Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
7. Januar 2024

Das Licht der Welt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Mai 1927 überquerte Charles Lindberg zum ersten Mal mit einem Flugzeug den Atlantik. In 33½ Stunden legte er den Weg von New York nach Paris zurück. Am Abend des 21. Mai war ganz Paris in höchster Aufregung, zumal knapp zwei Wochen zuvor zwei französische Flieger den gleichen Versuch gemacht hatten, aber verschollen waren. Als es dunkel war, begannen die Scheinwerfer zu spielen und suchten am Himmel nach dem Abenteurer. Alle zwei Minuten stieg eine Rakete in die Nacht, damit sie Lindberg den Weg zeigen. Das Kunstfeuerwerk von Le Bourget begann zu arbeiten. Der gewaltige Leuchtturm von Mont Valerien setzte ein. Unter dem Jubel der Menschen landete Lindberg wohlbehalten in Paris. Dieses Feuerwerk am Himmel wies dem kühnen Ozeanflieger das Ziel. Auch Gott entzündete über der Wiege seines Sohnes ein Flammenzeichen am Himmel, um den Weisen aus dem Morgenland den Weg zu Jesus zu zeigen. Viele haben gerätselt, wie dieses Licht am Himmel zu erklären sei. Die einen sahen in dem Stern einen Kometen, vielleicht den Halleyschen Kometen. Dieser Himmelskörper ist ein periodischer Komet mit einer Umlaufzeit von rund 76 Jahren. Seine nächste Wiederkehr ist im Jahre 2061. Andere erklärten das Licht, das den Weisen den Weg wies, als eine merkwürdige Stellung von Planeten. Es habe sich um eine Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische im Jahr 7 vor der Zeitwende gehandelt. Eine dritte Gruppe sieht in der Himmelserscheinung eine extrem enge Begegnung des Jupiters mit der Venus am 17. Juni des Jahres 2 vor der Zeitwende. Wieder andere meinen, dass Gott ein künstliches Licht über dem neugeborenen Kind entzündete. Der große Astronom Johannes Kepler sah in der Lichterscheinung einen Wunderstern. Wir werden uns begnügen zu wissen, dass nach dem biblischen Bericht ein Stern die Weisen aus dem Morgenland zu dem Sohn Marias wies. „Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn, den neugeborenen Königssohn, anzubeten.“ Die Weisen aus dem Morgenland sind Gottsucher und Gottfinder und als solche für uns und für alle Zeiten Vorbilder.

Gott lässt sich suchen. Aber dieses Suchen ist nicht ohne Schwierigkeiten. Stellen wir uns vor, wie es den Weisen zumute gewesen sein mag, als sie in Jerusalem einzogen. Sie hatten wohl erwartet, die stolze Königstadt in Jubel und Freude zu finden über die Geburt des so lange erwarteten Königssohnes. Doch welche Enttäuschung! Mit abweisender, kalter Miene wurden sie empfangen. Niemand wusste etwas oder wollte auch nur etwas wissen von dem neugeborenen König der Juden. In dem König Herodes fanden sie einen finsteren Tyrannen, der um dieses Kindes willen zahlreiche Kinder umbringen ließ, damit auch ja dieses Kind dabei sei. Zu alledem zeigte sich der Stern nicht mehr, der ihnen den Weg gewiesen hatte. Aber so unheimlich es auch den Weisen im Palast des Herodes zumute war, so ungemütlich sie sich vor den düster blickenden Schriftgelehrten gefühlt haben mögen, so unglücklich sie auch gewesen sein mochten über das Verschwinden des Sternes, sie verloren den Mut nicht. Sie wurden Herr über die dunklen Stunden und zogen weiter, unbeirrt, nach Bethlehem. Und siehe da, der Stern zeigte sich von neuem und wies ihnen den Weg. Darin liegt eine Lehre für uns. Wer nach Bethlehem gehen will, darf sich nicht in Jerusalem irremachen lassen. Wer zu Gott kommen will, darf sich nicht durch Enttäuschungen und Widerwärtigkeiten der Welt Mut und Vertrauen nehmen lassen. O gebenedeiter Glaube der Weisen aus dem Morgenlande! Wollen auch wir unbeirrt mit den Augen des Glaubens schauen, was die Augen des Leibes nicht fassen, damals Jesus in Menschengestalt und heute Jesus in Brotsgestalt. Wo die Augen des Leibes nichts sehen als Nacht und Rätsel, da sehen wir mit den Augen des Glaubens die Unbegreiflichkeiten göttlicher Fügungen.

Doch schließlich hieß es bei den Weisen aus dem Morgenland: „Als sie Jesus fanden, da empfanden sie eine übergroße Freude.“ Die Gottsucher wurden frohe Gottfinder. Sie schauten in dem bethlehemitischen Kind ihrem Gott ins Auge und wurden dabei selig. Der Mensch will nicht bloß wissen, dass Gott lebt. Er will ihn auch sehen. Ihn sehen, mit eigenen Augen. Was die Menschen heiß ersehnten, seitdem sich das Paradies für immer geschlossen hat, jetzt ist es Wirklichkeit geworden: Gott wird sichtbar. Darum singt die Kirche jubelnd in der Weihnachtsmesse: Wir erkennen Gott in sichtbarer Weise (deum visibiliter cognoscimus). Ähnlich heißt es in der Messe von Epiphanie: „Auf! Werde licht, Jerusalem! Die Herrlichkeit des Herrn ging strahlend auf über dir.“ Gott sehen – die große Sehnsucht der Schöpfung. Die Weisen sahen ihn als Kind, die Schriftgelehrten als zwölfjährigen Knaben, die Apostel als Mann, schlafend im Schifflein, weinend am Grab des Lazarus, zitternd im Ölgarten, verklärt kraft der Auferstehung. Gott schauen – dereinst unser ewiges Entzücken im Himmel!

Die Weisen aus dem Morgenland durften Jesus finden. Doch auch wir können ihn finden. Jede heilige Messe ist eine Epiphanie Gottes. Jede katholische Kirche ist ein Bethlehem, ein „Haus des Brotes“. Jesus im Altarsakrament: das Wunderbrot des Glaubens und das Wanderbrot des Lebens! Es ist einzig und allein in der katholischen Kirche zu finden. Die katholische Religion ist der einzige religiöse Verband, in dem Gott wirklich und wahrhaftig gegenwärtig ist. Welches Glück, dieser Religion anzugehören!

Der Tag der Erscheinung des Herrn wurde jahrhundertelang hauptsächlich als Tag der Taufe Christi und als allgemeiner feierlicher Tauftag begangen. Noch heute findet an diesem Tag eine feierliche Wasserweihe statt und der Priester setzt an, die Wohnräume mit geweihtem Wasser zu besprengen. Der heutige Tag mahnt auch an unsere Taufe. „O Tag meiner Taufe, wie bist du mir lieb, da Gott meinen Namen ins Herz sich schrieb, als Jesus mir heimlich zu Häupten stand und erstmals mich führte ins Gnadenland. O lass mich bewahren der Taufe Kleid, darin will ich fahren zur Seligkeit.“

Leider gibt es viele, die Gott nicht suchen und ihn nicht finden wollen. Das sind unglückliche, bedauernswerte Menschen. Wer seinen Glauben verloren hat, ist, auf der übernatürlichen Ebene, wie jemand, auf der natürlichen Ebene, der seinen Verstand verloren hat. Aber jeder Mensch, auch der ungläubige, behält eine ihm vielleicht unbegreifliche Unruhe zu Gott. Seine Seele ruft nach Gott, gleichgültig, ob er den Ruf vernimmt oder ihn überhört. Gott suchen ist der Sinn unseres Lebens. Gott finden ist der Sinn unseres Sterbens. Gott schauen ist unsere ewige Freude. Vor über 2000 Jahren hat ein Stern die Weisen aus dem Morgenland zum Gotteskind geführt. Gott sendet heute keinen Stern mehr, der den Gottsuchern den Weg weist. Aber er hat seine Gläubigen, von denen er sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Wir sollen den Gottsuchern Weg zu ihm sein. Uns soll man ansehen, an uns sollen die Menschen erfahren, was es heißt, von dem himmlischen Licht des Gottessohnes erleuchtet zu sein. Es gibt drei Arten von Menschen: Die einen dienen Gott, weil sie ihn gefunden haben. Die anderen suchen ihn, weil sie ihn noch nicht gefunden haben. Die dritten aber leben dahin, ohne ihn zu suchen und ohne ihm zu dienen. Die ersten sind vernünftig und glücklich. Die zweiten vernünftig und unglücklich. Die dritten unvernünftig und unglücklich (Pascal).

Ich bin immer wieder erstaunt, mit welchen kümmerlichen, fadenscheinigen Gründen katholische Christen ihren Gottesdienstbesuch einstellen, der Kirche den Rücken kehren, das Gebet aufgeben. Was machen sie geltend für ihr Verhalten? Dass Priester versagen. Dass Bischöfe führungsschwach sind. Dass der Papst das Regieren nicht gelernt hat. Es gibt Defizite in der Verkündigung und der Lehre. Es gibt Mängel in der Feier des Gottesdienstes und der Sakramente. Alles zugegeben. Aber solange diese Personen ihr Amt als Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes verrichten, haben wir Pflicht und Schuldigkeit, ihrem Angebot, das Evangelium zu hören und die Sakramente zu feiern, zu folgen. Hängt denn der Glaube von den Priestern ab? Entnehmen wir ihn nicht den zweitausend Jahre alten Evangelien? Den exakten Katechismen von Canisius über Bellarmin bis zum Katechismus der katholischen Kirche unserer Tage? Wir sind und bleiben doch in der Kirche, weil wir darin die Wahrheit und Gnade Gottes finden. Es wäre ungerecht und falsch, zu sagen: In der katholischen Kirche unserer Tage sind Gottes Wahrheit und Gnade nicht mehr zu finden. Diese Kirche bleibt, aller Unzulänglichkeit der Menschen zum Trotz, Gottes Gemeinde und Heilsanstalt. Ihr heiligen Gottsucher und Gottfinder aus dem Heidenland, helft uns, die durch Unglauben aus den Fugen geratene Welt gläubig, glücklich, christlich zu machen.

Amen.

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