Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. Oktober 2023

Christus der König

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das Evangelium der heutigen Messe ist durch ein dramatisches Verhör bestimmt. Da steht Christus vor dem Vertreter des römischen Kaisers. Der Mensch gewordene Gottessohn muss sich vor einem menschlichen Gericht verantworten. Die Anklage gegen Jesus lautet auf Machtanmaßung. Der Evangelist Lukas gibt am ausführlichsten an, was seine Feinde gegen ihn vorbrachten: „Er wiegelt unser Volk auf und verbietet, dem Kaiser Steuern zu zahlen; auch behauptet er, er selbst sei der Messiaskönig.“ Diese Anklage musste der Prokurator ernst nehmen. Denn sie betraf die römische Herrschaft in Palästina. Aufwiegelung des Volkes und geplante Aufrichtung einer eigenen Obrigkeit waren Vorwürfe, die der Vertreter der römischen Besatzungsmacht nicht hingehen lassen konnte. Erst recht musste der Anspruch, ein König zu sein, ihn aufhorchen lassen. Ein Thronprätendent war ein Konkurrent des römischen Kaisers, dessen Repräsentant in Palästina der Prokurator war. Alle vier Evangelisten bringen in wörtlicher Übereinstimmung daher die entscheidende Frage des Pilatus in dem Verhör Jesu: „Bist du der König der Juden?“ Die Antwort Jesu darauf ist eindeutig: „Ja, ich bin es.“ Es gibt keine andere Stelle im Neuen Testament, die so einfach und fasslich das Königtum Jesu verdeutlicht wie diese. Jesus fühlt sich verpflichtet, dem Pilatus Aufschluss über sein Königtum zu geben. Der König ist normalerweise der Träger oberster staatlicher Gewalt und höchster Repräsentant in der Monarchie. Er regiert das Land, erhebt Steuern, spricht Recht und unterhält die bewaffnete Macht. Ein solches Königtum weist Jesus ab. „Mein Reich ist nicht aus dieser Welt.“ Dafür gibt es einen unwiderlegbaren Beweis. „Wäre mein Reich aus dieser Welt, dann würden wohl (bei der Gefangennahme) meine Knechte gekämpft haben, dass ich nicht den Juden überliefert worden wäre.“ Aber das ist nicht geschehen. „Nun aber ist mein Reich nicht daher.“ Jesus bestreitet nicht, dass er einen Herrschaftsbereich, ein Reich besitzt. Damit bejaht er mittelbar den Anspruch, ein König zu sein. Pilatus hat ihn recht verstanden. Darum fragt er noch einmal: „Du bist also doch ein König?“ Jesus nimmt nichts zurück. Er ist ein König. Ein König im Reich der Wahrheit. Darin liegt seine Existenzberechtigung. „Dazu bin ich geboren und dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe.“ Das heißt: Als der Gesandte Gottes verkündet er die göttliche Offenbarung und ruft die Welt zur Stellungnahme für oder gegen sie auf. Er ist der Lehrer der göttlichen Offenbarung, der sich alle Menschen, die seine Botschaft hören, unterwerfen müssen. Er verkündet die Gottesherrschaft, die in seinem Wirken schon Gegenwart zu werden beginnt. Er verkündet die Königsherrschaft Gottes, die mit seinem Kommen angebrochen ist. Dieses Reich hat seine Angehörigen, seine Bürger, die ihm untertan sind. Alle, die „aus der Wahrheit (oder aus Gott) sind“, d.h. sich durch Gottes Offenbarung bestimmen lassen, hören auf ihn und seine Verkündigung und erkennen ihn als den Gesandten Gottes an. Diese sind die Glieder seines Reiches. Die Antwort des Pilatus auf diese Enthüllung ist die ratlose Äußerung: „Was ist Wahrheit?“ Damit kann er nichts anfangen. Er versteht etwas von Macht und Gehorsam, aber Wahrheit ist ihm fremd. Doch Pilatus erkennt in dem Verhör Jesu, dass die gegen ihn erhobenen Anklagen haltlos sind. Er sieht in Jesus einen harmlosen Schwärmer. Der Mann ist keine Gefahr, weder für die römische Besatzungsmacht noch für das jüdische Volk. Daher hätte er ihn freilassen müssen. Er hat es auch versucht, ihn vor der Wut seiner Ankläger zu retten. Er hat es mehrfach versucht. Doch dann knickt er ein. Aus Angst. Aus Feigheit. „Wenn du diesen freigibst, bist du kein Freund des Kaisers.“ Das Ansehen, die Karriere, die Stellung des Pilatus ist in Gefahr. Dieses Argument zählt. Pilatus will nicht verlieren seine Position, sein Renommee am Kaiserhof. So gibt er nach.

Wir Christen sind anderer Ansicht als Pilatus. Wir bekennen uns zu Christus als unserem Herrn. Ja, Christus ist unser König. Eingesetzt vom himmlischen Vater als Sohn Gottes, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden. Durch den Empfang des Taufsakramentes sind wir Bürger seines Reiches geworden. Ihm sind wir zugehörig und verpflichtet. In seinem Namen und unter seinem Banner bekennen wir die Wahrheit, deren König er ist. In den letzten Jahrhunderten haben sich die Streiter für Christi Wahrheit regelmäßig ausgewiesen mit dem Ruf: Christus ist unser König. Ich erwähne zwei Länder: Mexiko und Spanien. Seit 1821 war die innere Geschichte Mexikos ein Gewirr von Kämpfen, Aufständen, Revolutionen, Bürgerkriegen und Kirchenverfolgungen. Die päpstliche Jurisdiktion wurde für aufgehoben erklärt, das Kirchengut beschlagnahmt, die staatsbürgerlichen Rechte des Klerus wurden beschränkt, die Schulen religionslos gemacht. Sakrilegische Verbrechen, Erpressungen, Misshandlungen und Morde brachten das Land zeitweise dem Untergang nahe. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tobte eine regelrechte Christenverfolgung. Hunderte von Priestern und Tausende von Klosterfrauen wurden vertrieben. Gegen Übertretungen der ungerechten Gesetze und Maßnahmen gingen Polizei und Soldaten mit schwersten Strafen, grausamen Martern und selbst mit Tötung vor. Die Kirche Mexikos wurde zur Katakombenkirche. Heldenmütig starben Priester, Ordensleute und Laien für den Glauben, eine große Zahl nach grauenvoller Misshandlung. Die gläubigen katholischen Christen bewiesen ihre Glaubenstreue und führten ihren Kampf gegen das namenlose Unrecht im Zeichen und unter Ausrufung von Christus dem König. Sie ertrugen die ihnen zugefügten Peinigungen mit dem Bekenntnis zum König Christus. Sie starben unter den Gewehrsalven mit dem Ruf: Es lebe Christus unser König. Einige Beispiele von vielen: In der Stadt Léon wurde der Vorsitzende einer katholischen Arbeitergruppe festgenommen. Der General fragte ihn, ob er ein Führer der Gruppen sei, die rufen: „Es lebe Christus der König.“ Er antwortete: Ja, denn Christus ist König und herrscht. Der General versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Drei Tage später wurde der Arbeiter zur Hinrichtung geführt. „Es lebe Christus der König“ war sein letztes Wort. In einer anderen mexikanischen Stadt weigerte sich ein achtzehnjähriger Jüngling zu rufen: „Nieder mit Christus“. Die Soldaten ergriffen ihn, banden ihn an einen Lastwagen, fuhren los und schleiften ihn zu seinem Elternhaus. Dort forderten sie ihn erneut auf: Nieder mit Christus zu rufen. Der Jüngling rief mit dem letzen Aufgebot seiner Kraft: „Es lebe Christus, der König.“ Dann ging er ein in sein himmlisches Reich. Der Automechaniker Salvador Huerta Gutiérrez, Vater von zwölf Kindern, der täglich die heilige Messe besuchte, rief vor seiner Hinrichtung: „Es lebe Christus der König und die Jungfrau von Guadalupe. Erschießt mich, damit ich für Gott sterben kann, weil ich ihn liebe.“

Ähnlich wie in Mexiko war die Lage in Spanien. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts drohte das Land unter der sozialistischen und liberalistischen Regierung in Anarchie zu versinken. Enteignungen und Gewalttaten, Überfälle und Ermordungen waren an vielen Orten alltäglich. Die erbitterte Feindschaft der Regierung und ihrer Organe richtete sich gegen die katholische Kirche und den Klerus. Die Religion war in Gefahr. Kirchen und Klöster wurden in Brand gesteckt. Priester, Mönche und Klosterfrauen vertrieben, misshandelt, getötet. Die unhaltbar gewordenen Zustände gaben den Anlass zu der Erhebung des Generals Franco und seiner Verbündeten. Sein Kampf wurde unterstützt von den gläubigen Kreisen des spanischen Volkes. Arbeiter, Bauern, Akademiker eilten zu den Waffen. Jünglinge und Knaben von vierzehn Jahren erbaten sich bei ihren Eltern die Erlaubnis, für Christus und den Glauben streiten zu dürfen. Auf der Brust eine Medaille des Herzens Jesu oder der Mutter Gottes, auf den Lippen die Worte „Es lebe Christus, der König“, „Mit Gott für den heiligen Glauben und Spanien“ zogen diese blutjungen Leute in den Kampf, jede Stunde bereit, für ihre heiligsten Güter Blut und Leben zu opfern. Die spanischen Christen gründeten ihre Treue zum Glauben auf das Bekenntnis zu Christus dem König. Sie verteidigten die heilige Religion im Namen des Königs Christus. Sie lebten, litten und starben mit dem Ruf: Es lebe Christus, der König. Im Aufschauen auf diesen König und in der Kraft seiner Gnade haben sie der Wahrheit, der heiligen Religion und ihrem Vaterland gedient. Der fromme Pfarrer Joseph Boher Foix von Pobleta de Bellveí wurde mit 49 Jahren erschossen. Kurz vor der Hinrichtung erklärte er: „Ich vergebe euch allen. Es lebe Christus der König.“ Der Jesuitenpater Tena in Villafranca sollte erschossen werden. Seine Peiniger verlangten von ihm zu rufen: „Es gibt keinen Gott.“ Der Priester lehnte ab. „Ihr könnt mir das zeitliche Leben nehmen, nicht das ewige Leben.“ Nun schritten die Feinde zur Tat. Mit gekreuzten Armen erwartete er die Kugel. Als er getroffen zusammensank, rief er mit letzter Kraft: „Es lebe Christus der König!“

Christus ist unser König. Das Mainzer Gebet- und Gesangbuch von 1952 beschrieb den Inhalt des Königsfestes Jesu mit den Worten: „Es gilt, unter der sichtbaren Leitung von Papst, Bischof und Pfarrer den Kampf zu führen gegen die allgemeine Entchristlichung. Es gilt, die Pfarrgemeinde immer enger um ihren Seelsorger zu scharen. Es gilt, dass die Gläubigen selber zu wahren Laienaposteln Christi durch Gebet und Tat werden. Wir dienen Christus, dem König der Ewigkeit, wenn wir uns in der Familie und im öffentlichen Leben zu ihm und zu seinen Grundsätzen bekennen.“ In der Zeit der Hitlerherrschaft versammelte sich die treugebliebene katholische Jugend am Dreifaltigkeitssonntag zum Bekenntnis des Gottkönigs Jesus Christus. Sie sangen das Lied: „Auf zum Schwur mit Herz und Mund, hebt die Hand zum heil’gen Bund. Was die Völker fromm gelobt, von den Feinden rings umtobt, das geloben wir aufs neue, Jesu Herz, dir ew’ge Treue. Das geloben wir aufs neue, Jesu Herz, dir ew’ge Treue!“ Lassen wir uns von dieser Jugend nicht beschämen! An uns ist es, das Königtum Christi in unseren Herzen und in unserer Kirche aufzurichten. Als mutige und getreue Gefolgsleute unseres Königs sollen wir im Leben und Kämpfen Zeugnis für ihn ablegen. Dem König aller Zeiten, dem Unsterblichen, Unsichtbaren, dem alleinigen Gott, sei Ehre und Preis in Ewigkeit.

Amen.

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