25. Oktober 2015
Christus König kraft seiner Vereinigung mit der Gottheit und dank seines Erlösungswerkes
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte zur Feier des Königtums unseres Herrn Versammelte!
Wir begehen heute das Fest Christkönig. Manche meinen, die Bezeichnung Christi als König sei nicht geeignet, den Menschen der heutigen Zeit eine Vorstellung von der Bedeutung Christi zu geben. Papst Pius XI. war anderer Meinung. Er setzte im Jahre 1925 das Christkönigsfest ein, hat also unter diesem Titel Christus erneut in das liturgische Leben der Kirche gestellt. Er hatte dafür Gründe. Von allen Begriffen und Vorstellungen, die an die Autorität Christi über die Menschen in der Welt erinnern sollen, vermag keiner und keine das zu ersetzen, was im Bild des Königs ausgesagt ist. Der König ist auf Erden Träger höchster staatlicher Gewalt; er ist der höchste Repräsentant eines Reiches; er ist Gebieter und Herr von Gottes Gnaden. In Deutschland kennen wir keinen König mehr. Wir haben einen Kanzler oder eine Kanzlerin und einen Präsidenten. Aber diese Leute sind auf Zeit berufen. Sie sind ungeeignet, als analoge Bezeichnungen für Christi Herrentum zu dienen. Demokratisch bestellte Gewaltträger kommen und gehen, sind etwas Alltägliches. Christus ist König, gewiss, ein König eigener und einziger Art. Aber der aus den irdischen Herrschaftsverhältnissen genommene Titel „König“ vermag in analoger, also ähnlich/unähnlicher Weise, in analoger Weise zum Verständnis vom Königtum Christi zu führen. Das besagt im Einzelnen: Er ist König, weil er als Mensch unter allen Geschöpfen den Vorrang hat. Seine Herrschaft ist dem Willen der Untergebenen vorgegeben. Nicht von Volksouveränität, sondern von Gottessouveränität ist hier die Rede. Bleibend und unantastbar ist sein Königtum, überragt jedes irdische Herrschaftsverhältnis, tritt auch mit keinem in Konkurrenz. Seine Macht stammt nicht von unten, sondern von oben. Sie ist voll und unbegrenzt, sie nimmt nicht ab und sie nimmt nicht zu, sie überspannt jede Zeit, sie ist ewig. Welches ist der Inhalt des Königtums Christi? Das Königtum Christi besagt die dem Gottmenschen eignende Herrschermacht und Herrscherwürde über die gesamte Schöpfung – und natürlich auch über die gesamte Menschheit. Er besitzt alle Befugnisse des Herrschers: Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung. Das Königtum Christi bezeichnet inhaltlich dasselbe wie die Bezeichnung Christi als des Hirten. Dadurch wird das Königtum Christi als Herrschaft im Dienste des Heils der Beherrschten gekennzeichnet. Wir bekennen das Königtum Christi in unseren Glaubensbekenntnissen: „Er sitzet zur Rechten Gottes“, weil er ein König ist, „seines Reiches wird kein Ende sein“. Der Glaube an das Königtum Christi ist nicht neu; er ist so alt wie das Christentum. Das heutige Fest stellt das Königtum Christi als Thema der Festfeier vor, aber es ist nicht die einzige Gelegenheit, um das Königtum Christi zu feiern. Das Motiv des Königtums Christi tritt auch bei anderen Gelegenheiten hervor: am Fest der Erscheinung des Herrn: „Wir sind gekommen, dem neugeborenen König der Juden zu huldigen“, am Palmsonntag breiten die Kinder die Palmen aus und singen: „Heil dem König Israels“, in der Kreuzverehrung des Karfreitags beten wir zu Christus als dem König, am Fest Christi Himmelfahrt wird seine glorreiche Verherrlichung, seine Aufnahme in das Königtum des Vaters begangen, in jedem Gloria und in jedem Te Deum rühmen wir Christus als König der Herrlichkeit.
Welches sind die Wurzeln des Königtums? Wie kommt er zu seinem Königtum? Der Papst Pius XI. führt das Königtum Christi auf zwei Wurzeln zurück. Erstens: auf die hypostatische Union, und zweitens: auf das selbst erworbene Recht des Werkes der Erlösung. Das Königtum Jesu ist also zuerst begründet worden mit seiner Menschwerdung. Er wurde als Mensch durch die hypostatische Vereinigung seiner Menschennatur mit der zweiten göttlichen Person König. Gott hat die ganze Fülle in ihm wohnen lassen, d.h. durch seine Würde als zweite Person in Gott, als der LOGOS, der sich eine menschliche Natur angeeignet hat, wird dieses Menschsein zum Königtum erhoben. Er wird über jede Macht und Herrschaft auf Erden gestellt. Jetzt kann Jesus sagen: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden“, jetzt kann er sagen: „Was mein Vater mir gegeben hat, ist größer als alles.“ In der Fußwaschung, am Abend vor seinem Leiden, nahm Jesus in dem Bewusstsein, dass der Vater „alles in seine Hände gegeben“ hatte, diesen demütigen Dienst auf sich. „Der Vater richtet keinen; er hat das ganze Gericht dem Sohn übergeben.“ Mit dem Königtum Jesu sind die Verheißungen des Alten Bundes erfüllt. Die Propheten sprechen dem Messias die Königswürde zu. Sie schildern die Vorzüge des messianischen Reiches in glühenden Farben, oft unter dem Bilde der Verherrlichung Sions, der Messias wird bezeichnet als der Erbe des Thrones Davids. Der Messias erschien tatsächlich als König und Davids Erbe, aber unter Verzicht auf äußeren Pomp, unter Verzicht auf Anstrebung weltlicher Macht. Jetzt gelten von ihm die Aussagen, die sich in den Briefen an die Kolosser und an die Hebräer finden. „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, Erstgeborener vor aller Schöpfung, denn in ihm wurde alles erschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen.“ „Er ist der Abglanz der Herrlichkeit Gottes und das Gepräge seines Wesens“, heißt es im Brief an die Hebräer. „Er trägt das All durch das Wort seiner Kraft und sitzt zur Rechten der Erhabenheit in der Höhe.“ Unter dem Titel des Königs wurde Christus vor seiner Geburt angekündigt, von den Weisen gesucht, im Himmel verherrlicht. In seiner eigenen Verkündigung erscheint Christus zunächst als Herold des Königs. Er ruft ja die Gottesherrschaft aus: „Tut Buße, gekommen ist die Herrschaft Gottes!“ Aber die Verwirklichung dieser Herrschaft ist ja in seine Hände gelegt, sie beginnt ja mit seiner Erscheinung, er ist ja selbst der Kernpunkt und der Mittelpunkt dieser Herrschaft, und deswegen nennt er sich selbst „König“. Furchtlos bekennt er vor Pilatus, er, der Misshandelte, der Verspottete, er, der Angespuckte, er bekennt vor Pilatus: „Ich bin ein König.“ Und so wahr er dieses Wort gesprochen hat, so wahr wird es uns bezeugt durch die Soldaten, denn sie verspotten ihn als König. Sie haben also gehört, welchen Anspruch er erhebt. Und noch am Kreuze wird sein Königtum bezeugt: Hier hängt Jesus, der Nazarener, der König der Juden.
Der zweite Grund, weshalb Christus König genannt wird, liegt in dem Werk, das er verrichtet hat. Es ist die von ihm vollbrachte Erlösung. Der Begriff „König“ wird angewandt, um die soteriologische Funktion Christi zu bezeichnen, um sein Erlösertum zu deuten. „Der himmlische Vater hat uns errettet aus der Gewalt der Finsternis und in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt“, so haben wir heute in der Epistel gehört – in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt. Der König der Dornen ist der König des Weltalls. Er erklärte: „Ich werde, wenn ich erhöht bin, alles an mich ziehen.“ „Das sagte er“, schreibt Johannes, „um anzudeuten, auf welche Weise er sterben würde.“ Das ganze Leben Jesu war von erlöserischer Kraft. Aber das Erlösertum Jesu hat seinen Gipfel erstiegen, als er am Kreuze hing. Und am Kreuze hat er sich sein Volk erworben. Am Kreuze hat er sich die Erlösten geschaffen, da hat er sie in sein Reich geführt. Seitdem sind alle Erlösten diesem König zugehörig und unterworfen. Christus betrachtet die Hingabe seines Leibes und seines Lebens als Lösepreis anstelle vieler. Er hat sie ausgelöst, er hat sie losgekauft, jetzt gehören sie ihm. Er hat sie aus der Gewalt der Finsternis entrissen und mit Gott, dem Vater, versöhnt. Durch seinen Loskauf hat er die erlöste Menschheit für sich erworben, sie seinem Königtum unterstellt; nun gehören ihm die Erlösten. Gegenüber Pilatus drückt Christus diesen Zusammenhang mit den Worten aus: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ Mit dem Hören der Stimme ist die Unterworfenheit unter seine Herrschaft gemeint, ist die Zugehörigkeit zu seinem Reiche ausgedrückt. Wer auf Christi Stimme hört, erkennt sein Königtum an.
Noch ist Christi Königtum verborgen, offenbar dem Glauben, unerkennbar für den Unglauben. Aber dabei wird es nicht bleiben. Seine unbeschränkte Ausübung – im Besonderen auch der richterlichen Gewalt – ist nur verschoben bis zu seiner endzeitlichen Verherrlichung. Diese Verherrlichung begann mit seiner Auferstehung und Himmelfahrt und sie dauert fort im Sitzen zur Rechten des Vaters. Aber er wird sich erheben, er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Gott hat dem Apokalyptiker Johannes gewährt, einen Blick in diese Zukunft zu werfen. Johannes, der Verbannte auf der Insel Patmos, schaute den Himmel offen. Er sah ein weißes Pferd, und den Reiter, der darauf saß und der „Treu und Wahrhaftig“ heißt. Er war angetan mit einem in Blut getauchtes Gewand, sein Name heißt: „Das Wort Gottes“. Aus seinem Munde erging ein scharfes Schwert, dass er mit ihm die Nationen niederschlage und sie mit eisernem Stabe weide. Auf seinem Gewande trug er einen Namen: „König der Könige und Herr der Herren!“ Das hat Johannes gesehen, und so wird es geschehen: Jesus wird kommen, um das Weltall seiner Vollendung entgegenzuführen und alles dem Vater zu übergeben, aber auch um Gericht zu halten über Lebende und Tote.
Der Heilige Vater, Papst Pius XI., beabsichtigte mit der Einführung des Christkönigsfestes, die Anerkennung der Herrschaft Christi in Familie, Gesellschaft und Staat zu fördern. Christus ist kein Schattenkönig. Seine Herrscherstellung hat obligatorischen Öffentlichkeitscharakter. Er herrscht über alle Dimensionen der menschlichen Existenz: über den leiblichen und den geistigen, über den religiösen und den sittlichen, über den privaten wie den öffentlichen Bereich. Es ist ein schwerwiegender Irrtum, zu sagen: Religion ist Privatsache. Das Gegenteil ist richtig: Religion ist öffentliche Sache. Christus will herrschen, nicht nur im Herzen des einzelnen Gläubigen, nein, auch in der Gesellschaft, auch im Staat. An uns, meine lieben Freunde, ist es, das Königtum Christi in unserem Denken, Wollen und Handeln sichtbar zu machen. Am vergangenen Freitag war ich im Kaufhaus Karstadt. An der Kasse saß eine Verkäuferin, die ein Kreuz um den Hals trug. Es war eine Ausländerin, eine Irakerin. Ich fragte sie: „Sind Sie Christin?“ Darauf antwortete sie stolz: „Ich bin eine Christin und streng katholisch.“ In dieser festlichen Stunde wollen wir uns zu Christus, unserem König, wenden und ihm geloben:
Herr Jesus Christus, unser König und Herr,
lass uns treue Glieder deines Reiches sein.
Lass uns dir dienen mit Herz und Hand.
Lass uns für dich arbeiten, kämpfen und leiden.
Lass uns dir Ehre einlegen und deine Bekenner sein.
Lass wahr werden, was auf dem Obelisken am Petersplatz in Rom, steht:
„Christus regiert, Christus siegt, Christus triumphiert“.
Amen.