15. August 2007
Maria zu lieben
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte, zur Feier der Aufnahme Mariens in den Himmel Versammelte!
„Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn, in Freuden und Leiden ihr Diener ich bin.“ So haben wir als Kinder gesungen, so singen wir noch heute. Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn, in Freuden und Leiden ihr Diener ich bin. Jung und alt haben dieses Lied mitgesungen. Ich habe in Erfurt im Jahre 1954 erlebt, als der Apostolische Nuntius Aloysius Münch in dieser Stadt erschien, dass sich vor dem Hause, in dem er wohnte, Hunderte von Jugendlichen versammelten und ein Marienlied nach dem anderen sangen, darunter auch „Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn, in Freuden und Leiden ihr Diener ich bin. Mein Herz, o Maria, schlägt immer zu dir in Liebe und Freude, o himmlische Zier.“ Die Marienverehrung ist in der katholischen Kirche von Anfang an beheimatet. Neben dem Erlöser steht die Mutter, die ihn geboren hat, sie, die Ersterlöste und die Vollerlöste.
Immer aber hat es auch Nörgler und Mäkler in der Kirche gegeben. Immer hat es Bedenkenträger und Menschen gegeben, die an der Marienverehrung Anstoß nahmen, die fürchteten, dass der Ruhm des Erlösers durch Maria getrübt, beschränkt, vermindert werden könnte. Zumal seit der Eröffnung des Ökumenismus sucht man immer wieder die Marienverehrung auf Sparflamme zu halten, um die „getrennten Brüder“, wie es heißt, nicht zu kränken. Manche versuchen diese geminderte Marienverehrung mit der Heiligen Schrift zu unterbauen. Sie verweisen auf jene Stelle bei Markus, wo erzählt wird, dass Maria und seine Verwandten, Brüder genannt, draußen waren, als Jesus in dem Hause lehrte. Als man ihm meldete: „Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich“, da gab er die Antwort: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Wer den Willen Gottes tut, der ist mir Mutter und Brüder.“ Sie verweisen auch noch auf eine andere Stelle, nämlich ein Frau aus dem Volke hatte einmal die hervorragende Berufung Jesu erkannt und dann an die gedacht, die ihn geboren hat: „Selig der Leib, der dich getragen, und die Brust, die dich genährt hat!“ Und da scheint Jesus abzuwehren und gibt eine ernüchternde Antwort: „Ja, selig die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Sind diese beiden Stellen beweiskräftig dafür, dass man die Marienverehrung drosseln darf? Enthalten sie tatsächlich eine Dämpfung unserer Begeisterung für die Mutter des Herrn? Meine lieben Freunde, um diese Stellen recht zu verstehen, muss man im Auge behalten: Jesus hatte mit einem Volk zu tun, das auf Blut und Boden, um so zu sprechen, das auf Blut und Boden den größten Wert legte, ein Volk, das sich als das auserwählte wusste und das deswegen mit Geringschätzung auf andere herabschaute, ein Volk, das immer auf den Abrahamvater pochte und meinte, damit seines Heiles gewiß zu sein. Jesus will den Zuhörern klarmachen: Es genügt nicht, zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Es kommt darauf an, durch Glaube und Werke den Willen Gottes zu tun. Das ist das Entscheidende. Und deswegen sagt er: „Selig die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Es kommt nicht auf leibliche Abstammung, es kommt nicht einmal auf die Mutterschaft an, wenn sie nicht erfüllt ist von der geistlichen Kindschaft zu Gott. Nur wer in Glauben und Werken Gottes Willen tut, der ist ein wahrer Verwandter des Herrn.
Aber das ist ja eben der Fall bei Maria; das ist ja bei ihr in einem unerhörten Maße der Fall. Der Maßstab Glaube und Werke wird wahrhaftig von ihr ganz und gar erfüllt. Schon das eine Wort sagt es: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!“ Eine Magd, also eine Dienstmagd, eine Frau, die im Dienste anderer steht, das ist Maria. „Mir geschehe nach deinem Wort.“ Ich erfülle deinen Willen; ich bin ein loses Blatt, ein leeres Blatt, und was du hineinschreibst, das wird auf diesem Blatte stehen. Wenn du hineinschreibst: „Mutter der Schmerzen“, dann wird auch das auf diesem Blatte stehen. Ihr Leben ist das unbedingte Ja zum Willen Gottes, und wir können den angeführten Schriftstellen andere hinzufügen, die Mariens Erwählung bezeugen. Das erste Wunder Jesu geschieht auf die Fürbitte Mariens: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Das Wunder von Kana ist nicht nur Zeichen der Macht, blitzartiges Aufleuchten von Jesu Wundermacht, nein, es ist auch Erhörung der Bitte Mariens. Und als es zum Höhepunkt dieses Lebens kommt, zum traurigen und gleichzeitig glorreichen Höhepunkt dieses Lebens, da schreibt der Evangelist Johannes: „Unter dem Kreuze stand Maria, seine Mutter.“
Maria hat die bittersten Stunden ihres Sohnes an seiner Seite durchlebt. Sie hat aber auch den Triumph des Pfingstfestes erlebt. Denn im Abendmahlssaal war, als der Heilige Geist in sichtbarer Weise herabkam, nicht nur die Schar der Apostel versammelt, sondern auch Maria, seine Mutter. „Sie verharrten im Gebet mit Maria, seiner Mutter.“ Maria hat deswegen in prophetischer Sicht vorausgesehen, dass sie immer und immerdar von der Christenheit gepriesen werden wird. „Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter“, ohne Ausnahme, auch in der Zeit des Ökumenismus. Maria weiß um ihre Rolle im Heilsplan Gottes. Sie hat sie angenommen und erfüllt bis zum letzten Atemzug. Darum ist sie immerwährenden Lobes würdig.
Freilich versuchen die Gegner der Marienverehrung auch eine andere Stelle der Heiligen Schrift anzuführen, die scheinbar gegen Maria spricht. Es heißt nämlich im 1. Timotheusbrief: „Es gibt nur einen Mittler Gottes und der Menschen, den Menschen Christus Jesus, der sich selbst als Erlösung für alle hingegeben hat.“ Es gibt nur einen Mittler Gottes und der Menschen, den Menschen Christus Jesus, der sich selbst als Erlösung für alle hingegeben hat. Schließt das nicht eine irgendwie geartete Mittlerschaft Mariens aus? Wird nicht dadurch, dass man behauptet, auch Maria habe am Erlösungswerk mitgewirkt, die Mittlerschaft Jesu verdunkelt? Meine lieben Freunde, das Zweite Vatikanische Konzil hat eine Antwort auf diese Frage gegeben, indem es sagt: „Mariens mütterliche Aufgabe gegenüber den Menschen verdunkelt und mindert diese einzige Mittlerschaft Christi in keiner Weise, sie zeigt vielmehr ihre Wirkkraft.“ Ganz richtig. Diese mütterliche Aufgabe Mariens mindert nicht die Mittlerschaft Christi, sondern sie zeigt ihre Wirkkraft. Sie zeigt, was in dieser Erlösung Christi für eine Kraft steckt, dass Gott nicht alles allein macht, sondern dass er in seiner Allmacht auch Geschöpfe heranzieht, die (selbstverständlich in untergeordneter Weise) mitwirken bei seiner erlöserischen Aufgabe. Es bleibt dabei: Maria ist nicht Erlöserin, sondern Erlöste, aber sie ist Vorerlöste, und sie ist Vollerlöste. Maria ist nicht Mittlerin in der Weise, wie Jesus Mittler ist. Aber dieser Mittler Jesus hat sie als Mittel und Werkzeug der Erlösung benutzt. Sie hat bei dem Werk der Erlösung eine Rolle, die einzigartig ist. Man kann sagen: Maria ist Mittlerin zu dem Mittler Jesus. Und die Kraft dieser Mittlerschaft, dieser untergeordneten, dieser nebengeordneten Mittlerschaft kommt aus der Mittlerschaft Christi. Sie hängt völlig von der Mittlerschaft Christi ab. Aus der Fülle seiner Mittlerschaft nährt sich die Mittlerschaft Mariens.
Am Feste der Aufnahme Mariens in den Himmel darf man nicht schweigen von ihrer Tätigkeit im Himmel. Denn sie tritt als Mittlerin bei ihrem Sohne für uns ein. Durch ihre himmlische Fürbitte weiß sie ihre Kinder in ihrer Hand geborgen und trägt sie ihrem Sohne vor. Ihre geistliche Mittlerschaft erfährt im Himmel ihre volle Entfaltung. Jetzt kennt Maria alle ihre Kinder, jedes in seiner Eigenart mit einem warmen und innigen Verständnis, und sie bittet für diese Kinder. Gott lässt nun einmal – das ist sein Wille – die Geschöpfe bei der Erlösung der Welt mitwirken. Und so lässt er auch Maria die Fürbitte für die ganze Menschheit zum Throne Gottes tragen. Er hat dieses Herz geöffnet, damit es neben dem männlichen Herzen Jesu auch ein mütterliches Herz gebe. Der heilige Pfarrer von Ars hat einmal das wunderbare Wort gesprochen: „Ich habe schon so viel aus diesem Herzen geschöpft, dass es leer sein müsste, wenn es nicht unerschöpflich wäre.“ O meine Freunde, welch ein schönes Wort! „Ich habe schon so viel aus diesem Herzen geschöpft, dass es leer sein müsste, wenn es nicht unerschöpflich wäre.“
Wir dürfen, wir sollen, nein, wir müssen am Feste der Aufnahme Mariens in den Himmel diese Mutter angehen und um ihre himmlische Fürbitte rufen. Wir müssen an diesem Tage singen: „Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn.“ Maria ist und bleibt unsere Mutter. Maria bleibt unsere Fürsprecherin am Throne Gottes, und wir dürfen aus diesem Herzen schöpfen, Gnade um Gnade, und es müsste schon längst leer sein, wenn es nicht unerschöpflich wäre.
Amen.