Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 2012

Tod und Unsterblichkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte,  zur Verehrung aller Heiligen Versammelte!

Die beiden Tage „Allerheiligen“ und „Allerseelen“ lenken unsere Blicke auf die letzten Dinge: Tod, Gericht, Himmel oder Hölle. Das Fegefeuer, der Reinigungszustand, gehört nicht zu den letzten Dingen. Das Fegefeuer ist ein vorletztes Ding, denn die im Läuterungszustand Befindlichen sind gerettet. Sie haben die sichere Anwartschaft auf den Himmel. Aber sie müssen sich durchleiden, um von den Schlacken, die ihnen noch anhaften, geläutert zu werden. Am Tode zweifelt niemand, denn er ist eine alltägliche Erfahrung, eine unumstößliche Tatsache. Das Überdauern des Todes, das Weiterleben der menschlichen Seele, ist dagegen kein Allgemeingut der Menschen und  auch nicht mehr aller Christen. Dieser Tage rief mich eine Dame aus Frankfurt an. Sie teilte mir mit, in der Pfarrei St. Joseph in Frankfurt vertritt ein Diakon die Lehre vom Ganztod. Es sterbe nicht nur der Leib, es sterbe auch die Seele. Das ist eine Irrlehre! Sie stammt aus dem Protestantismus, das gebe ich zu, aber auch dort ist es eine Irrlehre. Sie widerspricht dem Glauben und widerspricht der Vernunft. Da die Seele geistig ist und nicht aus Teilen zusammengesetzt, kann sie nicht zerfallen, ist sie unzerstörbar. Die Seele überdauert den Zerfall des Leibes.

Es ist lohnend, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie Menschen anderer Zeit dem Tode, dem Sterben entgegengegangen sind. In der Französischen Revolution wurde dem König Ludwig XVI. der Prozeß gemacht. Er wurde wegen Komplotts mit dem Ausland, mit Österreich, zum Tode verurteilt. Der König war ein gläubiger und sittenreiner katholischer Christ. Er sah seiner Hinrichtung gefaßt und angstlos entgegen. Ein Arzt, der ihn untersuchte, stellte fest: „Der Puls ist überhaupt nicht erhöht, der Blutdruck ist nicht gesteigert.“ Mutig und furchtlos betrat der König das Schafott, wo er hingerichtet werden sollte, und erhob noch einmal seine Stimme: „Volk, ich sterbe unschuldig, aber ich vergebe denen, die mich auf das Schafott gebracht haben.“ Und so ist er in die Ewigkeit gegangen, am 21. Januar 1793. Die Frau des Königs, Marie Antoinette, eine Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, folgte ihrem Manne bald auf das Blutgerüst. Sie ging dem Tod ebenfalls in fester Haltung und ohne Zittern entgegen. Auf dem Wege zur Hinrichtung hatte sie eine Verabredung getroffen mit einem verkleideten Priester, der die letzte Lossprechung, die letzte sakramentale Lossprechung geben sollte. Und das geschah. So bestieg sie mutig die Richtstätte und beugte ihr Haupt unter die Guillotine. Sie starb würdig ihrer Mutter. Von Maria Theresia stammt das schöne Wort: „Wenn ich sterben muß, ist es mir, als ob ich von einem Zimmer ins andere gehe.“ Auch die Schwester König Ludwigs, Elisabeth, wurde vor die Revolutionsgerichte geführt. Sie forderte die Richter auf, das Verhör abzubrechen. „Alle diese Fragen sind unnütz! Sie wollen meinen Tod. Ich habe Gott das Opfer meines Lebens dargebracht. Ich bin bereit zu sterben, glücklich, mich aufzumachen, um mich mit meinen ehrbaren Verwandten zu vereinigen, die mir vorausgegangen sind.“ In der Französischen Revolution wurden Hunderte, Tausende von Bischöfen und Priestern, mit oder ohne Urteil, zu Tode gebracht. Die meisten, fast alle, ertrugen ihr Schicksal in gläubiger Ergebung. Der Bischof von Lyon erklärte im Gefängnis, kurz vor seiner Hinrichtung: „Der Tod ist ein Unfall im Leben, aber er ist kein Ende. Die Guillotine tötet mich keineswegs, das ist ein Schnipser um den Hals!“ Man kann nur bewundernd vor dem Glauben dieser französischen Christen stehen. Er gab ihnen die Kraft, furchtlos das Todesschicksal auf sich zu nehmen. Diese gläubige Haltung war um so erstaunlicher, als  jahrzehntelang die Materialisten und Atheisten versucht hatten, mit ihren Schriften den Glauben zum Erlöschen zu bringen, die Erwartung des ewigen Lebens als eine Einbildung hinzustellen. Doch ganz vereinzelt fand sich sogar unter den Revolutionären ein Mann, der sich zu Gott und zur Unsterblichkeit bekannte. Ich erinnere an Maximilien Robespierre. Er wurde ununterbrochen angegriffen, und zwar kamen die Angriffe aus dem Lager der Revolutionäre. Am 26. März 1792 versuchte Guadet Robespierre zu Fall zu bringen, denn Maximilien hatte anläßlich des Todes des Kaisers Leopold von Österreich von der ewig über uns waltenden Vorsehung und der himmlischen Güte, die uns gegen unseren Willen gerettet hat, gesprochen. Guadet brachte seine Verwunderung über solche Reden zum Ausdruck. Er hätte niemals vermutet, dass Robespierre das Volk erneut unter die Herrschaft des Aberglaubens werfen wolle. Robespierre erklärte auf der Stelle, nach dem Vorbild berühmter Männer glaube er an die Existenz Gottes. Das löste im Publikum Tumultszenen aus. Die Jakobiner schwankten zwischen Erstaunen und Zorn. Man will ihn zum Schweigen bringen. Aber er bleibt fest, zornbebend auf der Tribüne. „Nein, meine Herren, diese Stimme wird nicht schweigen und keine Tagesordnung wird die Wahrheit ersticken können!“ So spricht Robespierre vor den Revolutionären. „Es ist mir ein Herzensbedürfnis“, so fügt er hinzu, „den Namen der Vorsehung anzurufen und die Idee des ewigen Wesens zu verkünden. Wie hätte ich auf mich gestellt“, immer noch Robespierre, „wie hätte ich auf mich gestellt die Bürde tragen können, welche die menschliche Kraft bei weitem übersteigt, wenn meine Seele nicht zu ihm sich erhoben hätte. Dieses göttliche Gefühl hat mich für alle von den Volksvertretern erschlichenen Vorteile entschädigt.“ Robespierre war sich nicht nur der Existenz Gottes, sondern auch des ewigen Lebens gewiß. Ungläubige Revolutionäre suchten den Glauben daran zu ersticken. Einer von ihnen, Fouché, ließ auf den Friedhöfen die Inschrift anbringen: „Der Tod ist ein ewiger Schlaf.“ Robespierre  trat ihm entgegen und rief aus: „Nein, Fouché, nein, Chaumette, der Tod ist keineswegs ein ewiger Schlaf. Bürger, löscht auf den Gräbern diesen ruchlosen Satz aus, der einen dunklen Schleier über die Natur wirft und den Tod beschimpft. Laßt vielmehr einmeißeln: „Der Tod ist der Beginn der Unsterblichkeit!“ Robespierre nahm den Tod, der auch ihm zugedacht war, gefaßt und ohne Beschwerde entgegen, trotz furchtbarer Schmerzen – man hatte ihm ja das Kinn zerschmettert mit einer Pistole- trotz furchtbarer Schmerzen kam kein Klagelaut aus seinem Mund. Der Glaube an Gott und die Unsterblichkeit gab ihm die Kraft.

Napoleon Bonaparte war ein Mann der Revolution. Er hatte die ungläubigen Bücher der Enzyklopädisten gelesen. Die Revolution hatte ihn nach oben gespült. Aber er war nicht radikal ungläubig. Das zeigte sich, als in der Schlacht von Bautzen 1813 sein enger Vertrauter, der General Duroc, tödlich verwundet worden war. Duroc wurde am Leibe zerschmettert und er bat um Opium, um die Schmerzen aushalten zu können. Napoleon sagte zu ihm: „Es gibt ein anderes Leben, Duroc. Dort warten Sie auf mich und dort werden wir eines Tages vereint sein.“ Es gibt ein anderes Leben, Duroc! Dort warten Sie auf mich und dort werden wir eines Tages vereint sein. Viele französische Offiziere hatten während der Revolution den Glauben verloren. So schien es auch bei dem Marschall Ney zu sein, der ja aus Saarlouis stammte. Der König Ludwig XVIII. hatte ihn zum Tode verurteilt, weil er sich dem wiederkehrenden Napoleon, entgegen seinem  Treueid gegenüber dem König, angeschlossen hatte. Er sollte also hingerichtet werden, aber er durfte noch drei Besucher empfangen: Einen Notar, seine Frau und einen Priester. Ney erwiderte, dass er zuerst den Notar und seine Frau sehen wolle. „Was den Beichtvater betrifft, so lasse man mich in Frieden. Ich brauche keinen Pfaffen!“ Auf diese groben Worte hin stand einer der Soldaten auf und trat auf Ney zu. „Da machen Sie aber einen Fehler, Herr Marschall“, sagte der einfache Mann. „Ich bin nicht so berühmt wie Sie, aber ich bin so alt wie Sie und ich ging immer dann mit gutem Mut in die Schlachten, wenn ich meine Seele Gott empfohlen hatte.“ Ney sah den Veteran mit verwundertem Schweigen an. Das war ein Soldat Napoleons. Und er antwortete: „Du magst Recht haben, Soldat!“ Und er bat, dass man einen Priester herbeihole. Ney machte seinen Frieden mit Gott und ging dem Tod gefaßt entgegen. Als ihn der Rechtsanwalt zum letzten Mal in seiner Gefängniszelle besuchte, da sagte ihm der Marschall:  „Adieu, mein lieber Verteidiger, wir werden uns dort oben wiedersehen!“

Die Ungewißheit über das ewige Schicksal seiner selbst oder eines Angehörigen kann quälend sein. „Werde ich von Gott angenommen werden?“ Meine Mutter sagte auf dem Sterbebett: „Wird er mich annehmen?“ Andere fragen: „Wie wird es meinem Mann, wie wird es meinen Kindern, wie wird es meinen Eltern ergehen?“ Im Jahre 1856 reiste ein Priester nach Ars, zum hl. Pfarrer von Ars. Im Wagenabteil war nur von den Wundern dieses heiligen Mannes die Rede. Neben ihm saß eine Frau in Trauer, die schweigend lauschte. Sie öffnete ihren Mund erst, als der Zug in Villefranche hielt, und sagte: „Darf ich mich Ihnen anschließen? Ich reise nur der Zerstreuung wegen.“ Der Geistliche nahm die Frau mit zum hl. Pfarrer von Ars. Es war die Elf-Uhr-Christenlehre gerade zu Ende und im Chorrock erschien der Pfarrer von Ars. Er hielt vor der Dame in schwarzer Kleidung an und neigte sich zu ihrem Ohr: „Er ist gerettet!“ Die Unbekannte schnellte empor. Vianney wiederholte: „Er ist gerettet!“ Die Dame fragte: „Wieso?“ Darauf antwortete der Heilige, indem er jedes Wort wiederholte: „Ich sage Ihnen, er ist gerettet, er ist im Fegefeuer und man muß für ihn beten. Zwischen dem Brückengeländer und dem Wasser hat er noch Zeit gehabt, einen Akt der Reue zu erwecken. Die liebe Gottesmutter hat ihm diese Gnade erwirkt. Erinnern Sie sich, wie er im Maienmonat in Ihrem Zimmer, obgleich glaubenslos, sich zuweilen mit Ihrem Gebet vereinigt hat? Das hat ihm die Reue und ein letztes Erbarmen verdient!“ Der Priester verstand nichts von all diesen Dingen, aber am nächsten Tage eröffnete ihm die Dame, dass ihr Mann sich selbst umgebracht hatte und dass sie in wilder Verzweiflung war, dass er auf ewig verdammt sein könnte. Sie konnte nichts anderes denken, als dass er sich eben selbst in die Hölle gestürzt hatte, aber der Pfarrer von Ars hatte ihr gesagt: „Er ist gerettet!“ So hatte die Frau die Hoffnung: Ich werde ihn also im Himmel wiedersehen! So ein Heiliger verfügt über Kontakte zum Himmel, die wir nicht besitzen. Er selbst ging dem Tode ohne Zittern und Zagen entgegen. „Wie schön läßt es sich sterben“, sagte er, „wie schön läßt es sich sterben, wenn man auf dem Kreuze gelebt hat!“

Es ist nicht so, meine lieben Freunde, wie die Materialisten und Atheisten behaupten, dass die Unsterblichkeit und das Weiterleben der Seele von den Gläubigen erdacht worden sei, um sie über das Todesgeschick hinweg zu trösten. Denn der Gedanke an das Weiterleben ist nicht nur ein Trost. Er kann auch eine Furcht sein, eine berechtigte Furcht: „Wird Gott mich annehmen?“ Es ist also manchmal gerade umgekehrt. Diejenigen, die die Unsterblichkeit leugnen, wünschen, im Tode ausgelöscht zu werden, denn sie fürchten, dass, wenn es ein Weiterleben gäbe, es für sie nicht behaglich sein könnte.

Im spanischen Bürgerkrieg wurden zahllose Priester und Ordensleute von den Republikanern ermordet, darunter auch der Kanonikus eines Domkapitels. Er hatte vor seiner Hinrichtung ein letztes Gespräch mit einem ehemaligen Priester, der sich zu den Roten begeben hatte. Dieser ehemalige Priester sagte zu ihm: „Ach, wissen Sie, ich habe meinen Glauben abgeworfen.“ Der Kanonikus antwortete: „Sie Glücklicher! Sie Glücklicher! Ich wollte, ich könnte meinen Glauben loswerden. Morgen in aller Frühe erschossen zu werden, fiele mir nicht so schwer, wenn ich überzeugt wäre, danach in ewigen Schlaf zu fallen.“ Manche Christen zeigen sich beeindruckt oder bedrückt, wenn sie hören und lesen, dass angesehene Glieder der Gesellschaft das Weiterleben nach dem Tode des Leibes bestreiten. Sie vergessen, dass Kompetenz in einem bestimmten Fach aus dem Kanon der Wissenschaften kein Ausweis für Zuständigkeit in religiösen Angelegenheiten ist. Außerdem kann jedem Leugner der Unsterblichkeit ein Bekenner gegenüber gestellt werden. Steven Hawking, ein britischer Astrophysiker, erklärte neulich. „Das ist ein Märchen für Leute, die Angst vor dem Dunkel haben!“ Die Unsterblichkeit ist ein Märchen für Leute, die Angst vor dem Dunkel haben. Ihm widersprach sofort Markolf Niemz, ein Biophysiker von der Universität Heidelberg: „Ich bin überzeugt, dass es eine Seele gibt, die unseren Körper mit dem Tod verläßt und sie ist unsterblich.“

Die Naturwissenschaften erheben keinen Einwand gegen unseren Glauben. Nur Mißverständnisse oder gewollte Verdrehungen können die Naturwissenschaften nützlich zu machen versuchen für den Unglauben. Unser Glaube an das ewige Leben beruht nicht auf angeblichen oder wirklichen Ergebnissen der Naturwissenschaften. Er wird auch nicht begründet durch das Glaubenszeugnis namhafter Gelehrter. Unser Glaube an das ewige Leben gründet auf Gottes Offenbarung. Es ist einer gekommen aus der Welt Gottes, der selbst teilhat am Wesen Gottes und damit an der Erkenntnis Gottes. Er heißt Jesus Christus, Sohn der Maria aus Nazareth. Er hat uns das ewige Leben geoffenbart, verheißen und den Weg zu ihm gewiesen. Es kam einmal ein junger Mann und fragte Jesus: „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?“ Jesus antwortete: „Wenn du zum Leben eingehen willst, halte die Gebote!“ Jesus hat denen, die ihm nachfolgen, das ewige Leben versprochen. „Wer um meinetwillen Besitz und Angehörige verläßt, wird das ewige Leben erben.“ Jesus hat denen, die Barmherzigkeit üben, die Gewißheit gegeben: „Sie werden eingehen in das ewige Leben!“ Jesus knüpft den Gewinn des ewigen Lebens an die Stellung zu ihm. „Wer an mich glaubt, hat ewiges Leben!“ Die Kirche hat das aufgenommen. Bei der Taufe fragt der Priester den Täufling: „Was begehrst du von der Kirche Gottes?“ Die Antwort lautet: „Den Glauben.“ Auf die weitere Frage: „Was gewährt dir der Glaube?“ lautet die Antwort: „Das ewige Leben.“ Jesus versichert dem das ewige Leben, der auf Erden mit ihm in inniger Gemeinschaft stand. Und diese innige Gemeinschaft vollzieht sich im eucharistischen Opfersakrament. „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben.“ Christi unsterblicher Leib senkt in unseren Leib den Keim der Unsterblichkeit. Und deswegen kann Jesus der trauernden Martha erklären: „Ich bin, nicht nur ich gebe, ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist.“

Darum, meine lieben Freunde, seien wir nicht bange. Wir haben dem Herrn die Treue gehalten und wir wollen sie halten bis zum letzten Atemzug. Wir wollen ihm dienen mit all unserer Kraft. Und da sind wir auch gewiß, dass wir einst das Wort hören werden: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt in Besitz das Reich, das euch bereitet war seit Anbeginn der Welt.“

Amen

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