nie mehr verstummen wird, nämlich: „Ehre Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden.“ Das ist es, worauf es ankommt. Wenn Gott die Ehre gegeben wird, da ist auch Friede unter den Menschen. Und wo Gott die Ehre versagt wird, da ist der Unfriede unter den Menschen. Die Ehre Gottes und den Frieden der Menschen reißt niemand auseinander.
Die Engel bringen ihre Botschaft den Hirten. Die alten Israeliten waren zum großen Teil Halbnomaden oder ganze Nomaden, die also mit ihren Herden umherzogen oder bodenständig waren, aber eben Tiere, Schafe, Ziegen besaßen, von denen sie sich nährten und die sie pflegten. In der Gegend von Bethlehem sind diese Tiere nur in der Zeit von Ostern bis November auf den Feldern, denn später kommt die Regenzeit, und dann werden sie in Ställe oder in Höhlen verbracht. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass das Weihnachtsgeschehen nicht am 25. Dezember sich abgespielt hat, wie wir es heute feiern, sondern zu einer anderen Zeit, die wir nicht wissen. Der 25. Dezember wurde gewählt, um das heidnische Fest der „unbesiegten Sonne“ unschädlich zu machen. Die Heiden feierten am 25. Dezember den „sol invictus“, die unbesiegte Sonne, weil jetzt die Tage wieder länger werden. Und um dieses Fest zu besiegen, hat die alte Kirche das Weihnachtsfest auf den 25. Dezember gelegt.
Die Hirten besaßen Unterkünfte. Wir sprechen von einem Stall, aber wahrscheinlich war es eine Höhle, eine Höhle, in eine Wand gegraben, und dort suchten sie ihre Tiere unterzubringen. In der Heiligen Schrift steht nichts von einem Ochsen und einem Esel, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass auch das eine oder andere Großvieh im Besitze der Hirten war. Hirten waren schlichte Menschen. Sie waren nicht gebildet, sie waren aber auch nicht verbildet. Sie waren Menschen, die sich viel in der Einsamkeit aufhalten und deswegen Zeit zum Nachdenken haben, Zeit auch zur Zwiesprache mit Gott. Hirten sollten deswegen die ersten sein, die die Nachricht empfingen, dass der Messias geboren wurde. Sie waren naturnahe Menschen und naturverbundene Menschen. Sie verstanden sich auf Krankheiten, denn sie mussten ja ihre Tiere, wenn sie sich verletzt hatten, heilen. Da kann ich Ihnen eine Geschichte aus meinem Leben erzählen. Als ich ein Knabe war, verletzte ich mich am rechten Fuß. Das Gelenk sprang aus der Pfanne. Was machte der Vater? Der Vater holte keinen Arzt, er holte einen Schäfer, und der Schäfer hat mit einem Ruck das verletzte Glied wieder eingerenkt. Die Schafe waren also bei Schäfern in guter Hand.
Hirten wird die Kunde gebracht, dass der Hirt Israels geboren ist; denn Jesus war bestimmt zum Hirten. Er sagt ja von sich selbst: „Ich bin der Gute Hirt.“ Und der gute Hirt ist dadurch gekennzeichnet, dass er sein Leben für seine Schafe gibt, während der Mietling flieht. Es passte also sehr gut, dass Hirten die ersten waren, welche die Botschaft von dem himmlischen Hirten vernahmen. In seinem Tode hat Jesus den messianischen Hirtentod aus dem Buche Zacharias gesehen: „Ich will den Hirten schlagen, und die Herde wird sich zerstreuen.“ Dieses Wort wendet der Herr auf sich an. Hirten sind die zweite Kategorie von Lebewesen, die sich an der Krippe einfinden.
Die dritte Gruppe sind die Weisen. Im griechischen Testament werden sie die „magoi“ genannt, Magier. Darunter hat man studierte Männer zu verstehen, die sich auf Astronomie und Astrologie verstanden. Astronomie und Astrologie waren jahrhundertelang verbunden. Noch Kepler, der große Naturwissenschaftler, hat nicht nur Astronomie betrieben, sondern auch Astrologie. Die Weisen haben also die Sterne gedeutet. Wie gelangen sie jetzt nach Bethlehem? Sie kommen aus Arabien oder aus Persien, genau wissen wir es nicht, jedenfalls vom Osten, weil sie einen Stern gesehen haben, und dieser Stern zeigt ihnen an, dass etwas Besonderes geschehen ist. Sie kannten die Weissagungen, dass einmal dem Judenlande ein Helfer und Erlöser geboren werden würde. Und eine ähnliche Vorstellung gab es auch in Persien, dass ein Helfer den Kampf zwischen Gut und Böse führen wird. Sie vermengten jetzt diese beiden Vorstellungen und kamen, geführt vom Stern, nach Bethlehem. Dahin verwies sie nämlich der Herodes. Und sie sahen, dass der Stern sie auf ein Haus verwies und dort stehen blieb. Und dort fanden sie das Kind mit seiner Mutter.
Achten Sie bitte darauf, meine Freunde, dass die Magier zu einem Hause kamen. Wenn wir die Weisen an die Krippe stellen, ist das geschichtlich nicht richtig, denn die heilige Familie war längst aus der Notunterkunft in eine Haus (oikos griechisch) gezogen. Das muss also schon eine geraume Zeit nach der Geburt gewesen sein. Warum ließ denn Herodes alle Kinder bis zu zwei Jahren töten? Ja, weil er eben annahm, dass das Kind schon vor längerer Zeit, nicht eben jetzt, geboren war. Also sie kamen in ein Haus, und das muss schon etwa 1 Jahr – so nehmen wir an – nach der Geburt Jesu gewesen sein. Dass es drei Männer waren, steht nicht in der Heiligen Schrift. Aber wir erschließen es aus den drei Gaben Weihrauch, Gold und Myrrhe. Jeder brachte eine, so nehmen wir an, und so kann es durchaus zutreffen, dass es drei Weise gewesen sind. Es steht auch nicht in der Heiligen Schrift, dass es Könige waren. Das ist vielleicht aus den Psalmen herausgelesen worden. Im Psalm 2 heißt es nämlich: „Alle Könige werden ihm huldigen.“ Und im Psalm 60: „Alle kommen von Saba, bringen Weihrauch und Gold.“ Es kann sein, dass also aufgrund dieser Weissagungen die Magier von der Überlieferung zu Königen gemacht wurden. Noch heute erinnern Namen von Gasthäusern an den Besuch der Weisen. Es gibt Gasthäuser, die heißen „Drei Könige“ oder „Mohr“ oder „Stern“ oder „Krone“. Alle diese Namen erinnern an das Erscheinen der Magier an der Krippe. Wir pflegen die Magier mit den Namen Kaspar, Melchior und Balthasar zu belegen. Aber diese Namen sind nicht biblisch. In der Bibel fehlen sie. Wir kennen sie erst aus dem 9. Jahrhundert. Wie immer es um diese Dinge stehen mag, eines ist sicher, nämlich dass Weise aus dem Morgenlande gekommen sind, um den König, den neugeborenen König der Juden anzubeten.
Drei Kategorien von Lebewesen, meine lieben Freunde, finden sich an der Krippe ein, Engel denen es von Gott gegeben ist, in leiblicher Gestalt zu erscheinen und mit menschlicher Stimme zu sprechen. Jawohl, das hat Gott mehrfach bewiesen. Denken Sie an die Auferstehungsszene, wo Jünglinge in weißen Gewändern den Frauen künden: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ Das waren Engel. Gott hat die Macht, sie erscheinen zu lassen wie Menschen oder als Menschen und mit menschlicher Sprache zu reden. Die zweite Kategorie sind Hirten, schlichte, unverbildete Männer mit einem Herzen voll Reinheit und voll Sehnsucht. Sie werden mit der Botschaft beschenkt, dass der Hirte Israels jetzt erschienen ist. Und schließlich kommen auch gebildete Männer zur Krippe, Weise aus dem Morgenlande, Männer mit astronomischen und astrologischen Kenntnissen. „Wir sind gekommen, ich anzubeten.“
Das wollen wir nachahmen. Wir wollen es ihnen nicht nur nachsprechen, wir wollen es ihnen auch nachtun. Wir wollen an der Krippe knien und sagen: „Wir sind gekommen, ihn anzubeten, ihn, den König, den König auch unserer Herzen, den König auch unserer Zeit, den König der Zukunft.“
Amen.