Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. September 1987

Das Gottvertrauen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Hoffnung ist die vertrauensvolle Erwartung aller Güter, die uns Christus für die Erfüllung des göttlichen Willens versprochen hat. Das war das Thema unserer Überlegungen am vergangenen Sonntag. Wir haben die Hoffnung als eine Mischung aus Erwartung und Zuversicht kennengelernt, ebenso ihre enge Verbindung mit dem Glauben, aus dem sie wie aus einer Wurzel emporwächst.

Ähnlich wie der Glaube ist auch die Hoffnung zum Heile notwendig. Wir dürfen nicht bloß hoffen, wir müssen hoffen. Gott gebietet es uns, zu hoffen auf seine rettende Macht. Wir können freilich nur hoffen, wenn uns Gott die Hoffnung schenkt, wenn er in unserer Seele die Fähigkeit, zu hoffen, den Habitus, wie die Theologie sagt, den Habitus der Hoffnung begründet. Dann freilich müssen wir in der Kraft dieser Anlage, zu hoffen, mit unserem Willen in die Hoffnungsfähigkeit einstimmen. Die Hoffnung, meine lieben Freunde, bringt großen Nutzen. Es sind ihrer drei:

1. Wer auf Gott hofft, erfreut sich eines besonderen Schutzes Gottes.

2. Wer auf Gott hofft, kann viel von ihm erlangen.

3. Wer auf Gott hofft, wird von Gott gestärkt.

Der erste Satz lautet: Wer auf Gott hofft, erfreut sich eines besonderen Schutzes Gottes. Die Heiligen des Alten und des Neuen Bundes haben diese Wirkung der Hoffnung häufig erfahren. Der ägyptische Josef beispielsweise, der verleumdet wurde, schwerer Verbrechen bezichtigt wurde, im Gefängnis lag, er hoffte auf Gott. Und siehe da, er wurde befreit, und der König berief ihn an die Spitze seines Reiches. Auch in unserer deutschen Geschichte gibt es immer wieder Beweise, wie die Hoffnung nicht zuschanden wird. Heute ist der 15. Sonntag nach Pfingsten. Der Introitus, also das Eingangslied, beginnt mit den Worten: „Protector noster“ – unser Schützer. Das ist derselbe Sonntag, das ist dieselbe Messe, das ist derselbe Gebetsruf, den die Christen am 12. September 1683 anstimmten, als sie in den Endkampf gegen das große türkische Heer vor Wien eintraten. Zwei Monate lang war Wien von einer riesigen türkischen Armee von 250.000 Mann unter Kara Mustafa belagert. Minen trieben die Belagerer vor und sprengten immer wieder Teile der Stadtmauer in die Luft und setzten dann zum Sturme an. In der Stadt befanden sich nur 16.000 Kämpfer. Aber in ihrer Not vertrauten die Christen in Wien auf Gott. Und siehe da, es gelang dann endlich, ein christliches Heer unter dem polnischen König in Bewegung zu setzen, und am 12. September nach der heiligen Messe, bei der der König den Meßdiener machte, stürmte dieses kleine Heer von 90.000 Mann gegen die 250.000 Türken, und am Abend, da strömten die Türken in wilder Flucht davon. Der Sieg war errungen, das Abendland endgültig von der Türkengefahr befreit.

Aus Österreich und seinem frommen Herrscherhause wird uns mehrfach von einem überwältigenden Gottvertrauen berichtet. Kaiser Ferdinand II., der große Kaiser, der Österreich, soweit es in menschlichen Kräften lag, wieder katholisch gemacht hat, lag in seiner Hofburg vor dem Kreuz auf den Knien, weil ihn die Aufständischen bedrängten. Sie wollten ihm Zugeständnisse abzwingen. Fast meinte er dem Druck nicht mehr widerstehen zu können, da ertönte aus der Hofburg in Wien – im Jahre 1619 – ein helles Trompetensignal. 500 Dragoner kamen dem Kaiser zu Hilfe, er war befreit, und damit war die Sache der katholischen Kirche in Österreich endgültig gesichert.

Wer auf Gott vertraut, erfreut sich eines besonderen Schutzes Gottes. Das haben die erfahren, die wahres Vertrauen, die wahres Gottvertrauen bewiesen haben.

Der zweite Satz lautet: Wer auf Gott vertraut, kann von Gott viel erlangen. Es ist ein allgemeiner Grundsatz in der göttlichen Heilsökonomie: Gott gibt dem Menschen so viel, wie er ihm vertraut. Das Vertrauen, diese gläubige Hoffnung auf Gott wird von Gott belohnt, indem er demjenigen, der dieses Vertrauen auf ihn setzt, seine Zuversicht erfüllt. Im Vertrauen auf Gottes Hilfe teilte Moses mit dem Stab das Meer, und die Israeliten durchschritten trockenen Fußes das Rote Meer. Im Vertrauen auf Gott berührte er den Felsen, und Wasser floß aus dem Felsen für Mensch und Tier. Im Vertrauen auf Gott ging Papst Leo der Große dem Hunnenkönig Attila im Jahre 452 entgegen, und Attila verschonte Rom.

Wir können Gott nicht mehr ehren, als indem wir ihm vertrauen; und wir können Gott nicht mehr kränken, als indem wir ihm nicht vertrauen. Gott gibt uns seine Gaben nach dem Maße unserer hoffnungsvollen Zuversicht.

So wollen wir in Vertrauen und Zuversicht nicht schwanken, in allen berechtigten Anliegen auf Gottes Hilfe unsere Zuflucht setzen.

Der dritte Satz lautet: Wer auf Gott vertraut, der wird von Gott gestärkt. Er wird von Gott gestärkt einmal, indem er unerschrocken gegenüber den Menschen wird. Der heilige Martin von Tours wurde einmal von Räubern überfallen, und als diese Räuber an ihm kein Zeichen von Furcht entdeckten, da fragten sie, wie es komme, daß er sich nicht fürchte. Martin von Tours antwortete: „Ich bin ein Christ und stehe unter dem Schutze Gottes. Ich muß mich nicht fürchten – ihr müßt euch fürchten!“ Wer unter dem Schutze Gottes steht, tatsächlich, der wird von ihm gestärkt, er wird von ihm unerschrocken gemacht im Leben und vor allem im Tode, in der Todesstunde, beim Sterben. Das haben so viele Heilige erfahren. Der heilige Paulus schreibt einmal: „Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein.“ Er hat keine Furcht vor dem Tode. Er weiß: Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Nun wartet meiner die Krone der Gerechtigkeit, die mir der gerechte Richter geben wird. Er ist zuversichtlich bezüglich der schwersten Stunde des Lebens, in der Todesstunde.

Andreas, der Bruder des Petrus, sah das Kreuz, an dem er zu Tode gebracht wurde, und rief aus: „O kostbares Kreuz! Wie lange habe ich dich ersehnt, wie sehr habe ich nach dir verlangt!“ Und der heilige Ignatius von Antiochien, der nach Rom geschleppt wurde, um dort den wilden Tieren vorgeworfen zu werden, dieser heilige Bischof Ignatius bat die römische Gemeinde, ja keine Schritte beim Kaiser zu unternehmen, um ihn etwa freizubekommen. „Ich fürchte nicht die wilden Tiere noch die Zerreißung meiner Glieder,“ so schreibt er wörtlich in einem Briefe, der uns erhalten ist, „ich fürchte nicht die wilden Tiere noch die Zerreißung meiner Glieder, wenn ich nur Christus gewinne.“ Und ähnlich hat die heilige Cäcilia, dieses wunderbare Mädchen in Rom, diese Martyrin und Jungfrau, vor ihrem Tode gesagt: „Mit Christus zu sterben ist so, wie Kot gegen Gold zu vertauschen.“

Mögen auch wir, meine lieben Freunde, oft und oft beten, daß Gott die Hoffnung in uns stärke, daß er die Verzagtheit oder gar die Verzweiflung von uns fernhalte. Beten wir oft mit dem Schlußvers des Te Deum: In te, Domine, speravi, non confundar in aeternum – Auf dich, Herr, habe ich gehofft, ich werde nicht zuschanden werden in Ewigkeit.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt