30. Oktober 2016
Wurzel und Inhalt des Königtums Jesu Christi
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
„Jesus, König, o dein Herz ruft uns alle himmelwärts. Königsherz, ihm keines gleich, zu uns komme dein Königreich. Jesus, König hocherhoben, Lieb und Treue wir geloben. Jesus, König hocherhoben, Lieb und Treue wir geloben.“ So hat die katholische Jugend in der Zeit des Dritten Reiches am Gottbekenntnistag – und das war immer der Trinitatissonntag – gebetet. Sie hat sich zu ihrem König, Jesus, bekannt gegen alle Führer und Verführer auf Erden. In der Zeit der Unterdrückung und Verfolgung hat die Jugend sich zu ihren König, Christus, bekannt. Jesus Christus ist ein König. Im Alten Bunde war sein Königtum vorherverkündigt. Im Psalm 2 heißt es: „Ich habe mir selbst einen König gesalbt auf Sion, meinem heiligen Berg.“ Und im Psalm 71 ist die Rede von einem gerechten König, der über die ganze Welt regieren wird, der ein weltumspannendes Reich besitzt. Die Propheten haben diese Verkündigung aufgenommen. Der Prophet Isaias: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn wird uns geschenkt. Die Herrschaft ruht auf seinen Schultern. Wunderrat ist sein Name, starker Gott. Sein ist die Fülle der Herrschaft, der Friede nimmt nimmer ein Ende. Herrschen wird er auf Davids Thron über sein Reich.“ Der Prophet Daniel sah „einen Menschen auf den Wolken des Himmels, und ihm ward Herrschaft von Gott gegeben, Ehre und Reich. Ihm müssen alle Völker, Nationen und Zungen dienen. Seine Herrschaft wird ewig dauern.“ Diese Verheissungen wurden im Neuen Bund erfüllt. Das Neue Testament bestätigt die alttestamentlichen Weissagungen. Der Engel Gabriel verkündet Maria: „Du sollst einen Sohn gebären und seinen Namen Jesus nennen. Er wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Und er wird über das Haus Jakob herrschen in Ewigkeit, und seines Reiches wird kein Ende sein.“ Aus dem Morgenlande kommen weise Männer, Astrologen, nach Jerusalem; sie haben den Königsstern gesehen. „Wir sind gekommen, den neugeborenen König von Juda anzubeten.“ Jesus ist in die Verheißung eingetreten, die von ihm gemacht wurde. Er hat sich selbst als den angekündigten Messiaskönig gewusst. Als Nathanael von ihm ausrief: „Rabbi, du bist der König von Israel!“, da hat er die Aussage nicht abgewehrt, sondern da hat er sie bestätigt, das ist ein Bestandteil seines Selbstbewusstseins.
In seiner eigenen Verkündigung erscheint Christus zunächst als Herold des Königtums des himmlischen Vaters. Aber er bringt ja das Reich Gottes, in ihm ist es ja angebrochen. Und so ist er der Königssohn, ebenso König wie sein himmlischer Vater. In seinem Prozess vor dem Statthalter Roms holt Jesus zur feierlichen Proklamation seines Königtums, seiner Macht und Würde aus. Er bekennt sich vor Pilatus als König. „Du bist also doch ein König?“ fragt der Prokurator. „Ja, du sagst es, ich bin ein König.“ Ohne Abschwächung und ohne Deuteln fügt er hinzu: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe.“ Und gleichzeitig erklärt er, wer seine Angehörigen, seine Untertanen, die Glieder seines Reiches sind: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“, d.h. er unterwirft sich mir. Dieses Bekenntnis geschah in einem öffentlichen Prozess, also vor aller Welt. Jeder konnte es hören: Juden und Heiden, das Volk von Jerusalem und die Besatzungstruppen. Die Zeitzeugen haben gut aufgepasst und Jesus verstanden. Die Soldaten, die Jesus vor der Hinrichtung verspotteten, zollten seiner Herrschaft Anerkennung – ungewollt. Sie legten ihm einen Purpurmantel um, wie die Könige ihn tragen. Sie gaben ihm ein Zepter in die Hand, wie es die Könige führen. Und sie beugten die Knie vor ihm und sprachen: „Sei gegrüßt, König der Juden!“ Damit bezeugten sie seinen Anspruch, ein König zu sein. Und der Prokurator Pontius Pilatus trug dafür Sorge, dass der Herrschaftsanspruch Jesu in den Titulus, der über dem Kreuz angebracht war, einging. Da hieß es: „Dieser ist der König der Juden.“ Als solcher wurde er auch von den Umstehenden angesprochen: „Wenn du der König der Juden bist, steig herab vom Kreuze, rette dich selbst!“
Die junge Christenheit hat ihren König nicht vergessen. Seine Würde ist eingegangen in die Schriften des Neuen Testamentes. Johannes nennt Christus in der Apokalypse den „Gebieter der Könige der Erde“, also nicht irgendeinen von den anderen Königen, sondern den Gebieter aller Könige, den König der Könige, den Herrn der Herrscher. Sein Königtum ist einzigartig und unvergleichlich. Die Kirche hat das Selbstzeugnis des Herrn und das Zeugnis der Zeitgenossen aufgenommen. Im apostolischen Glaubensbekenntnis bezeugt sie sein Königtum: „Sitzet zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Und im Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis wird die ewige Dauer des Königtums Christi verkündet: „Seines Reiches wird kein Ende sein.“
Wir fragen jetzt, um das Königtum Jesu zu verstehen, erstens: Welches ist seine Wurzel? und zweitens: Welches ist sein Inhalt? Woher kommt denn das Königtum Jesu? Warum ist er denn König? Wer hat ihn zum König gemacht? Das Königtum Jesu des Gottmenschen hat zwei Wurzeln. Erstens die hypostatische Union und zweitens das Werk der Erlösung. Christus hat die Königwürde und Königsherrschaft kraft seines Wesens und seiner Natur. Sie gründet auf der wunderbaren Vereinigung einer menschlichen und einer göttlichen Natur in der göttlichen Person, in der hypostatischen Union. Göttliche und menschliche Natur sind vereinigt in der Person des Sohnes Gottes, und das nennt man hypostatische Union. Und daraus folgt – weil er ja Gott ist –, dass er von den Engeln und Menschen angebetet wird und dass seiner Herrschaft die Engel und die Menschen im Gehorsam unterworfen sind. Allein schon aufgrund der hypostatischen Vereinigung besitzt Christus die Herrschergewalt über die gesamte Schöpfung. Zweitens ist Christus König kraft erworbenen Rechtes. Er ist oberster Herr aller Menschen durch seine Erlösung. Er hat die ganze Welt, die ganze Menschheit aller Zeiten losgekauft von der Herrschaft des Satans, sie befreit und sich zum Eigentum erworben, und deswegen ist er ihr Herrscher, ist er ihr König; ihm sind alle Menschen verpflichtet.
Welches ist nun der Inhalt des Königtums? Aufgrund der hypostatischen Union besitzt Christus nicht bloß eine indirekte, sondern eine direkte Gewalt über alles Geschaffene. Indirekte Gewalt besagt, dass er die Weisungsbefugnis besitzt, das Recht, Anordnungen zu treffen, verbindliche Normen aufzustellen für den Menschen und für die Natur. Die direkte Gewalt über das Irdische und Zeitliche besteht darin, dass er die Welt lenkt und leitet, dass er der Herrscher der Welt ist. Es ist eine ganz falsche Auffassung, Christus lediglich als den zu sehen, der für Religion und Kirche, Glauben- und Sittenlehre zuständig ist. Gewiss, er ist unser Herr und Heiland, aber eben nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern im ganzen Bereich unseres Lebens und unseres Wirkens. Er ist ja der Schöpfer, der Erhalter, der Herr, und deswegen sagt Johannes im Prolog seines Evangeliums: „Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist nichts geworden“, d.h. das Wort Gottes, der LOGOS, ist der Mittler der Weltschöpfung und damit auch der Herr der Welt. Als Gottmensch hat Christus höchstes und absolutes Herrscherrecht über alles Geschaffene. Wir beten im Brevier Jesus an als „universorum regem“, als den König des Weltalls. Er hat während seines irdischen Lebens davon keinen Gebrauch gemacht, denn er hat ja seine Dienstmänner, hat die Ausübung der irdischen, der weltlichen Herrschaft den Herrschern auf Erden übertragen, die Regierenden der Erde sind seine Dienstmänner. Wenn sie ihre Aufgabe richtig verstehen, dann begreifen sie sich als Angestellte Gottes, als Angestellte Jesu, als Angestellte seines Reiches. Und nach seinem Willen und Gesetz sollen sie ihre Herrschaft ausüben. Christus will durch sie die Erde regieren. Wenn sie ihr Amt und ihren Dienst richtig verstehen, dann begreifen sie sich als Ausführungsorgane des Königtums Christi. Jesus will unmittelbar – und das bewegt uns natürlich als Christen in ganz besonderer Weise – ein geistiges Königtum, in das die Menschen durch Glauben und Taufe eintreten. In dieser Absicht hat er vor Pilatus den überirdischen Charakter seines Reiches betont: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, d.h. es ist nicht irdischer Art. Es existiert zwar in dieser Welt, aber es gehört wesensmäßig nicht zu ihr, genauso wie er und die Seinen nicht zur Welt gehören. Dafür ist die Tatsache ein vollgültiges Zeugnis, dass seine Diener für ihn gekämpft hätten, um ihn nicht in die Hände seiner Feinde fallen zu lassen.
Als geistiger König, als König seines geistigen Reiches, also der Kirche, ist seine Herrschaft dreifach gegliedert. Es ist ein Königtum im Reich der Gnade. Denn alle Gnaden kommen von Christus, alle Gnaden sind Christusgnaden. Die Fülle der Gnaden gründet in der hypostatischen Union Christi, also der Verbindung von Gottheit und Menschheit. Von ihm, dem König und Haupt, strömt die Gnade auf die Glieder seines mystischen Leibes über. Im Prolog seines Evangeliums bekennt Johannes: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, voll der Gnade und Wahrheit.“ Die Gnade geht auch zu denen, die noch nicht zu seinem Reiche gehören, die nicht seinem Leibe angehören, auf dass sie zu diesem Leibe finden mögen. Sie sollen durch die Gnade zum Anschluss an Jesus und sein Reich bewogen werden. Sodann ist sein Königtum ein Reich des Gesetzes. Alle müssen ihm gehorchen; er ist Gesetzgeber. Das Konzil von Trient hat gegen Herrn Luther definiert: „Christus ist den Menschen nicht nur als Erlöser, sondern auch als Gesetzgeber gegeben.“ Denn Luther leugnete es, dass Jesus ein Gesetzgeber ist. Er behauptete, Jesus habe nur Verheißungen gegeben, keine Gebote. Die gesetzgebende Gewalt hat Christus ausgeübt in der Verkündigung des Grundgesetzes seines Reiches, also der sittlichen Forderungen, wie sie z.B. in der Bergpredigt enthalten sind, und in der Organisation des Gottesreiches auf Erden, der Kirche. „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Alle sittlichen Gesetze, die den Menschen zur Befolgung gegeben sind, sind Ausfluss der Gesetzgebung Christi. Und auch die Verfassung der Kirche hat ihren Ursprung im gesetzgeberischen Willen Jesu. Schließlich ist sein Königtum auch ein solches des Gerichtes. Ein König muss Richter sein, er hat die Gerichtsgewalt. Der Vater richtet niemand, denn er hat alles Gericht dem Sohn übertragen. Christus hält jetzt schon, jetzt schon! Gericht. Im Glauben an ihn oder im Unglauben, da vollzieht sich das Gericht. Wer an den Sohn Gottes glaubt, wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet. „Das ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht.“ An anderer Stelle erklärt er: „Zum Gericht bin ich in die Welt gekommen, damit die, welche nicht sehen, sehend werden, und die, welche zu sehen scheinen, blind werden.“ Dieses Gericht erreicht seinen Gipfel in der Ermordung des Messias und Gottessohnes. Jetzt ist das Gericht dieser Welt, jetzt – nämlich durch die Todesdrohung und das Todesopfer – wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen. Dem Gericht in der Gegenwart folgt das Gericht in der Zukunft. Es besteht aus einem persönlichen und einem allgemeinen Teil. Der persönliche Teil geschieht nach dem Tode, der allgemeine Teil bei der allgemeinen Auferstehung. Das Urteil, das über den Menschen vom Gottessohn gefällt wird, wird sofort vollstreckt. „Diese (die Bösen) werden eingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“ Zu diesem Richter, meine lieben Freunde, flehen wir – und werden es bald wieder am Mittwoch tun – in der Messfeier für die Verstorbenen: „König schrecklicher Gewalten, frei ist deiner Gnade Schalten, Gnadenquell, lass Gnade walten!“
Die alte Kirche schuf einst auf der Höhe des Martyriums ein Christkönigsfest, nämlich das Fest Epiphanie, Erscheinung des Herrn, an dem ja die Erstlinge der Heidenwelt sich vor dem Herrscher neigten. Papst Pius XI. hat uns an der Schwelle einer neuen Weltzeit 1925 ein neues Christkönigsfest geschenkt. In einer Zeit, die ganz verweltlicht ist, tritt der König vor uns, der nie gestürzt werden kann und der bleibt, auch wenn alles sich gegen ihn auflehnt. „Ja, ich bin ein König“, so spricht der Herr, gefesselt, verlassen, verraten, verleugnet vor Pilatus. Sein Königtum ist göttliche Wirklichkeit. Als Pius XI. das alte Christkönigsfest der Katakomben, der Evangelien und des Völkerapostels Paulus wieder im neuen Glanze erstrahlen ließ, da fanden einige Beduinen im Wüstensand Ägyptens ein paar alte Papyrusblätter; es ist der Papyrus 52. Sie verkauften sie nach England. Erst 1935 entzifferte man diese Blätter, und man staunte, es waren Verse aus dem Johannesevangelium: „Ja, ich bin ein König.“ Hier fand sich also Vers 18,37 des Johannesevangeliums im Wüstensand Ägyptens, das älteste Blatt des Evangeliums aus den Jahren 125-130. Aus denselben Quellen, aus denen die Urkunden der zerfallenen Weltreiche der Pharaonen, der Hethiter, der Babylonier, der Ptolemäer gefunden wurden, wurde die Reichsurkunde dessen uns geschenkt, dessen Reich kein Ende kennt. Es ist der König, meine lieben Freunde, den wir bekennen, zu dem wir gehören, dem wir unterworfen sind, den wir lieben und dem wir die Treue halten wollen. Es ist der König, von dem ein moderner Dichter singt:
„Du König aller Stärke,
dem sich der Himmel neigt,
vor dessen ewigem Werke
die Welt in Andacht schweigt.
Dir wollen wir vertrauen,
du lässt nach Sturm und Streit
dein Angesicht uns schauen,
o Herr der Ewigkeit.“
Amen.