Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Januar 2017

Die Weissagung Simeons

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der Heilige Geist hat den greisen Simeon in den Tempel geführt. Der Heilige Geist ruht auf ihm, und das ist der Geist der Prophetie. Darum hat sein Wort die Autorität göttlicher Offenbarung. Was hat ihm der Geist geoffenbart? Er hat ihm geoffenbart, dass er den Tod nicht schauen werde, ehe er den Messias gesehen habe. Und Gott steht zu seinem Wort. Derselbe Geist treibt ihn jetzt an, in den Tempel zu gehen zu der Stunde, in der das Jesuskind in den Tempel gebracht wird. Kraft seiner prophetischen Begabung erkennt er in diesem kleinen Kind sogleich den Messias und nimmt es voll Begeisterung und Seligkeit auf seine Arme. Die Verheißung, die er empfangen hat, ist erfüllt; jetzt kann er getrost sterben. Und er stimmt ein Lied an, einen Lobpreis Gottes, der seine Verheißung erfüllt hat. Er kann nun zufrieden heimgehen, denn er hat das Heil, das Gott für sein Volk gewirkt hat, nämlich den Messias, mit leiblichen Augen schauen dürfen. „Meine Augen schauen nun dein Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, als Licht zur Offenbarung für die Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.“ Das sind prophetische Worte, denn sie enthalten die Universalität des Heiles. Das Heil, das der Messias bringt, ist nicht national jüdisch, das Heil, das er bringt, ist für die ganze Erde bestimmt, für die ganze Welt. Er ist der universale Heilsbringer. Das Heil, das Gott bereitet hat vor den Augen aller Völker, besagt: Auch die Völkerwelt (die Heiden) wird Zeuge des israelgesandten messianischen Heils sein, ja sie wird an diesem Heil teilhaben. Der prophetische Blick des Sehers greift über Israel hinaus. Er umfasst neben der unmittelbaren Gegenwart, nämlich der Ankunft des Messias, auch die fernere Zukunft. Er nimmt gewissermaßen die Erkenntnis vorweg, die den Bewohnern von Samaria geschenkt wurde, als Jesus durch diese Landschaft zog: „Dieser ist der Heiland der Welt.“ Das messianische Heil ist ein von Gott den Heidenvölkern gesandtes Licht. Es offenbart Gottes Größe, erleuchtet aber gleichzeitig ihren Sinn, sodass sie das gläubige Licht annehmen können. Christus kam als Licht in die Welt, in den verfinsterten Kosmos, und er ermöglichte es den Menschen, Kinder des Lichtes zu werden.

Simeon stellt eindeutig fest: Das Heil kommt aus Israel. Es macht Israel als Gottes auserwähltes Volk offenbar. Daher dient es zugleich zu dessen Verherrlichung. Das wird ein ewiger Ruhmestitel Israels sein, dass aus seiner Mitte der Erlöser erschienen ist. Daran ist nicht zu rütteln. Jesus war ein Jude. Insofern von ihm das Heil kommt, kann man sagen: Das Heil kommt von den Juden. Und das hat Jesus ausgesprochen in dem Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen: Das Heil kommt von den Juden. Es hat Versuche gegeben, Jesus zu einem Nichtjuden, zu einem Arier zu machen. Der evangelische Theologe Emanuel Hirsch z.B. ist der Meinung, Jesus ist ein Arier gewesen. Adolf Hitler hat am 26. April 1922 erklärt, Christus sei unser größter arischer Führer – unser größter arischer Führer. Ja, wie ist dann sein Entstehen zu erklären? Es hätten germanische Truppen in Israel gestanden, und von ihnen hat sich einer mit Maria vereinigt. So ein Unsinn wird von ernstzunehmenden Leuten vertreten. Dagegen erhebt die Geschichte wie die Offenbarung Einspruch. Nach einem Segensspruch über Maria und Josef sagt Simeon der Mutter noch ein weiteres Wort, ein Wort über die Bestimmung ihres Sohnes: „Dieser ist bestimmt zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird. Dann werden offenbar werden die Gedanken vieler Herzen.“ In Jesus ist das Heil erschienen, und doch wird auch eine unheilvolle Wirkung von ihm ausgehen. Er ist in Gottes Ratschluss dazu bestimmt, dass sich an ihm die Menschen scheiden. Die einen werden an ihm Ärgernis nehmen, ihn ungläubig ablehnen und dadurch schuldig werden. Die anderen werden ihn gläubig annehmen und dadurch zur geistigen Auferstehung, zum Heil gelangen. Gegenüber Jesus gibt es nur entweder Ablehnung oder Annahme; es gibt keine Neutralität. Der Herr hat diese Voraussage Simeons bestätigt. „Meinet nicht, ich sei gekommen, den Frieden zu bringen, ich bin gekommen, das Schwert zu bringen.“ Er ist das von Gott aufgestellte Zeichen, das bei vielen Widerspruch hervorrufen wird, damit auf diese Weise ihr dem Willen Gottes widerstrebender Sinn offenbar werde. Gegnerschaft und Ablehnung, Trennung und Abfall von ihm sind keine normalen Vorgänge, sondern das sind verhängnisvolle Entscheidungen. Wir sollten uns darüber nicht leichthin hinwegtrösten unter Berufung vielleicht auf schuldlosen Irrtum oder auf überzeugtes Gewissensurteil. Nein, wir können gewiss nicht in die Menschen hineinschauen und wir können uns kein Urteil über ihr Verhalten gegenüber Jesus anmaßen, aber die Offenbarung unterrichtet uns von der Verfasstheit der Menschen: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf.“ Das ist die Verfasstheit der Menschen.

Dann wendet sich Simeon der Mutter Jesu persönlich zu: „Auch deine eigene Seele wird ein Schwert durchdringen.“ Was ist damit gemeint? Weil sie die Mutter des Messias ist, wird sie durch das Geschick ihres Sohnes mitgetroffen werden. Damit sind nicht etwa später sich einstellende Zweifel Mariens an der Messianität Jesu zu verstehen, es ist auch nicht auf die Verfolgungen zu beziehen, die Maria etwa wegen ihrer Mutterschaft zu erdulden gehabt hätte. Nein, das Wort Simeons vom Schwert, das Mariens Seele durchdringen wird, geht auf den Seelenschmerz, den sie als Zeugin der Ablehnung ihres Sohnes erleiden wird. Wie muss es ihr wehgetan haben, wenn die Zeugen seiner Wunder sagten: „Durch Beelzebul, den obersten der Teufel, treibt er die Teufel aus“, wie muss es ihr wehgetan haben. Das Bild der Schmerzensmutter empfängt durch die Weissagung Simeons seine ersten Umrisse. Viele hundert Jahre später hat ein begeisterter Jünger Jesu und Verehrer Mariens die Erfüllung der Weissagung Simeons auf seine Weise ausgedrückt.

„Christi Mutter stand mit Schmerzen

bei dem Kreuz und weint’ von Herzen,

als ihr lieber Sohn da hing.     

Durch die Seele voller Trauer,

seufzend unter Todesschauer,

jetzt das Schwert des Leidens ging.

Welch ein Weh der Auserkornen,

da sie sah den Eingebornen,

wie er mit dem Tode rang!

Sah ihn trostlos und verlassen

an dem blut’gen Kreuz erblassen,

ihren lieben einz’gen Sohn.“

Die Worte Simeons sprechen einen Gedanken aus, der zum Grundtenor des Evangeliums und des ganzen Neuen Testamentes gehört: Jesus ist der von Anfang an von seinem eigenen Volk abgelehnte und verfolgte Messias, der in eine Welt der Bosheit und des Hasses eintritt. Sein Leben war kein Idyll. Das Ärgernis gehört wesentlich zur Person Jesu und zu seinem Evangelium. Warum? Das Auftreten Jesu war anders, als die herrschende Anschauung der Juden vom Messias erwartet hatte. Die meisten von ihnen hatten eine irdisch-politische Vorstellung vom Messias. Er wird die Fremdherrschaft der Römer brechen, er wird das „Schwein“ – nämlich die Römer bezeichnete man als Schwein, weil sie das Schweinefleisch aßen – aus dem Lande Palästina vertreiben; das war ihre Hoffnung. „Aber mein Reich ist nicht von dieser Welt“, sagt der Heiland. Damit wurde er uninteressant für die irdisch-politisch den Messias erwartenden Juden. Der wirkliche Messias musste für sie zum Ärgernis werden. Aber dieses Ärgernis entspricht dem Willen Gottes. Die Erscheinung Jesu soll den natürlichen Menschen enttäuschen und zu heftiger Ablehnung reizen, denn dieser denkt die Gedanken des Menschen und nicht die Gedanken Gottes. Er lässt sich nicht durch die göttliche Wahrheit zur Umkehr bewegen. Nur die glaubenswilligen Menschen, sie kommen über das Ärgernis hinweg und erlangen dadurch das Heil. Jesus hat seine ausgesandten Jünger über die Aufnahme, die sie erfahren werden, nicht im Unklaren gelassen. „Betretet ihr ein Haus, so saget: ‚Friede diesem Hause!‘ Und wenn dort ein Sohn des Friedens ist, wird euer Friede auf ihm ruhen. Wenn nicht, wird er zu euch zurückkehren. Betretet ihr eine Stadt und man nimmt euch nicht auf, so geht hinaus auf ihre Straßen und sprecht: ‚Sogar den Staub, der sich an unsere Füße geheftet hat, den schütteln wir vor euch ab. Doch ihr sollt wissen: Das Reich Gottes hat sich genaht.‘ Ich sage euch: Sodoma wird es an jenem Tage erträglicher ergehen als jener Stadt.“

Man kann bedauern, man muss bedauern, dass die Botschaft Jesu, das Evangelium, die Heilslehre der von ihm gestifteten Kirche nicht allen Menschen eingeht, von ihnen angenommen wird und geliebt wird. Wie schön wäre es, meine lieben Freunde, wenn der ganze Erdkreis und auch nur dieser Ort sich um die Krippe, um das Kreuz, um den Altar versammeln würde. Wie wäre das schön, ergreifend, wenn nie Unverständnis, Ablehnung und Verwerfung die Botschaft des Herrn treffen würden. Soeben geht die Nachricht durch die Presse: In Spanien, in dem katholischen Spanien, bekennen sich ¼ der Bevölkerung zum Atheismus und zur Religionslosigkeit; und das nach 2000 Jahren Christentum – in Spanien. Gott hat es gewusst, dass es so geschehen wird, und er hat es gewollt. Schon die ersten Urkunden der Christusbewegung bezeugen es: „Dieser ist gesetzt zum Falle und zur Auferstehung vieler und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.“ Als der Messias geboren wurde und gelehrte Männer aus dem Osten ihm huldigten, da suchte sein Landesherr ihn zu töten. Als die Besessenen von den Dämonen befreit wurden durch Jesus, da sagten die Jerusalemer Schriftgelehrten: „Er hat den Beelzebul, den obersten der Teufel.“ Johannes, der Apostel, stellt am Anfang seines Evangeliums fest: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erfasst. Die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt hat ihn nicht erkannt.“ Und dennoch, meine lieben Freunde, es gab solche, die ihn aufnahmen und denen er die Vollmacht gab, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blute, sondern aus Gott geboren sind.

Amen.

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