Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. Mai 2023

Der Geist und die Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Pfingsten ist das Fest des Anfangs der Kirche. Der Geist Gottes kommt. Er macht die von ihm erfassten Gläubigen zu einem Herz und einer Seele, zur Kirche. Sie entstand nicht in einem Winkel, sondern in Jerusalem, der heiligen Stadt. Paulus redet die Christen als „die Heiligen“ an. „An die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen“ schreibt er „an die Kirche Gottes in Korinth“. Paulus sagt mit dem Wort „heilig“ nicht, Christen seien moralisch besser als andere. Das sieht man an den harten Mahnungen zur Lebensführung. Die „Haustafeln“ im Neuen Testament fassen an sittlichen Regeln nicht mehr zusammen, als was unter ihren Zeitgenossen als anständig, züchtig galt: „Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob – darauf seid bedacht!“ Auch Jesus hat in der Bergpredigt nicht zusätzliche gesetzliche Forderungen für das Handeln aufgerichtet. Er hat auch nicht eine bessere innere Einstellung oder die Verwandlung der Erde in ein Paradies verlangt. Die Bergpredigt ist nicht ein neues Gesetz. Jesus hat gefordert, im Anbruch der Gottesherrschaft Gott voll zu vertrauen und seinem Willen gehorsam der neuen Gerechtigkeit zu leben. Da zählt nicht die Güte der Christen, sondern die Güte Gottes. Er beruft sie, sondert sie aus als heiligen Rest, von dem es im 4. Kapitel des Buches Isaias heißt: „Wer da wird übrig sein in Sion und übrigbleiben in Jerusalem, der wird heilig heißen, ein jeder, der aufgeschrieben ist zum Leben in Jerusalem.“

Jesus verkündigt Gottes unbedingten Anspruch auf die Glaubenden: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Das heißt: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Und: „Liebet eure Feinde, und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.“ Die Kinder sind das Beispiel: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Heilig machen nicht tun oder Haltung, seien sie sittlich oder religiös. Paulus wendet das Wort „heilig“ gar nicht individuell auf die einzelnen Christen an. Heilig sind sie als von Gott, von Christus, Berufene: „Denn wir sind durch den einen Geist alle zu einem Leib getauft.“ Der Leib Christi ist die Kirche. Die Verheißung, von Gott geheiligt zu werden, gilt denen, die nicht auf eigenen Füßen stehen, sondern wie Kinder vorbehaltlos zu Gott gehören. Nicht der Mensch, sondern Gott schafft das Heil. Nicht der Mensch, sondern Gott bestimmt die Zukunft. Gott ist der Herr, der sich auf dem Wege offenbart, den er sein erwähltes Volk führt.

Die Berufung auf die Verheißungen an Abraham, auf die Errettung am Schilfmeer, auf den Bund am Sinai, auf König David bewahrt das Volk nicht vor Gottes Gericht. „Gekommen ist das Ende für mein Volk Israel“, hieß das vom Propheten Amos vor dem Jahr 750 vor Christus verkündigte Urteil Gottes über das nördliche Königreich Israel. Vor dem Jahr 600 verkündigte der Prophet Jeremias über das südliche Königreich Juda Gottes Urteil: „Von Norden her wird das Unheil losbrechen über alle, die im Lande wohnen.“ Die Propheten lehren: Nicht von Menschen kommt Rettung. „Ich will euch ein neues Herz geben“, verkündigte dem nach Babylon verschleppten Volk der Prophet Ezechiel. Weil das Gericht nicht Werk der Menschen, sondern Gottes ist, kann er es zum neuen Anfang machen. Gott wendet sich den Menschen zu. Er lädt sie ein, sich zu ihm hinzukehren und das Heil anzunehmen. „Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Sion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr“, verkündigt der Prophet Zacharias. „Und ich will meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen. Und es soll geschehen: Wer des Herren Namen ausrufen wird, der soll errettet werden.“ Das Pfingstwunder ist es, was in diesem Spruch des Propheten Joel gesagt ist, heißt es in der Predigt des Petrus zu Jerusalem. Fünfzig Tage nach dem Paschafest, bei der Feier der Kornernte waren dort die Christen versammelt, als der Geist Gottes über sie kam. Durch ihn wurden sie zur Kirche berufen, aus den übrigen Menschen herausgerufen, wie das griechische Wort Ekklesia, Kirche, wörtlich sagt.

In den Christen erfüllten sich die Verheißungen des Heils, die in über tausend Jahren Geschichte Israels dem Volk Gottes zugesprochen worden waren, in Jesus Christus und seiner Gemeinde. Die Kirche ist jetzt das Volk, das Gott gehört und durch ihn heilig ist. „Ich will das mein Volk nennen, das nicht mein Volk war.“ Auf dieses Wort des Propheten Oseas beruft sich Paulus. Gott schafft sich die Kirche, sein neues Volk, aus Juden und Nichtjuden. An die Stelle der Thora, des alttestamentlichen Gesetzes, tritt in der christlichen Verkündigung Jesus Christus: „Diesen Mann, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben ward, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Den hat Gott auferweckt“, heißt es in der Pfingstpredigt des Petrus. Dem Bericht über das, was geschehen ist, folgt der Ruf zur Heimkehr zu Gott: „Lasst euch erretten von diesem verkehrten Geschlecht.“

Aus dem Vertrauen auf die Zusage Gottes erwächst das Sendungsbewusstsein der entstehenden Kirche, ihre Kraft zur Mission. „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht“, schrieb Paulus nur ein Vierteljahrhundert nach dem Pfingsttag an die Christengemeinde in Rom. Die Auffassung war, dass mit Erreichen der Hauptstadt des Reiches das Evangelium von Christus in alle Welt gelehrt wird. Lukas stellte im Rückblick in dem Bericht über das Pfingstwunder dar, dass der christliche Glaube über die ganze Erde getragen wurde: Genannt werden als Hörer der Predigt Menschen aller Völker, von Parthern und Medern, Kretern und Arabern bis zu den Römern. Die Apostelgeschichte zeigt die Erfüllung der Verheißungen Gottes im Weg der Kirche. Die Christen erlebten, was die Juden im babylonischen Exil und in der Rückführung in das Gelobte Land zur Zeit des Perserkönigs Kyros erfahren hatten: Gottes Ankündigung des Heils gilt. „Jetzt ist die Zeit der Gnade“, schrieb Paulus den Korinthern. Das Evangelium führt alle zusammen. „Es wird zur letzten Zeit der Berg, wo des Herren Haus ist, feststehen“, heißt es beim Propheten Isaias. „Und alle Heiden werden herzulaufen.“ Und Gott wird „zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen.“

Dass die Verheißung des Heils nicht billige Gnade heißt, hat der Weg Israels in die Vernichtung durch die Assyrer und die Babylonier gezeigt, Jahrhunderte später durch die Zerstreuung durch die Römer, durch die kommenden Zeiten in ungezählten Verfolgungen. Auch der Weg der Christen ist durch lange Epochen eine Geschichte des Leidens gewesen. Am Anfang steht der Tod am Kreuz auf Golgotha. Und heute nimmt die Bedrückung der Christen durch die Muslime täglich zu. Der Glaube der Urchristenheit steht auf der Gewissheit, dass Gott in Christus die Rettung gebracht und zu seinem Volk die erwählt hat, die an ihn glauben. Es ist Gottes Geist, der uns in diesem Glauben bewahrt. Den Geist und die Kirche, die reißt niemand auseinander.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt