Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
2. September 2012

Die Engel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten in der Oberschule, die ich besuchte, einen guten naturwissenschaftlichen Unterricht. Ab der 1. Klasse Biologie, die Wissenschaft vom Lebendigen. Ab der 3. Klasse Physik, die Wissenschaft von den Kräften, der Mechanik und der Elektrizität. Ab der 5. Klasse Chemie, von den Kräften der Atome und der Moleküle. Aber, was alles wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können, hat eine Grenze. Es ist uns nicht gegeben, mit unseren Sinnen, mit unseren Messgeräten, mit unseren Apparaten, einen Zugang zu der Welt der Geister zu finden. Wir können sie nicht hören, wir können sie nicht sehen, wir können sie nicht betasten. In diesem Sinne sind die Geister außerhalb unserer möglichen Erfahrung. Dennoch erleben wir ihre Existenz. Wir erfahren ihre Wirksamkeit, ihr Eingreifen, ihre Hilfe. Viele Geschehnisse und Ereignisse, Tätigkeiten und Leistungen sind unerklärlich, wenn man die Wirksamkeit der Engel davon abzieht und ausblendet. Die Engel beweisen ihre Existenz durch Wirken, durch Taten. Wenn die Engel nicht existierten, wenn sie ihre Existenz nicht durch Wirken bezeugten, wäre der Glaube an sie schon längst zusammengebrochen. Der Glaube eröffnet uns Dimensionen, die über die Erfahrung hinausgehen. Was der Glaube lehrt, ist nicht weniger wahr als das, was die Sinne uns zutragen. Der Glaube hat darüber hinaus die Gewähr, die Garantie Gottes. Im Credo bekennen wir: „Ich glaube an den Schöpfer der sichtbaren und der unsichtbaren Dinge.“ Die unsichtbaren Wesen sind die Engel. Mit unserem Glauben an die Engel stehen wir keineswegs allein, meine lieben Freunde. In allen Völkern hat das Ahnen, das Sehnen, vielleicht auch die Ur-Offenbarung, die sie bewahrt haben, die Überzeugung von der Existenz von Engeln begründet. Die Engel sind numinose Wesen, sie bilden ein Zwischenreich zwischen Gott und den Menschen. Die Menschen suchen sich ihrer Hilfe zu versichern und suchen Gefahren durch sie abzuwenden. Im deutschen Volksglauben finden sich gute und böse Geister. Diese Überzeugung ist den Völkern durch Nachdenken, aber ich meine auch durch Erfahrung und durch Überbleibsel der Ur-Offenbarung geworden. Die Schrift beweist nicht lange die Existenz der Engel, sie spricht davon, wie von einer Selbstverständlichkeit.

Die Geister sind zweigeteilt nach der Schrift: in gute und in böse Geister. Böse Geister haben den Menschen verführt zur Sünde. Das erste Menschenpaar wurde durch einen Boten Satans zum Aufstand gegen Gott gebracht. Und dann, als es aus dem Paradies vertrieben war, stand ein Engel als Wächter vor dem Eingang zum Paradies, das ist bildlich gesprochen zugegeben, aber mit einem historischen Kern.

Der Bibel reichen die Zahlen nicht aus, um anzugeben, wie viele Engel es gibt. In der Apokalypse des Johannes ist die Rede von zehntausend mal zehntausend. Christus selbst spricht, als Petrus das Schwert ziehen will, von mehr als zwölf Legionen Engel, die ihm der Vater senden könnte. Die Legion zu sechstausend Mann, das sind zweiundsiebzigtausend. Und wir bekennen ja Gott, den himmlischen Vater, als den Herrn der Heerscharen. Ganze Armeen stehen ihm zur Verfügung. Die Zahl, die unübersehbare Zahl der Engel, ist ein Ausdruck der Macht und des Reichtums Gottes. Wenn er schafft, dann bringt er eine unvorstellbare Fülle hervor. Das gilt für die sichtbare Welt ebenso wie für die unsichtbare. Wir brauchen nur hinauszuschauen ins Weltall. Diese ungeheuren Entfernungen, diese unzählbare Menge von Himmelskörpern. Wir wissen, dass es eine Himmelsstraße, eine Milchstraße gibt, eine Galaxie. Die Forscher sagen, dass die Galaxie aus hundert Milliarden Sonnen besteht, aus hundert Milliarden Sonnen. Es gibt aber Milliarden von Milchstraßen, Milliarden von Galaxien. Nach den Berechnungen der Astronomen ist die Zahl der Himmelskörper, der Sterne, siebzig Trilliarden, das heißt sieben mal zehn hoch zweiundzwanzig – sieben mal zehn hoch zweiundzwanzig. Ähnlich ist es mit der Welt der Stoffe. In Bern an der Universität haben soeben Forscher ausgerechnet, dass es mindestens eine Dezillion Substanzen gibt, eine Dezillion Substanzen, also zehn hoch sechzig. Zehn hoch sechzig Substanzen. Das ist in der sichtbaren Welt. Und wenn es Gott möglich war, eine sichtbare Welt mit unvorstellbaren Ausmaßen zu schaffen, warum soll es ihm unmöglich gewesen sein, zahllose Engel als unsichtbare Wirklichkeit ins Leben zu rufen?

Diese Engel sind von einer unglaublichen Mannigfaltigkeit. Keiner ist dem anderen gleich. Jeder hat sein eigenes Antlitz. Ein jeder ist anders als der andere. Gott wiederholt sich nicht. Es fehlt ihm nicht an Einfallsreichtum. Unter den Engeln gibt es Ordnungen, einen Aufbau, eine Struktur, Rangabstufungen. Im Kolosserbrief werden sie aufgezählt: Herrschaften, Mächte, Gewalten, Cherubim, Seraphim. Aufbau und Struktur der Engel bestätigen uns, was wir aus dem Studium der Naturwissenschaften schon wissen: Gott ist ein exakter Denker. Er ist ein mathematischer Kopf. Das Prinzip seines Schaffens ist Vielfalt und Ordnung. Gott ist ein Gott der exakten Wissenschaft.

Die Engel machen sich bemerkbar. Sie bezeugen ihre Existenz durch Taten. Wenn die Erde bebt, wenn die Sonne erscheint, wenn die allerseligste Jungfrau erzittert, dann sind Engel am Werke. Wenn einmal die Gräber sich öffnen werden, dann wird das die Sache der Engel sein. „Er macht seine Engel zu Winden und seine Boten zu Feuerflammen“, heißt es im Hebräerbrief. Er macht seine Engel zu Winden und seine Boten zu Feuerflammen. Es ist uns unbegreiflich, wie Geister, reine Geister, Macht haben und Kraft ausüben können. Uns erscheint nichts ohnmächtiger als der Geist. Aber Gott überrascht uns. Er stattet die Geister mit Stärke aus. Er gibt ihnen das Vermögen, zu wirken, und zwar auch in der sichtbaren Welt Wirkungen hervorzubringen. Engel haben den Stein vom Grabe weggewälzt, in dem Jesus beigesetzt war. Sein Antlitz leuchtete wie der Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee. Die Wächter erbebten vor Furcht und waren wie tot. Die Engel vermögen menschliche Gestalt anzunehmen. Als die Frauen zum Grabe kamen, da erblickten sie zwei Männer im strahlenden Kleide, die ihnen Auskunft gaben, was mit dem Gekreuzigten geschehen war. Und als Jesus endgültig in die Herrlichkeit des Vaters zurückkehrte, da standen vor den Jüngern zwei Männer im weißen Gewande, die ihnen seine Wiederkunft ankündigten.

Die Engel sind zum Dienste Gottes bestellt. Sie dienen Gott mit ihrem ganzen Wesen. Wir stellen uns das einfach vor; etwas müssen wir uns ja vorstellen. Und so sagt uns der Prophet Isaias, sie rufen ohne Unterlass: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Herr der Heerscharen, der allmächtige Gott, der war und der ist und der sein wird.“ Und ähnlich berichtet der Apokalyptiker Johannes: „Die Engel rufen Alleluja, das Heil und die Herrlichkeit und die Macht unseres Gott ist gekommen. Herrschaft ergreift der Herr, der Allherrscher. Laßt uns frohlocken und ihm die Ehre geben.“ Die Wirklichkeit ist etwas anders, als unsere Vorstellung, nämlich: das ganze Wesen der Engel, ihr ganzes Dasein, ist ein Lobgesang. Sie brauchen nicht den Mund zu öffnen, sondern mit ihrem Wesen und mit ihren Werken verherrlichen sie Gott. Sie vollstrecken Gottes Willen, auch seinen Strafwillen. Der Engel erschlägt die Erstgeburt der Ägypter. Ein Engel vernichtet die Heere der Assyrer. Die Schnitter der letzten Ernte werden Engel sein. Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reiche alle Ärgernisse sammeln und alle, die Unrecht tun, werden sie in den Feuerofen werfen. Die Engel sind die Vollstrecker der Gerichte Gottes. Der Apokalyptiker sieht, wie sie die Auserwählten besiegeln. Das Siegel ist ein Zeichen der Rettung. Sie halten die Winde fest, damit kein Wind wehe über das Land und über das Meer und über einen Baum. Engel erzeugen Donner und Brausen, Blitze und Erdbeben. „Es verbrannte der dritte Teil der Erde“, so heißt es in der Apokalypse. „Und es verbrannte der dritte Teil der Bäume. Und es verbrannte alles grüne Gras.“ Wir wissen nicht, wie das in Erfüllung gehen wird. Aber dass es geschehen wird, dafür bürgt Gottes Offenbarung. Engel erhalten den Befehl, die sieben Schalen des Zornes Gottes über die Erde auszugießen: „Der erste Engel schüttete die Schale aus. Es bildeten sich Geschwüre an allen Menschen, die nicht das Zeichen des auserwählenden Gottes haben. Der zweite Engel goss seine Schale aus über das Meer. Es starben alle Lebewesen im Meere. Ein dritter Engel goss seine Schale auf die Sonne aus und es wurde der Sonne gegeben, die Menschen zu verbrennen.“

Der Mensch steht nicht allein und geht nicht allein durch die Welt und durch die Weltgeschichte. Zwischen Dämonen und seligen Geistern ist sein Erdenweg. Engeln hat Gott befohlen, dass sie uns behüten auf allen unseren Wegen. Auf ihren Händen sollen sie uns tragen, dass unser Fuß nicht stoße an einen Stein. Engel haben das Lebenswerk, den Lebensweg unseres Heilandes begleitet. Unser Herr hat die bösen Geister und die guten Geister wiederholt in seinem Leben erfahren. Am Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit steht das Duell mit dem Satan. Als er es siegreich bestanden hatte, da traten Engel zu ihm und dienten ihm, das heißt, sie brachten ihm zu essen, denn er hatte vierzig Tage gefastet. Als er am Ölberg seinen Leidenskampf ausfocht und Schweiß wie Blutstropfen aus seinen Poren floß, da kam ein Engel vom Himmel und tröstete ihn. Engel hat Gott den Menschen beigestellt. Engel hat er jedem Volk gegeben. Der Engel unseres Volkes ist Michael. Unsere Vorfahren haben ihn als Patron des deutschen Volkes erwählt. Engel haben alle Menschen – wir nennen sie die Schutzengel, denn sie tragen unsere Gebete zu Gott und sie schützen uns auf dem Wege zum Himmel vor den Fährnissen dieser Erde. Es gibt Situationen im menschlichen Leben, in denen wir erkennen. Wir sind bewahrt oder gerettet worden, nicht durch Kraft und List der Menschen, sondern durch das wirksame Eingreifen himmlischer Mächte.

Jesus hat uns gelehrt, dass die Kinder ihre Schutzengel haben. „Seht zu, dass ihr keines von diesen Kleinen geringachtet, denn ich sage euch, ihre Engel im Himmel schauen alle Zeit das Angesicht meines himmlischen Vaters.“ Engel begleiten die Kinder. In einer Großstadt des Ruhrgebietes hatte um die Mittagsstunde die Glocke geläutet zum „Engel des Herrn“. Da hielt auf einer sehr belebten Straße ein Lastzug mit drei Zementsilos. Der Fahrer hatte die Handbremse angezogen und war ausgestiegen und verhandelte fünfzig Meter weiter mit dem Polier, wo der Zement abgeladen werden sollte. Kinder spielten auf den Bürgersteigen. Der Motor des Lastzuges lief noch. Plötzlich gab es einen Ruck und der Wagen setzte sich in Bewegung. Erst langsam, dann immer schneller, denn die Straße war abschüssig. Von Sekunde zu Sekunde steigerte sich die Geschwindigkeit. Der Lastzug sauste hinunter – fünfzig, hundert, fünfhundert Meter weiter, dann ereignete sich die Katastrophe. Er raste auf den Bürgersteig zu, wo ein achtjähriger Junge spielte. Die Räder erfassten das Kind. Der Wagen rammte einen stählernen Lichtmast. Er zerwühlte eine Blumenanlage und schließlich kam er zum Stehen. Die Passanten eilten herbei und wollten den Jungen herausziehen, aber man konnte es nicht, denn der Lastzug stand unter Strom, weil er den Lichtmast gerammt hatte. Man musste erst den Strom abschalten. Endlich konnte man den Jungen herausziehen. Er war fast unverletzt! Er hatte nur unbedeutende Abschürfungen erlitten und einen harmlosen Armbruch. Als der Fahrer des Lastzuges das erfuhr, schlug er die Hände vor’s Gesicht und weinte. Dann sagte er: „Es heißt, Kinder haben einen Schutzengel. Ich habe nie daran geglaubt, sondern immer spöttisch darüber gelacht. Jetzt glaube ich es nicht nur, jetzt weiß ich es, dass Kinder die Lieblinge Gottes sind und einen besonderen Schutzengel haben!“

Menschen sagen, das ist Zufall! So spricht der Unglaube. Der Glaube redet anders. Zufall, meine lieben Freunde, ist der Inkognito-Besuch Gottes. Wo eine unendliche Weisheit waltet, da bleibt für den Zufall kein Raum. Vorsehung wirkt ihre Ziele durch scheinbare Zufälle. Nicht der Zufall mischt die Karten der Weltgeschichte. Nicht der Zufall würfelt die Lose unseres Lebens. Gottes Kraft und Weisheit regieren die Welt und unser Leben. Seinem Befehl gehorchen die heiligen Engel. Und deshalb wollen wir heute, meine lieben Freunde, am Beginn des Schutzengelmonats mit dem großen Bischof Michael Sailer von Regensburg beten:

„Teuer, ihr lieben Engel, muss euch meine Seele sein,

weil für sie der Sohn Gottes sein Blut vergoss.

Was Christus lieb ist, das ist auch euch lieb.

Darum lasset euch meine Seele empfohlen sein,

damit ich rein und unbefleckt mein Pilgerleben hier vollende,

und dort in eurer Gemeinschaft den sehe,

den ihr anbetet als euren König und

den ich liebe als meinen Herrn und Heiland.

Amen.“

 

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