Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
8. Juni 2023

Das eucharistische Opfersakrament

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Eucharistie ist ein einzigartiges Sakrament. Erstens dadurch, dass sie nicht ein vorübergehendes Zeichen ist (wie die Taufe), sondern etwas Bleibendes. Zweitens dadurch, dass sie ein Opfer ist zur Verherrlichung Gottes. Daraus sind drei Dimensionen dieses Sakramentes zu beachten: die Eucharistie als Opfer, die Eucharistie als Opferspeise, die bleibende Gegenwart Christi im eucharistischen Sakrament. Die Menschheit hat zahllose Opfer dargebracht, angefangen von den Opfern des Kain und Abel, die ihre Feldfrüchte und Herdentiere darbrachten, indem die die Ähren, die Weizengaben, und die Schafe, die Stiere auf den Altar legten und verbrannten. Sie wollten damit sagen: So will ich ein Brandopfer sein in deinem Dienst, o Gott, so will ich mich jedem anderen Gebrauch entziehen; niemand soll über mich verfügen können als du allein. Zahllose solche Opfer wurden im Tempel zu Jerusalem und in allen Tempeln der Welt dargebracht. Was ist ein Opfer? Ein Opfer ist eine sichtbare Gabe, die man Gott darbringt als Symbol unserer vollkommenen Unterwerfung und Hingabe an seinen Willen. Das Opfer besteht aus einem äußeren Zeichen und einem inneren Willen; der innere Wille wird dargestellt durch die äußere Gabe. Nun kann man eigentlich Gott nichts schenken, weil er alles besitzt. Aber man kann das Symbol des Schenkens aufrichten; man kann die äußere Gabe hinlegen und sagen: So liege ich vor deinem Willen, o Gott, so bin ich dir ergeben, so will ich deinen Willen tun. Dieser Wille, diese Hingabe seiner selbst ist etwas Wirkliches.

Der Sinn dieser Opfer war gut, gut gemeint, doch waren diese Opfer nicht vollkommen. Sie enthielten eine heimliche Lüge; sie sagten etwas, was die Menschen nicht taten. Sie brachten Gott ein Sinnbild ihrer restlosen Weihe dar und weihten sich selbst doch nicht Gott. Denn sie waren alle Sünder, und die Sünde besteht darin, dass man eine Ausnahme von dem Sichschenken macht, dass man in einem Punkt Gott nicht gehört, irgendetwas ausnimmt und damit auch das Ganze wertlos macht. Darum erklärte Gott: „Ich habe keine Freude mehr an euren Opfern. Ihr bringt mir die Tiere eurer Herde, die ihr nicht brauchen könnt, die krumm, lahm, blind und krank sind. Ich soll nehmen, was ihr nicht wollt. Darum will ich mir ein neues Opfer suchen, das meinen Namen verherrlichen wird vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, in dem keine Lüge ist, sondern nur Wahrheit.“ Dieses eine, reine Opfer ist das Opfer Jesu Christi.

Worin bestand das Opfer Christi? Der Opferwille war in seinem ganzen Leben beherrschend und bestimmend. „Ich komme, deinen Willen zu erfüllen.“ Dieser Opferwille prägte sich aus in seinem äußeren Wirken, in der darin sichtbar werdenden Hingabe an den Vater, im Dienst seines ganzen Lebens. Indem er der Wahrheit Zeugnis gab, für die Gerechtigkeit kämpfte, den Menschen diente, verzehrte er sein Leben so sehr, so buchstäblich, dass er wirklich diesem Willen zum Opfer fiel. Dem Dienst an der Wahrheit fiel er am Kreuz zum Opfer, sein Kreuzestod war die Folge seines Berufes unter den Menschen. Er hat diese Folge bis zum letzten auf sich genommen, er hat nichts ausgenommen. So wurde sein Lebensopfer vollendet durch den letzten Blutstropfen, der aus seinem Leibe floss. Darum betont der hl. Johannes so stark: „Es floss Blut und Wasser heraus.“ Es war nichts mehr darin, das Blut war bis zum letzten Tropfen verschwendet, das Opfer war vollendet, es war nichts mehr übrig, was er Gott noch hätte schenken können. Sein Wollen war immer auf das Ganze gerichtet, indem er sich im Dienste Gottes bis zum letzten verzehrte. Darin bestand sein Opfer.

Dieses Opfer wird in der eucharistischen Feier immer wieder gegenwärtig. „Dies ist mein Leib, mein Blut, für die vielen.“ Die Eucharistie ist unter zwei Gestalten, Brot und Wein, die getrennt sind, eingesetzt. „Das ist mein Leib.“ „Das ist mein Blut.“ Die Einsetzungsworte sind getrennt. Durch die Trennung der Gestalten wird die Trennung von Leib und Blut symbolisch angedeutet, die Hingabe in den Tod in diesen Zeichen dargestellt und gegenwärtiggesetzt. Dadurch, dass Leib und Blut aufgrund des sakramentalen Geschehens getrennt sind, stellt die Eucharistie den Tod Christi dar. Sie versinnbildet so das Leiden des Herrn. Sie ist das Sakrament des Herrenleidens. Christus hüllt sich gleichsam in das Gewand des Todes, er legt die Zeichen seines Sterbens an. Als ein Geopferter, Verblutender trat er vor den Vater hin. Es war die Selbsthingabe im Gehorsam Gottes bis in den Tod, für die ihn der Vater verherrlicht hat. „Ich komme, Vater, deinen Willen zu erfüllen.“ In der Messe haben wir denselben Opferpriester und dieselbe Opfergabe, die gleiche Gesinnung und das gleiche Symbol des Opfers. Die Messe ist die gleiche Darbringung, die wunderbare Gegenwärtigsetzung des Opfers Christi. Die Dieselbigkeit zwischen dem Kreuzesopfer und dem eucharistischen Opfer ist dadurch verbürgt, dass die Opfergabe beide Male dieselbe ist und dass der Opferpriester beide Male derselbe ist. Der Unterschied besteht in der Opferweise. Christus wurde das eine Mal durch sein freiwilliges blutiges Sterben geopfert; er wird das andere Mal unblutigerweise geopfert. Die Eucharistie ist ein Bild des Todes Christi, die Ausstrahlung, das Inerscheinungtreten des Todes Christi. Nicht nur Christus in seinem Leiden, sondern das Leiden selbst, nicht nur die Frucht des Kreuzestodes, sondern der Vorgang selbst ist gegenwärtig. Das geschichtliche Ereignis wird im sakramentalen Symbol wirklichkeitsmächtig dargestellt. Der Tod wird also gegenwärtig nicht in seinem geschichtlichen Vollzug; er wird gegenwärtig in der Vollzugsweise des Mysteriums, des Sakramentes.

Das Konzil von Trient gebraucht den Ausdruck repraesentatio = Gegenwärtigsetzung. Wir nehmen teil an dem einen und einmaligen Erlösungsopfer des Herrn. Von Repräsentation kann dort gesprochen werden, wo die wirksame Gegenwart eines durch einen anderen für einen Dritten vermittelt wird. Etwas vollkommen Einmaliges ist durch alle Zeiten und alle Räume hindurch an allen Orten der Welt gegenwärtig. Das eine Opferfeuer, das einmal den Leib und das irdische Leben Jesu verzehrt hat, leuchtet auf allen Altären. Das Opferfeuer von Golgotha leuchtet auf den Altären; das Wetterleuchten von Golgotha sehen wir in den Opferworten und den Opfergestalten der Messe. Es gibt wohl keinen Zeitpunkt auf der Erde, wo nicht irgendwo dieses Opferfeuer steht; in jeder Stunde leuchtet es irgendwo auf. Es wandert wie ein heiliger Schein um die Erde, um jenes einen Aktes willen, der gleichsam unaufhörlich die Erde umkreist und die Welt mit Gott versöhnt: um der Opfertat Christi willen.

Warum wird dieses Geschehen gegenwärtig gesetzt? Es gibt zunächst eine passive Wirksamkeit des Opfers Christi. Wir werden davon ergriffen, wir werden darin einbezogen. Der Leib Christi wurde am Kreuz in seiner individuellen Gestalt geopfert, d.h. der Leib, den er von der Jungfrau Maria empfangen hatte. Aber die Menschen, die seinen mystischen Leib ausmachen, die durch die Gnade mit ihm verbunden sind, müssen auch geopfert werden, müssen hineingezogen werden in den Wirbel, der sein Leben verschlingt. So ist jede heilige Messe ein Mitgeopfertwerden der Menschen, die ihr beiwohnen. Man wird hineingezogen, man wird als ein Teil des Leibes Christi in den Kelch gesenkt, auf die Patene gelegt, zum Vater emporgehoben. Wir werden geweiht, konsekriert, Gott dargeboten zu restloser Hingabe, mit Leib und Seele, wie nur ein Opfer es tun kann.

Darum verlangt das Messopfer auch aktive Teilnahme. Wir können nicht passiv geopfert werden, wenn wir nicht selber wollen. Wir müssen uns solidarisch erklären mit dem Opfer Christi. Das tun wir in der Liturgie im Gebet des Kanons der Messe. Da sagen wir dem Lamm Gottes: „Nimm mich mit; du gehst den Weg von Golgotha, nimm mich mit.“ Darum ist das Gebet, das man in deutschen Landen zu sprechen pflegt, so bezeichnend und wahr: „Jesus, dir leb ich. Jesus, dir sterb ich. Jesus, dein bin ich im Leben und im Tod.“ Das ist wirklich der Ausdruck dessen, was wir denken und innerlich handeln sollen: Jesus, mit dir bin ich verbunden, an dich klammere ich mich, mit dir will ich gehen. Und weil du ans Kreuz gehst, will ich mitgehen; weil du in den Tod gehst, will ich mit dir sterben; und weil du auferstanden bist, werde ich mit dir auferstehen. Du bist zum Vater gegangen, und ich gehe mit dir zum Vater. Ich will mit dir leben und sterben, weil ich dein bin im Leben und im Tod. Und so darf ich glauben und hoffen, auch mit dir ewig in der Herrlichkeit zu sein.

Da sehen wir schon, in welcher Weise wir der hl. Messe beiwohnen sollen: in der Solidaritätsgesinnung mit Christus, in dem Anschluss an Christus. Wenn wir in der Feier des Kanons der Messe diese Gesinnung haben von der Präfation bis zur Kommunion, dann feiern wird das Messopfer richtig mit. Das Wesentliche ist die Gesinnung der Verbundenheit. Ich will der Messe beiwohnen, das heißt: Ich will mit Christus den Weg des Opfers, den Weg der Hingabe gehen, in der Gemeinschaft der Geheiligten, und damit Gott verherrlichen. Daraus folgt, dass über der Messe die Stimmung liegt, die den Weg von Gethsemane bis zur Verherrlichung Christi erfüllt. Es ist ein Mysterium des Leidens mit dem Wissen um die Verklärung. Wer dem Altare nahekommt, atmet den Duft der opfernden Liebe Christi ein und bittet, davon ergriffen und verwandelt zu werden. Es ist die Teilnahme am erlösenden Opfertod des Herrn und die Erwartung des himmlischen Gastmahls der Seligen.

Darum liegt in jedem Christenleben eine Einweihung in das Erleben Christi: durch Leiden zur Herrlichkeit. Irgendwie und irgendwann muss ein Christ sein Opfer auch fühlbar bringen; das gehört zu seinem Leben. Wenn wir uns wundern, woher es kommt, dass wir leiden müssen, dann würde Gott sagen: Ja, du erhebst doch in jedem Gottesdienst deine Hände zu mir und erflehst deine Teilhabe an Christus. Du sagst doch immer zu ihm: Nimm mich mit! Nun, es gibt doch keinen anderen Weg zu Gott als den Weg des Leidens. Da sehen wir auch, warum wir der Messe beiwohnen sollen. Den Weg zu Gott gibt es nur im Anschluss an Christus. Christus aber geht zu Gott als Opfernder, als Verblutender, durch sein schweres Leben und Leiden. Wenn wir mit ihm gehen, ist es notwendig auch eine Gemeinschaft im Leiden. Wir müssen der Messe beiwohnen, weil er hier sein Kreuzesopfer erneuert. Wer da nicht mittun wollte, würde sagen: „Ich gehe nicht mit Christus.“ Darum ist es sinnlos und töricht, wenn jemand meint, ich gehe am Sonntag lieber in den Wald, auf einen Berg oder ans Meer. Es mag sein, dass da mehr Stimmung ist als in der Kirche. Aber was helfen Empfindungen, wenn wir nicht zu Gott kommen? Gott nimmt nur, was ihm Christus bringt. Was Christus auf der Patene und im Kelch trägt, wird von Gott angenommen. Darum ist es absolut notwendig, dass wir je und je uns mit dem Opfer Christi solidarisch machen. Herr Jesus, ich vereinige mich mit deinem ewigen Opfer. Deinem heiligsten Willen gemäß weihe ich mich dir. Lass dir meine Hingabe gefallen, nimm mein Opfer an.

Amen.  

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