Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Februar 2025

Die Gemeinschaft der Heiligen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Kirche ist die Gemeinschaft der Heiligen. Gemeinschaft der Heiligen ist die übernatürliche Lebensgemeinschaft aller Glieder des mystischen Leibes Christi, im Pilgerstand, im Stand der jenseitigen Läuterung und im Zustand der übernatürlichen Vollendung. Die Gemeinschaft der Heiligen umschließt also drei Kreise. Den ersten bilden die mit Christus in der Gnade verbundenen Menschen auf der Erde. Sie kämpfen noch mit dem bösen Feind und der Welt. Sie ringen noch um die Christusgestaltung der eigenen Seele. Sie sind die streitende Kirche. Der zweite Kreis umschließt die Seelen im Fegfeuer. Ihr Kampf ist zu Ende. Doch es müssen noch im Sühneleiden die Makel aus der Seele entfernt werden, die der Christusverähnlichung entgegenstehen. Sie sind die leidende Kirche. Den dritten Kreis bilden die vollendeten Seligen im Himmel. Sie nehmen bereits an der Herrlichkeit Gottes teil. Sie sind die triumphierende Kirche. Alle in diesen Kreisen Befindliche sind Heilige, weil Christus in ihnen lebt, wenn auch lange nicht alle den höchsten Grad der Heiligkeit erreichen. Sie sind mit Christus und durch ihn miteinander zu einer heiligen Gemeinschaft verbunden, zur Gemeinschaft der Heiligen.

I.

Eng und innig ist schon die Gemeinschaft aller lebendigen Christen auf Erden. Wie die Glieder des Leibes sich gegenseitig helfen, miteinander wachsen, einander fördern, wie alle Glieder teilnehmen am Tun und Lassen eines jeden einzelnen, so ist es mit den Gliedern der Kirche. Alle mit Christus verbundenen Gläubigen tragen bei zum geistlichen Pegelstand in der Kirche, haben teil an den Messopfern, den Gebeten und den guten Werken, die in der Kirche geschehen. In jeder Stunde des Tages und der Nacht steht irgendwo ein Priester oder vielmehr stehen Tausende von Priestern am Altar, um Gott das Opfer seines Sohnes darzubringen; strömen Gnaden auf die ganze Kirche herab; fließen von Christus, dem Haupt, in alle Glieder des geheimnisvollen Leibes. An jedem dieser heiligen Messopfer haben wir teil, solange wir lebendige Glieder Christi und seiner Kirche sind. Wo immer ein Kranker im Geiste Christi und in der Liebe Christi leidet, wenn irgendwo in der Steppe oder im Urwald ein Missionar seine schweren Wege geht, wenn irgendwo ein altes Mütterlein betet, wo immer auf der Welt ein gutes Werk geschieht, und würde nur ein Trunk frischen Wassers einem Schmachtenden im Namen Christi gereicht, da werden Gnadenströme übernatürlichen Lebens ausgelöst, und sie fließen in alle Glieder der Kirche wie der elektrische Strom, der in das Stromnetz geleitet wird. Alle Lampen brennen heller, weil Strom dazugekommen ist; alle Seelen leuchten stärker, weil in eine Seele mehr Licht gekommen ist. Was ist das für eine wunderbare Gemeinschaft! Sie macht mich reich. Ich darf geben und empfangen. Wie habe ich Nutzen von meinen Brüdern und Schwestern in Christus und sie von mir! Was ist das für eine wunderbare Gemeinschaft! Sie macht mich groß. Nie bin ich wertlos. Immer kann ich Gnaden flüssig machen und sie anderen senden; kann einem Halt sein, der in der Versuchung kämpft; der um seinen Glauben ringt; der um seine Unschuld betet; der um sein Seelenheil bangt. Mein Beten, mein Opfern, mein Überwinden kommt meinen Brüdern und Schwestern, kommt allen lebendigen Gliedern des mystischen Leibes des Herrn zugute.

Wer gehört zu der Gemeinschaft der Kirche? Wer ist Glied der Kirche? Es gibt eine äußere und eine innere Gliedschaft der Kirche. Es gibt eine äußere, rechtliche Zugehörigkeit zur Kirche und eine innere, gnadenhafte Zugehörigkeit. Zur äußeren sichtbaren Zugehörigkeit und Gemeinschaft gehören alle, welche die sakramentale Taufe empfangen haben, den rechten Glauben bekennen und der hierarchischen Führung der Kirche unterstehen. Zur inneren Gemeinschaft gehören jene, die den Heiligen Geist im Herzen tragen, die Kinder Gottes sind, die in der Gnade Christi leben. Die volle Zugehörigkeit zur Kirche umfasst beides: die Zugehörigkeit zur äußeren Organisation und die Zugehörigkeit zu ihrer inneren Gemeinschaft.

In einer inneren Verbindung mit der Kirche stehen zunächst alle katholischen Christen, die nicht durch eine schwere Sünde von Christus getrennt sind. Ferner die andersgläubigen Christen, die durch die Taufe Glieder Christi geworden sind, ohne Schuld den katholischen Glauben nicht haben und ohne schwere Sünde, also in der Gnade Christi leben. In innerer Verbindung mit der Kirche stehen auch jene Ungetauften, die nicht um die Notwendigkeit der Taufe wissen, aber bereit wären, sie zu empfangen und Christus als Erlöser anzuerkennen, wenn sie um ihn wüssten, und die alles tun wollen, was Gott von ihnen verlangt; die in ehrlicher Gesinnung so leben, dass sie in keiner schweren Sünde vor Gott stehen. Diese alle gehören innerlich zur Kirche, weil sie Kinder Gottes sind. Sie können das Heil finden. Sie finden es durch Christus und seine Kirche, selbst wenn sie beide nicht kennen.

Die Kirche ist die Gemeinschaft der Heiligen. Alle ihre Glieder sind zur Heiligkeit berufen und sollen so leben, dass sie sich wenigstens freihalten von schwerer Schuld. Die schwere Sünde löst das innere Band. Die Menschen, die sie auf sich haben, sind keine lebendigen Glieder mehr; das göttliche Leben und der Heilige Geist ist nicht in ihnen. Wir nennen sie aber nicht ausgeschlossen aus der Kirche, weil man ja äußerlich nicht feststellen kann, wer eine schwere Sünde hat. Einzelne große Sünden sind freilich so geartet, dass sie auch die äußere Zugehörigkeit zur Kirche lösen. Zum Beispiel: Abfall vom Glauben.

II.

Die Gemeinschaft der Heiligen reicht über die Grenzen der Erde hinaus. Sie setzt sich fort in den Reinigungszustand, in das Fegfeuer zu den dort leidenden Brüdern und Schwestern. Sie sind ja in Christus, und sie bleiben in Christus. Sie sind von Christus Gerettete. Sie leben im Gnadenstand, in der Christusgemeinschaft. So können wir ihnen helfen: durch unser Gebet, unsere guten Werke, durch das heilige Messopfer, das wir für sie darbringen und aufopfern, durch die Ablässe, die wir ihnen schenken. Die Gnaden, die wir flüssig machen und Gott für sie anbieten, fließen diesen leidenden Gliedern der Kirche reichlich zu. So unterstützen wir sie bei dem Bereiten für die Ewigkeit. Die Glieder der leidenden Kirche geben uns in Dankbarkeit Antwort auf unsere Liebe. Sie senden uns Licht und Halt zu. Sie beten für uns, viel mehr und inniger als wir; denn nichts lenkt sie ab. Ihre Fürbitte erfleht uns Mut und Kraft zum täglichen Kampf und unermüdlichen Bemühen um Tugend und Sündenfreiheit. O Wunder der Gnade: ein lebendiger Christ zu sein. Bis ins Fegfeuer zu den Armen Seelen reicht die Gemeinschaft der Heiligen. Sie sind nicht weit weg von uns. Nur eine dünne Wand trennt uns von ihnen. Nein, nicht einmal eine Wand. Sie sind eins mit uns in Christus. Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder. Leiden wir mit den Armen Seelen in tätigem Mitleid. Und wenn wir selber eine Sorge haben oder ein Leid, beten wir zu ihnen. Sie fühlen mit uns in tätigem Mitleid. Wir werden Trost und Hilfe erfahren.

Nun erheben wir unsere Augen dorthin, wo die vollendeten Glieder Christi sind, die Seligen und Heiligen des Himmels. Sie schauen Gott und sind in Liebe mit ihm vereint. Auch sie sind und bleiben unsere Brüder und Schwestern. Sie sind wie wir Glieder am Leib des Herrn. Sie stehen in lebendiger Verbindung mit uns. „Wenn ein Glied sich freut, freuen sich alle Glieder“ (1 Kor 12,26). Ihr Triumph und ihr Sieg ist zugleich unser Triumph und Sieg. Wir feiern mit ihnen die Siegesfeier ihres Martyriums, ihres Bekenntnisses und ihres Heimgangs. Was einst Petrus und Paulus gewirkt und gelitten haben, was Franz Xaver in Indien und China vollbracht und geleistet hat, was Konrad von Parzham an der Pforte des Altöttinger Klosters erduldet und geschenkt hat, das gehört auch uns, gehört der ganzen großen Gottesfamilie. Was hat Maria, die Mutter des Herrn, in ihrem Erdenleben und Leiden an Verdienst und Lohn aufgehäuft, einen Gnadenschatz, der uns allen offensteht. Wie gern teilen die Heiligen von dem Genugtuungs- und Erlösungswerk ihrer guten Werke uns aus! Sie sind ja Glieder am selben Leib. Sie nehmen Anteil an unseren Sorgen und Kämpfe. Sie wissen um unsere Bürden und Mühen. Wo ist der Heilige, der nicht gestritten und gelitten hat? Wie heißt er? Es gibt ihn nicht. Sie haben dasselbe, nein, Schwereres durchgemacht als wir. Sie haben den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Nun tragen sie die Kronen der Gerechtigkeit, die ihnen der Herr, der gerechte Richter, verliehen hat. Das ist das herrliche Geheimnis unserer Kirche. Gottes Reich und Gottes Haus. Fortwirkender Christus. Leib Christi und Werkzeug des Heiligen Geistes.

Amen.

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