17. Januar 2016
Ehe und Glück
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
In der öffentlichen Meinung scheint der einzige Maßstab für die Ehe das Glück zu sein. Man sucht das Glück in der Ehe, und wenn es nicht gefunden wird, dann trennt man sich und setzt die Suche von neuem an. Die Lehre der Kirche verwehrt es nicht, das Glück zu suchen, sie hat sogar in ihrem Recht Sicherungen eingebaut, die sicherstellen wollen, dass der Bund fürs Leben nicht ohne die unerlässlichen Voraussetzungen eingegangen wird. Aber das persönliche Glück kann nicht die Grundlage der Ehe sein. Das gilt für das ganze Leben. Wir sind nicht auf Erden, um glücklich zu werden, wir sind auf Erden, um Gott zu dienen und dadurch uns für den Himmel zu bereiten. Wir sind nicht auf der Erde, um glücklich zu sein, nein, wir sollen Zeugen der Güte und der Menschenfreundlichkeit Gottes werden; das ist unsere Aufgabe. An einem Postschalter hing eine kleine Spruchkarte, unsichtbar für die Kunden, aber sichtbar für die Dame am Schalter. Die Schlange war lang, und die Dame bediente unermüdlich freundlich, geduldig, hilfsbereit. Der Spruch auf der Karte lautete: „Gütig sein, ist mehr als glücklich sein.“ Die höchste Instanz für die Rechtsprechung in unserer Kirche gebraucht gelegentlich in ihren Urteilen das Wort „servitus“ für die Ehe. Und was heißt servitus? Das heißt Knechtschaft, Dienstbarkeit; früher wurde damit die Sklaverei bezeichnet. Die Römer, die auch schon ein weitgehend mit dem Naturrecht übereinstimmendes Eherecht ausgebildet hatten, bezeichneten die Ehe als „coniugium“, d.h. Zusammenjochung, Verbindung unter einem Joch, so wie man zwei Ochsen unter dem Joch einspannt, damit sie den Wagen ziehen. Und die Gläubigen, aber auch die Ungläubigen tauschen bei der Eheschließung Ringe aus. Aber die Ringe sind nur Glieder in einer Kette. Sie tragen die Ringe, weil sie sich damit aneinander ketten.
Knecht sein in der Ehe bedeutet: Dem Herrn dienen, der die Ehe geschaffen hat. Sie stammt nicht von Menschen, sie stammt von Gott. Gott ist der Urheber der Natur und Gott ist der Wiederhersteller der Natur. Er hat die Ehe durch Gesetze gesichert, gefestigt und erhoben. Diese Gesetze können nicht durch das Gutdenken der Menschen umgestoßen werden. Wer die Ehe will, muss sie so wollen, wie Gott sie will, oder die Verbindung ist ungültig. Das Wesen der Ehe ist der Freiheit des Menschen vollständig entzogen. Wer die Ehe eingeht, steht unter den von Gott stammenden Gesetzen. Kein Parlament und keine Mehrheit kann diese Gesetze umstoßen! Jeder muss mit dem Ehewillen, den er mit dem anderen austauscht, den gesamten Inhalt der Ehe übernehmen. Er kann sich nichts heraussuchen, er kann nichts beiseitelassen. Nein, der wesentliche Inhalt der Ehe ist dem Belieben der Menschen enthoben. Das heißt erstens: Die Ehe ist eine Verbindung eines Mannes und einer Frau, also zweier verschieden- geschlechtlicher Personen. Es ist ein Missbrauch, ein himmelschreiender Missbrauch!, Männergemeinschaften oder Frauengemeinschaften, die sexuell miteinander verkehren, als Ehe zu bezeichnen. Damit werden der Begriff und die Sache der Ehe pervertiert. Zweitens: Eine wesentliche Eigenschaft der Ehe ist die Einheit, die Einehe, d.h. die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau; und das hat einen ganz tiefen Sinn. Die dienende und schenkende Liebe, die der Ehe zu Eigen ist, soll eben nur einem Manne und einer Frau geschenkt werden, ungeteilt soll sie sein, deswegen die Einehe. Die Mehrehe verzettelt die Kräfte des Menschen, die körperlichen und die geistigen. Der Mann wird zum Macho, zum Haremsbesitzer, der sich hemmungslos seiner Geschlechtlichkeit überlässt. Und die Frau wird in ihrer Würde als Mensch und als Frau gekränkt in der Mehrehe. Drittens: Eine wesentliche Eigenschaft der Ehe ist die Unauflöslichkeit. Es gibt wenige Worte in der Heiligen Schrift, die so eindeutig sind wie dieses: „Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, der bricht die Ehe. Und wer eine Entlassene heiratet, der bricht die Ehe.“ Ich kenne die Versuche, dieses Wort zu entschärfen. Man sagt: Das ist ein Ideal, aber kein Gesetz. Meine lieben Freunde, wie die Heilige Schrift zu verstehen ist, das sagt der Heilige Geist, und er sagt es durch seine Kirche, das Organ für die Auslegung der Heiligen Schrift. Wie Christus bei seiner Kirche bleibt, so sollen die Ehegatten beieinander bleiben. Paulus hat den Vergleich gebracht zwischen der Verbindung Christi mit der Kirche und der Ehe. Aber wie ist die Verbindung Christi mit der Kirche? Sie ist unauflöslich. Ebenso kann die Ehe nicht getrennt werden, die einmal gültig geschlossen wurde. Immer wieder hört man, Gott oder die Kirche solle barmherzig sein, also die Trennung zulassen und den Weg zu einer neuen Verbindung freimachen. Was ist Barmherzigkeit? Barmherzigkeit die Liebe zu dem gefallenen Geschöpf. Die Untrennbarkeit der gültigen vollzogenen christlichen Ehe ist ein Anwendungsfall der Barmherzigkeit. Weil Gott den Menschen kennt, weil er ihn liebt, hat er das Gesetz der Unauflöslichkeit der Ehe gegeben. Denn Gott weiß, dass Menschen sich aneinander reiben, er kennt ihre Ungeduld, ihren schwachen Willen, schweres Leid zu ertragen. Es ist ihm bewusst, dass die Menschen dazu neigen, vor Schwierigkeiten zu fliehen. Gott hat auch Kenntnis von der Versuchung, in der Partnerschaft abzuwechseln. Aus all diesen Gründen hat Gott das Gesetz der Unauflöslichkeit der Ehe gegeben. Ein jeder, der heiratet, soll wissen: Das ist ein Bund fürs Leben. Darin muss ich aushalten, und darum muss ich alle Kräfte aufwenden, um in diesem heiligen Bunde durchzuhalten. Weil Gott Erbarmen mit den Menschen hat, deswegen hat er das Gesetz der Unauflöslichkeit gegeben. Missverständnisse, Reibungen, Meinungsverschiedenheiten sind ja unvermeidlich. Es kann Verstimmungen geben, Spannungen, Zwistigkeiten; sie alle können die Ehe nicht sprengen. Gott erwartet, dass sich die Gatten die Treue halten bis zum Tode. Und, meine lieben Freunde, christliche Ehen sind heilbar. In der Taukraft des Christentums werden Konflikte innerlich überwunden: eine Generalbeichte, eine Osterkommunion, zwei Menschen nebeneinander wie damals auf den roten Kissen vor dem Tabernakel. Zwei Christen, die sich verzeihen, die ihre Pflicht wiederfinden; das ist Auferstehung!
Viertens: Die Ehe ist auch eingesetzt zur gegenseitigen Ergänzung und Hilfeleistung. Jedes der beiden Geschlechter hat seine Eigenart und natürlich auch seine Mängel. Sie sind aufeinander angewiesen. Worin der eine Teil schwach ist, darin ist der andere stark. Was der eine kann, das kann der andere nicht. Was dem einen nicht einfällt, das fällt dem anderen ein; Ergänzung ist gefordert. In der Regel ist der Mann mehr auf Sachen und die Frau mehr auf Personen ausgerichtet. Sie können und sollen ihre jeweilige Sicht in die Ehe einbringen. Männer wissen oft mehr, aber Frauen verstehen mehr. Man hat nicht zu Unrecht gesagt: Der Mann ist Haupt der Familie, die Frau ist das Herz. Dem Haupt schreibt man die Führung zu und dem Herz die Beseelung. Das mag in vielen Fällen so sein, aber gar nicht selten übernimmt die Frau auch noch die Führung. Nach meinen bruchstückhaften Erfahrungen gelingen Ehen besser, wo die Frau die Führung hat, als solche, wo der Mann dominiert. Sie können mir sagen: Du hast nicht recht. Aber ich habe es bisher häufig so erfahren. Die Ergänzung verlangt, dass die Gatten sich gegenseitig formen, ihren Charakter bessern, sich zu Tugenden verhelfen. Sie sollen auch einander zu Hilfe kommen in den Wechselfällen, Gefahren, Bedrängnissen des Lebens: Krankheit, Behinderung, Stellungslosigkeit, Vermögensverlust. Im Leben ist Glück selten, Unglück häufig. Es soll ein Teil auf des anderen Beistand bauen können und von ihm gestützt werden, damit die Unannehmlichkeiten des Lebens, die Gebrechen des Alters leichter ausgehalten werden können. In der Ehe soll einer dem anderen dienen, also auf seine Bedürfnisse eingehen, auf sein Befinden Rücksicht nehmen, seine Wünsche nach Möglichkeit erfüllen; einer trage des anderen Last. Ehe ist auch Mitarbeiterschaft, Mitarbeiterschaft am irdischen Wohl und Mitarbeiterschaft am himmlischen Heil. „Ein Weg, auf dem wir gehen, ein Gott, zu dem wir stehen, ein Himmel dir und mir.“
Fünftens: Die Ehe ist auch eingesetzt, um das stille Sehnen und das stürmische Begehren der Menschennatur zu heilen. Die Ehe ist auch ein Schutz zur Regelung des Trieblebens. Die Ehe ist ein Mittel zur Vermeidung von Unzuchtsünden. Es ist keine Schande, eine Ehe deswegen oder auch deswegen einzugehen, weil man fürchtet, der Pflicht zur Enthaltsamkeit nicht gewachsen zu sein. Ich habe folgendes erlebt: Im Priesterseminar stand die erste höhere Weihe, die Weihe zum Subdiakon an. Vor dieser ersten Weihe verließ uns ein Mitbruder. Er traute sich nicht zu, die Weihe zu übernehmen. Er ist also Vater geworden, Vater von zehn Kindern. Natürlich darf die Ehe nicht im Fleische untergehen; das Gesetz des Geistes muss Herrscher bleiben. Die Frau ist keine Spielpuppe des Mannes, sie ist eine Schwester der Mutter Gottes. Die Ehe ist ein gottgegebener Beruf, eine heilige Verantwortung, kein Fastnachtstraum, kein Abenteuer.
Sechstens: Die erste Stelle unter den Gütern der Ehe nimmt das Kind ein. Das Ehesakrament ist ein Heilandssegen über die Lebenskeime der menschlichen Gesellschaft. Im 2. christlichen Jahrhundert schreibt der Kirchenschriftsteller Justin: „Wir Christen gehen grundsätzlich die Ehe um des Kindes willen ein, oder wir verzichten auf die Ehe und bleiben enthaltsam.“ Die Verbindung von Mann und Frau in der Ehe ist eben eine Pflanzstätte, eine Pflanzstätte für den Staat und das Volk, eine Pflanzstätte für die Kirche und den Himmel. Eine gesunde, normale Familie besteht aus Vater, Mutter und Kindern. Die Kinder werden von den Eltern erzeugt und erzogen. Selbstverständlich bedeuten Kinder Arbeit und Mühe, Einschränkung und Verzicht. Aber große Ziele und große Aufgaben erfordern großen Einsatz und meistens auch große Opfer. Das Leben schenkt man nur, indem man sich opfert. Von der rumänischen Königin Carmen Sylva stammt das Wort: „Wer sich für die Kinder nicht opfern will, der soll nicht heiraten.“ Die Freude am Kinderreichtum ist ein unmittelbarer Gradmesser für die innere und äußere Gesundheit eines Volkes. Der römische Schriftsteller Tacitus schrieb über die Germanen seiner Zeit, also des 1. Jahrhunderts: „Der Kinderzahl ein Ende zu setzen, hält man für eine Schande“ – der Kinderzahl ein Ende zu setzen, hält man für eine Schande. Nur jene Völker werden leben und die Zukunft besitzen, die zu sittlich geordneten kinderfrohen Familien zurückkehren. Mit der Furcht vor dem Kinde fängt der moralische Ruin einer Nation an; in Deutschland hat er seit langem begonnen. Ein Bischof schrieb vor einiger Zeit: „Ich weihe am Gründonnerstag mehr Krankenöl für die Sterbesakramente als Katechumenenöl für die Taufe.“ Ein Volk, das mehr Särge hat als Wiegen, ein solches Volk geht zugrunde. Über allem soll in der Ehe die Liebe stehen. Die Liebe ist nun einmal der Ausdruck einer innigen und dauernden Verbindung: die wohlwollende Liebe, die selbstlose, die selbstvergessene Liebe, die Liebe, die sagt: Wenn du es nur gut hast. Im Sakrament der Ehe soll die Liebe wieder aus dem Staub erhoben und wie eine Kerze auf den Altar des Heiligtums gestellt werden. „Tätige Liebe heilt alle Wunden, bloße Worte vermehren nur den Schmerz“, hat der Adolf Kolping einmal gesagt. Die Kaiserin Maria Theresia hatte Franz von Lothringen geheiratet; die beiden hatten zusammen 16 Kinder, 16 gesunde Kinder. Aber der Mann war nicht treu, er hatte noch andere Frauen. Maria Theresia war selbstverständlich eine vorbildliche Gattin in Treue und Liebe und Hingabe. Sie hat eines Tages ihrer Tochter Christine geschrieben: „Alles Glück der Ehe besteht im gegenseitigen Vertrauen und Entgegenkommen. Die törichte Liebe vergeht bald, aber man muss einander achten und dienen.“ Ich sprach am Beginn meiner Predigt vom Glück und vom Streben nach Glück. Es gibt ein Gesetz, meine lieben Freunde, wie man das Glück findet, und das Gesetz lautet: Wer die Last sucht, findet das Glück; wer das Glück sucht, findet die Last. Das Glück ist nicht außer uns und nicht in uns, sondern in Gott. Und wenn wir ihn gefunden haben, ist es überall. Wer findet Gott? Wer seinen heiligen Willen tut, wer ihm dient ohne Rücksicht auf sein persönliches Wohlergehen, in Treue zu seinen Geboten, in der Erfüllung des Auftrags, den er uns auf dieser Erde gegeben hat. Ich bin keine Anhänger von Friedrich Nietzsche, aber wenn er Recht hat, hat er Recht, und von ihm stammt das schöne Wort: „Trachte ich denn nach meinem Glücke? Ich trachte nach meinem Werke.“ Die letzten Worte des englischen Admirals Nelson, der in der Seeschlacht bei Trafalgar tödlich verwundet wurde, waren: „Gott sei Dank, ich habe meine Pflicht getan.“ Möchten wir ihm das doch in unserer Sterbestunde nachsprechen können: Ich habe meine Pflicht getan.
Amen.