19. Januar 2020
Die unauflösliche Ehe
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Ehe ist die vom Schöpfer gewollte, in der Menschennatur begründete rechtmäßige Verbindung eines Mannes und einer Frau zu dauernder Lebens- und Leibesgemeinschaft zur Fortpflanzung des Menschengeschlechtes. Jede andere Verbindung von Menschen ist keine Ehe. Die „Ehe für alle“, also die Verbindung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat, ist ein Missbrauch des Namens der Ehe und ein Anschlag gegen Gottes Schöpfung und gegen Gottes Gebote. Eine derartige Perversität ist von Völkern und Naturen bekannt, die dem Untergang entgegengehen. Die Ehe kommt zustande durch die freiwillige, gegenseitige, entsprechend kundgegebene Willenseinigung der beiden Ehewilligen. Zweck der Ehe ist die der Menschenwürde entsprechende Erzeugung und Erziehung von Nachkommenschaft, die gegenseitige leiblich-geistige Hilfeleistung und Förderung der Gatten sowie die geordnete Befriedigung des Geschlechtstriebes. Als vorherrschender Zweck einer Natureinrichtung ist das Gut anzusehen, das ohne sie nicht erreicht werden kann; dies ist aber für die Ehe die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes. Christus hat die Ehe zum Sakrament erhoben. Nach dem Apostel Paulus ist die Ehe das Abbild der Verbindung Christi mit der Kirche. Die Verbindung Christi mit der Kirche besteht wesentlich darin, dass Christus der Kirche Gnaden spendet. Die gnadenspendende Hingabe Christi an die Kirche ist das Urbild für die Ehe. So muss auch die Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe gnadenstiftend sein. Die rechtmäßige Ehe, der rechtmäßige Ehevertrag zwischen Christen ist selbst das Sakrament. So ist jede gültige Christenehe sakramental.
Die Kirche hat sich von Anfang an bemüht, dem Willen Christi über der Ehe Achtung und Gehorsam zu verschaffen. Sie hat die Völker zu erziehen gesucht, und es ist ihr in einem erheblichen Maße gelungen. Sie hat schwere Kämpfe ausgestanden und herbe Verluste hinnehmen müssen, weil sie Gottes Gesetz über der Ehe nicht preisgeben mochte. Mit der so genannten Reformation des 16. Jahrhunderts setzte die Herabstufung der Ehe, ihre Säkularisierung ein. Für Luther ist die Ehe ein „äußerlich weltlich Ding wie Haus und Hof“. Er leugnete den sakramentalen Charakter der Ehe, und das hatte zur Folge, dass die Ehe als Rechtseinrichtung vom Staat an sich gezogen wurde. Luther gab die Eigenschaften der Einheit und der Unauflöslichkeit der Ehe preis, sowohl die Einheit, also die Einehe, als auch die Unauflöslichkeit. Die Freigabe der Ehescheidung erklärt zum großen Teil die Anziehungskraft des Protestantismus gegenüber der katholischen Kirche, die bis heute anhält. Die Unbedenklichkeit, mit der im Protestantismus Ehen geschieden werden und von neuem geheiratet wird, ist in vielen Fällen zum Motiv für den Abfall vom katholischen Glauben geworden. Der große Pianist und Dirigent Hans von Bülow, im 19. Jahrhundert, war mit der Tochter von Franz Liszt, Cosima, verheiratet. Diese lernte Richard Wagner kennen und wurde mit ihm intim. Sie verlangte von Bülow die Zustimmung zur Scheidung. Bülow verweigerte sie und sagte ihr: „Schließlich bist du katholisch.“ Darauf antwortete sie: „Dann werde ich eben protestantisch“, und sie wurde protestantisch und heiratete Wagner. Dasselbe vollzog der Walzerkönig Johann Strauss. In Österreich konnte man zu seiner Zeit keine Geschiedene als Katholik heiraten. Er ging nach Sachsen-Coburg-Gotha, wurde deutscher Staatsbürger und trat zum Protestantismus über, um auf diese Weise zur Ehe zu kommen. Seit dem Auftreten Luthers sind Wesen und Eigenschaften der Ehe ständig weiter dem Gesetz Gottes und der Kirche entfremdet worden. Die maßgebenden Kräfte in der Politik suchen aus Unglauben, aus Unmoralität und Kirchenfeindschaft das christliche Verständnis der Ehe zu zerstören.
Die Kirche hält sich in Bezug auf die Festigkeit des Ehebandes aus Achtung vor dem Willen Gottes an die Heilige Schrift. Die Pharisäer fragten den Herrn: „Ist es dem Manne erlaubt, die Frau zu entlassen?“ Darauf antwortet Jesus: „Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, der bricht die Ehe. Und wenn sie ihren Mann entlässt und einen anderen heiratet, bricht sie die Ehe.“ Aus diesen eindeutigen Worten ihres Herrn bildete die Kirche das Prinzip göttlichen Rechtes: Die gültig geschlossene und vollzogenen Ehe ist absolut, also ausnahmslos, unauflöslich. Aus der gültigen Eheschließung entsteht zwischen den Gatten ein seiner Natur nach unzerreißbares Band. Sakramental ergibt sich die Unauflöslichkeit der Ehe aus der realen Symbolkraft des Ehesakramentes. Es ist ja Vergegenwärtigung der Liebeseinheit zwischen Christus und der Kirche. So unauflöslich wie diese Liebeseinheit ist, so unauflöslich soll die Ehe sein. Die unauflösliche Ehe ist ein Abbild der Verbindung Christi mit der Kirche. Die auflösliche Ehe wäre kein Abbild, sondern ein Zerrbild. Anthropologisch beruht die Unauflöslichkeit der Ehe auf dem Ja-Wort der Frau und des Mannes, sich für das ganze Leben zur Übernahme gemeinsamen Schicksals einander zu versprechen. Solches Ja-Wort schließt zeitliche Begrenzung aus. Die eheliche Gemeinschaft besitzt eine unvergleichliche Innigkeit. Sie lässt die Gatten gleichsam ineinander aufgehen und in Eins verschmelzen. Diese Innigkeit fordert den immerwährenden Besitz. Volle Lebensgemeinschaft verlangt ein rechtmäßiges und dauerndes Verbunden-Sein der beiden Gatten, ein bleibendes, unveräußerliches und unverzichtbares Recht des einen auf den anderen. Die Idee der Ehe gebietet, dass die geschlechtliche Liebe zu einer sittlichen Liebe erhoben wird, die das ganze Leben der Gatten umfasst, die als ebenso ausschließliche wie bleibende Gemeinschaft die volle und zuversichtliche gegenseitige Hingabe der ganzen Persönlichkeit ermöglicht und sichert. In der wahren Dauerehe zweier Menschen liegen hohe moralische Güter und Kulturwerte. Die wahre Dauerehe weckt große seelische Kräfte, verdoppelt die Schaffensfreude und die Spannkraft, läutert die Naturgewalt der Liebe zur Geistesgemeinschaft, in der die Gatten miteinander leben sollen. Die Gatten werden fruchtbar in gemeinsamer Verantwortung, in gemeinsamer Bewährung an objektiven Aufgaben und im gemeinsamen Schaffen einer Familienkultur. Die Aussicht auf die Lösung des Ehebandes gibt dem gegenseitigen Misstrauen der Gatten Raum, lähmt im ehelichen Unglück, in Krankheit, in Ungemach die sittliche Widerstandkraft, hemmt, schaltet aus oder vernichtet die geistigen Energien zu individuellem und sozialem Wirken, verschließt sich pflichtmäßigem Opfergeist im persönlichen und gemeinsamen Leben, fördert den Niedergang des Gesamtwohles und den inneren Zusammenbruch des Volkes.
Gegen die Unauflöslichkeit der Ehe werden Einwände erhoben. Man sagt, man muss barmherzig sein. Ist Gott unbarmherzig? Dass Gott die Ehe als unauflösliche will, ist Ausdruck seiner Barmherzigkeit, seiner Liebe zu dem schwachen und gefährdeten Geschöpf. Gott möchte den Menschen das ersparen, was der Ehescheidung vorauszugehen und nachzufolgen pflegt. Gott hat die Ehe unauflöslich gemacht, damit sich einer auf den anderen verlassen kann. Eheleute liefern sich ja in gewisser Weise einander aus; diese Auslieferung soll geschützt werden; sie wird geschützt durch die lebenslange Ehe. Gott hat die Ehe unauflöslich gemacht, damit die Gatten wissen: Wir müssen die Tugenden und Haltungen erwerben und bewahren, ohne die es unmöglich ist, es miteinander auszuhalten. Und noch ein Letztes: Barmherzigkeit gegenüber den Scheidungswilligen wird verlangt. Warum nicht auch Barmherzigkeit gegenüber den Verlassenen? Man sagt, die Unauflöslichkeit der Ehe ist den Menschen von heute nicht mehr zu vermitteln. Diese Meinung ist übertrieben. Auch heute, und sogar heute, gibt es noch Menschen, und nicht ganz wenige, die aus Achtung vor Gottes Willlen am Gottesgebot der Unauflöslichkeit der Ehe festhalten. Was sodann die Vermittlung der Eigenschaft und des Gebotes der Unauflöslichkeit angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass den entchristlichten und entkirchlichten Massen von heute vieles, was zum christlichen Glaubensgut und zur christlichen Sittlichkeit gehört, nicht mehr zu vermitteln ist, d.h. nahezubringen und zur Annahme vorzulegen; sie wollen es nicht. Wie steht es um die Dogmen, um die unverbrüchlichen Glaubenswahrheiten? Wie vielen Zeitgenossen ist die Menschwerdung, die wirkliche Gottessohnschaft Jesu Christi, nicht mehr zu vermitteln. Und wie steht es um die Lehre der heiligen Dreifaltigkeit? Sie wird von vielen protestantischen Theologen preisgegeben, geschweige denn von den entchristlichten Massen. Wer sich den Wahrheiten des Glaubens entfremdet hat und sich weigert, sie wieder anzuerkennen, dem ist menschlich gesehen nicht zu helfen. Er wird sich Gott gegenüber beim persönlichen Gericht nach dem Tode verantworten. Die Kirche kann sich nicht wie ein Unternehmen verhalten, das sein Angebot zurückfährt, wenn die Nachfrage einbricht.
Ehescheidung als wirkliche Auflösung des geknüpften Ehebandes ist nach naturrechtlichen und sakramentsrechtlichen Grundsätzen nicht zulässig. Der Protestantismus hat sich von Anfang an nicht daran gehalten, und der Staat folgt ihm. Der Staat, der sich des Eherechts bemächtigt hat, stellt das Institut der Ehescheidung zur Verfügung. Eine Ehe kann durch gerichtliches Urteil auf Antrag eines oder beider Gatten geschieden werden. Sie ist dann nach staatlicher Auffassung mit Rechtskraft des Urteils aufgelöst. In früheren Jahrhunderten mussten Gründe benannt werden, deretwegen die Ehe geschieden werden konnte; es wurden ihrer immer mehr. Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 gab als Scheidungsgründe an: unheilbare und ansteckende Krankheit, gegenseitige Einwilligung und unüberwindliche Abneigung. Damit war jeder Scheidung Tür und Tor geöffnet. Heute ist man davon abgekommen, nach dem Verschulden zu fragen und konkrete Gründe für die begehrte Scheidung zu nennen. Dem deutschen Ehescheidungsrecht liegt das so genannte Zerrüttungsprinzip zugrunde, d.h. die Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, und sie ist gescheitert, nach dem Gesetz, wenn die Ehegatten die Lebensgemeinschaft aufgegeben haben und nicht erwartet werden kann, dass sie wiederhergestellt wird. Grundsätzlich hat es jeder Verehelichte in der Hand, aus der Ehe auszubrechen und die Scheidung zu erreichen. Der Protestantismus ist mit dieser Rechtslage einverstanden. Nach ihm ist das subjektive Gewissensurteil allein maßgebend für die Entscheidung, sich scheiden zu lassen. Das ist eine nicht überprüfbare Entscheidung, nach protestantischem Verständnis. Die meisten Gründe, die nun tatsächlich von den Scheidungswilligen genannt werden, liegen auch bei denjenigen Paaren vor, die sich die Treue halten. Vielen, vielleicht den meisten fehlt es an dem entschiedenen Willen, in jedem Falle an der Ehe festzuhalten. Sie fassen von vorneherein die Möglichkeit ins Auge, sich notfalls scheiden zu lassen. Die meisten Geschiedenen streben eine neue Ehe an. Die Aussicht auf eine weitere Ehe ist sogar bei vielen das maßgebende Motiv bei der Ehescheidung. Die Scheidung gestattet den Wechsel des Partners, die Abwechslung. Tatsache ist: Die meisten Menschen besitzen nicht die Eigenschaften und Tugenden und erwerben sie auch nicht, die für eine dauerhafte Ehe erforderlich sind. Die fehlende Leidenstoleranz, das mangelnde Durchhaltevermögen und das schnelle Aufkündigen sind zu einer neuen Not unserer Zeit geworden.
Die Scheidung einer Ehe ist heute zu einer nicht hinterfragten Selbstverständlichkeit geworden. Mit ihr zu rechnen und von ihr Gebrauch zu machen, gilt als üblich und alltäglich. Immer mehr Bundesbürger trennen sich im Seniorenalter nach einer oft jahrzehntelang währenden Ehe von ihren Partnern. Jede 6. Ehe wird nach 26 und mehr Jahren geschieden. Der Entertainer Thomas Gottschalk trennte sich nach 42 Jahren von seiner Frau Thea. Der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg Lothar Späth trennte sich nach 51 Jahren von seiner Frau. Angela Merkel und Joachim Sauer leben in zweiter Ehe, beide schon einmal geschieden. Man kann häufig hören, dass die nach Scheidung eingegangene Zweitehe glücklich sei, gelinge. Diese Behauptung ist noch nie bewiesen worden. Ich habe den Professor für Statistik an unserer Universität Mainz gefragt, wie viele Zweitehen geschieden werden. Er musste mir antworten: Eine Statistik über die Zahl oder den Prozentsatz der Zweitehen, die geschieden werden, existiert nicht. Immerhin wissen wir von nicht wenigen Prominenten, dass auch ihre Zweitehe getrennt wurde. Ich erinnere an den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der zwei Mal geschieden wurde. Ich erinnere an die Schauspielerin Romy Schneider, die zwei geschiedene Ehen hinter sich gebracht hat. Der Entertainer Udo Jürgens blickt auf zwei so genannte gescheiterte Ehen zurück. Von ihm stammt der unverschämte Satz: „Treue ist keine Frage des Charakters, sondern der Gelegenheiten.“ Franz Beckenbauer, der große Fußballer, brachte es auf drei Ehen. Der Dirigent Lorin Maazel hatte ebenfalls drei Ehefrauen. Der früherer französische Präsident Sarkozy ist drei Mal verheiratet. Der ehemalige Bundeskanzler Schröder brachte es auf vier Scheidungen und fünf Ehen. Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG Piëch hat ein Dutzend Kinder von vier Frauen. Für Oskar Lafontaine ist Sahra Wagenknecht die vierte Ehefrau. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer ist ebenfalls bei Ehefrau Nummer fünf angelangt. Der Fußballer Lothar Matthäus hofft, dass die Russin Anastasia Klimko, die er geheiratet hat, seine fünfte und letzte Ehefrau sein werde. Wir brauchen nicht nach Amerika zu schauen, wo Heiraten und Scheiden eine bürgerliche Zeremonie ist, die man in fünf Minuten erledigt. Die Schauspielerin Liz Taylor ließ sich im Jahre 1996 zum achten Mal scheiden. Die Schauspielerin Zsa Zsa Gabor verbrauchte ebenfalls neun Ehemänner. Also, die Behauptung, die zweite Ehe sei eine glückliche, eine gelungene hält der Wirklichkeit nicht Stand. Außerdem ist zu bemerken: Der Mensch ist fähig, eine einmal getroffene Lebensentscheidung durchzuhalten, wenn er will! Das gilt für den Priester ebenso wie für die Verehelichten.
Je mehr ich darüber nachdenke, meine lieben Freunde, und je reichhaltiger die Erfahrung ist, umso klarer wird mir, dass die Ablehnung der Ehescheidung durch die Kirche die einzig mögliche Lösung ist, umso rückhaltloser steigt meine Bewunderung für diese Kirche, die in der ganzen Welt die einzige pädagogische Organisation ist, die an der Unauflöslichkeit der Ehe festhält. Alle anderen haben sich gebeugt: der Islam, das Judentum, der Protestantismus, die Orthodoxie. Sie alle haben sich vor der Wucht des menschlichen Triebes gebeugt, haben das Gesetz, das Gesetz Gottes, die Unauflöslichkeit der Ehe, dem Willen der Menschen geopfert. Nicht so die katholische Kirche. So ist sie das Zeichen Gottes in der Welt, so ist sie ein Hinweis auf ihre göttliche Stiftung. Kein anderes Unternehmen auf dieser Welt kommt ihr gleich. Sie ist von Gott gestiftet, sie ist von Gott erhalten, sie ist von Gott geführt. Die Ehe gilt ihr als Lebensgemeinschaft, das ist der Ehe natürlicher Sinn. Menschen, die heiraten wollen, beabsichtigen keinen Kontrakt auf Kündigung. Ihnen gilt bräutlicher Schwur: Gemeinschaft bis zum Tode. Das ist der Sinn des Brautschleiers und des Ringes, nicht nur bei Christen. Diese ursprüngliche Auffassung muss gehütet werden. Nun bricht irgendwo eine Ehe. Die beiden wollen nicht mehr den gemeinsamen Weg, reiben sich aneinander wund, ihr Zusammensein wird Katastrophe. Und dies begibt sich natürlich im Pharaonenstaat genauso wie im Sonnenland des französischen Königs, im lässigen Schweden ebenso wie im heißblütigen Spanien. Jede Lebensgemeinschaft erlebt ihre Stürme. Was soll werden? Kirche und Menschheit haben die Wahl: Ehescheidung oder Unauflöslichkeit? Gilt der Einzelne oder gilt die Gesamtheit? Die Kirche entscheidet sich für die Gesamtheit, stützt die Idee; die Idee der Lebensgemeinschaft verträgt kein Schwanken. Gibt die Kirche die Wiederverheiratung zu, dann kriselt es im ganzen Gebäude vom First bis zum Kellergeschoss, dann werden Spannungen genährt, die sonst wieder abklingen. Jede Lebensgemeinschaft erlebt ihre Stürme, muss sich zur Klarheit durchkämpfen, geht durch Nebel und durch Sonne. Steht die Idee fest, dass die Ehe Lebensgemeinschaft ist, dann sind tausend Missverständnisse erledigt, tausend Stürme abgeblasen. Die Auflösbarkeit der Ehe gefährdet dauernd ihren Halt, nährt dauernd die Drohung des Abbruchs, zerrüttet die Eheeinrichtung. In dem Dilemma muss sich die Kirche für die Weltgeschichte und gegen das Einzelschicksal entscheiden. Auf dieser Welt gibt es keine doppelseitigen, hundertprozentigen Lösungen, sondern ein Entweder-oder. Die Einzeltragik bleibt. Sagen Sie bitte nicht, meine lieben Freunde: Du hast leicht reden, du bist nicht verheiratet. Darauf antworte ich: Ein Gesetz wird dadurch nicht falsch, dass es den, der es auf Anruf verkündet, nicht trifft. Und weiter: Wir Priester gehen eine Bindung ein, die der Ehe an Würde und Strenge nicht nachsteht. Die Priesterweihe hat uns ein unauslöschliches Siegel eingeprägt, das uns zum Dienst und zur Treue für das ganze Leben verpflichtet. Über unserem Leben steht das Wort: Mors sola, nur der Tod kann uns von unseren Verpflichtungen befreien. Wir haben einmal den Weg der Nachfolge angetreten, wir dürfen weder umkehren noch aufgeben. Nun fragen Sie vielleicht: Werden wir denn die Kraft dafür haben? Wir sehen immer nur das Sichtbare, nur die Katastrophe, nie die Verhütung. Der Gedanke, dass feierlich gelobte Lebensgemeinschaft untrennbar ist, dass nur der kalte Tod sie löst, war – ich kann leider nicht sagen ist – für Millionen von Ehen absolute Sicherung, Überspannung jeder Kluft, granitene Unzerreißbarkeit; wortlos fügte sich millionenfach Hand in Hand. Solcher Zwang kann ethisch sein; er ist es in religiöser Atmosphäre, dort gibt es innere Erneuerung. Christliche Ehen sind heilbar: eine Generalbeicht, eine Osterkommunion, zwei Menschen nebeneinander wie einst auf dem roten Kissen vor dem Tabernakel, zwei Christen, die sich verzeihen, die ihre Pflicht wieder finden; das ist Auferstehung, das ist Versöhnung. Die Betroffenen fragen mich: Reicht meine Kraft dafür? Reicht meine sittliche Kraft? Schauen wir statt auf uns auf die anderen: die Lungenkranken, denen keine Ehe gegönnt ist, die Frühwitwen, denen wirtschaftliche Not jedes neue Heim zerschlägt, die Andersveranlagten, die ein Leben lang ihre Not tragen müssen. Was sollen wir sagen? Es gibt nur eine Antwort: Opfer. Ohne Opfer hat es nie ganze Kultur gegeben, noch weniger ganzes Christentum. Sein Geheimnis beginnt hier, seine Kraft. Lassen Sie uns, meine lieben Freunde, lassen Sie uns beginnen, Christen zu sein.
Amen.