17. Oktober 2010
Sittlich gute und sittlich schlechte Handlungen
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
An den vergangenen Sonntagen hatten wir das Verhältnis von Gesetz und Gewissen bedacht. Das Gesetz geht vom Gesetzgeber aus, es ist unser Gott und Heiland. Das Gewissen ist die Mitgift, die Gott uns gegeben hat, die Empfangsstelle für den Willen Gottes, der aus den Geboten zu uns spricht. Die Sittlichkeit, der sittliche Wert. die sittliche Beschaffenheit einer Handlung bestimmt sich nach dem Verhältnis des Gesetzes Gottes zum Gewissen. Oder umgekehrt des Gewissens zum Gesetze Gottes. Gut ist eine Handlung, wenn sie der sittlichen Ordnung durchaus entspricht. Was heißt das, dass sie der sittlichen Ordnung durchaus, also ganz entspricht? Sie muss in jedem der drei Elemente, welche die sittliche Handlung ausmachen, gut sein. Welches sind die drei Elemente? Eine Handlung besteht aus dem Gegenstand, den Umständen und dem Zweck. Gegenstand oder Objekt, Umstände und Zweck. Gut ist die Handlung, wenn sie nach allen drei Beziehungen richtig nach Gottes Willen geschieht. Schlecht ist sie, wenn nur eines dieser Elemente schlecht wird, entweder die Handlung selbst oder die Umstände oder der Zweck.
Als Studenten haben wir diese eben von mir vorgetragene Wahrheit mit den Worten gelehrt bekommen: „Bonum ex integra causa – malum ex quovis defectu“. Gut ist eine Handlung, wenn sie ganz und gar nach allen Beziehungen einwandfrei ist. Schlecht wird sie, wenn nur ein Element der Handlung schlecht ist. Wir wissen alle, was der Gegenstand der Handlung ist. Das ist eben das, was wir tun, was wir verrichten. Also das Gebet hat als Inhalt die Anbetung Gottes; die Gartenarbeit hat die Pflege des Gartens zum Inhalt. Die Verehrung der Heiligen hat die Anerkennung des Wertes und der Tugend der Heiligen zum Gegenstand. Man unterscheidet innerlich gute Handlungen und äußerlich gute Handlungen. Innerlich gute Handlungen sind solche, die einfacher Ausdruck der sittlichen Ordnung sind, die entweder immer und in jedem Falle gut sind. Zum Beispiel Gott lieben, das ist immer und in jedem Falle gut oder bedingt gut, wenn sie unter Umständen böse sein können. Beten ist gut, aber beten, wenn dringende Pflichten rufen, ist nicht mehr gut.
Es gibt auch äußerlich gute Handlungen, die dadurch gut werden, dass sie dem Willen des Oberen entsprechen. Die Geschwindigkeitsbegrenzung in Ortschaften einhalten, ist eine äußerlich gute Handlung. An sich steht nichts entgegen, dass man mit 100 Stundenkilometern durch den Ort braust, aber der Gesetzgeber hat verfügt, dass nur die Hälfte davon gestattet ist, und dadurch wird die Handlung gut.
Innerlich schlechte Handlungen sind solche, die ihrer ganzen Natur nach der sittlichen Ordnung widersprechen. Gott hassen ist immer und unter allen Umständen böse. Homosexuellen Geschlechtsverkehr unterhalten ist immer und unter allen Umständen böse. Manche Handlungen können auch bedingt schlecht sein, weil kein Recht dazu besteht oder weil eine Gefahr besteht. Einen Menschen töten, ist schlecht, kann aber unter Umständen erlaubt sein, etwa in der Notwehr. Äußerlich schlechte Handlungen sind solche, die eben dadurch schlecht werden, dass man sich nicht an den Willen des Oberen hält, dass man also mit 75 Kilometer durch die Ortschaft braust statt mit 50.
Die sittlich guten Handlungen, die also einen guten Gegenstand haben, sind uns allen bekannt. Wenn wir unsere Berufsarbeit verrichten, wenn wir für unsere Angehörigen sorgen, wenn wir dem Nachbarn Hilfe leisten, wenn wir Bedürftigen zu Hilfe eilen, das alles sind objektiv dem Gegenstand nach gute Handlungen. Objektiv böse Handlungen sind solche, die innerlich der Sittlichkeit widersprechen, und sie bleiben böse, auch wenn die Umstände und der Zweck gut sind. Von einer meiner Vorfahren wird berichtet, es muss im 19. Jahrhundert gewesen sein, dass diese gute Frau Diebstähle beging, um das gestohlene Gut Armen zuzuwenden. Die Absicht war gut, nicht wahr, aber die Handlung war nicht gut. Zu den guten Objekten der Handlung muss eben notwendig die Güte der Umstände treten. Umstände, unter denen die Handlung geschieht, müssen gut sein, also die näheren Bestimmungen, die zum Wesen der menschlichen Handlung hinzutreten. Es ist also beispielsweise nicht gleichgültig, ob einer einen Knaben verdrischt oder seinen Vater. Es ist nicht gleichgültig, ob eine Verleumdung unter vier Augen geschieht oder in der Öffentlichkeit, in der Presse. Es ist nicht gleichgültig, ob man Aberglauben treibt mit einer Wurzel, der Alraune, oder mit heiligen Gegenständen, meinetwegen mit einem Rosenkranz. Es ist nicht gleichgültig, ob man eine Handlung verrichtet aus Bosheit oder aus Leichtsinn. Es ist ebenfalls nicht gleichgültig, welches die Dauer der Handlung ist.
Die Umstände der Handlung zerfallen in zwei Gruppen. Die eine Gruppe ist die, wo die Sittlichkeit der Handlung gesteigert oder vermindert wird. Da haben wir ein schönes Beispiel im Evangelium. Jesus setzte sich in die Schatzkammer des Tempels und beobachtete die Leute. Die Reichen warfen viel in die Schatzkammer. Aber da kam eine arme Witwe, die warf zwei Pfennige hinein. Der Heiland sagte: „Diese arme Witwe hat mehr hineingeworfen als alle anderen; denn die anderen gaben etwas von ihrem Reichtum, von ihrem Überfluß. Sie aber opferte aus ihrer Armut, und sie opferte alles, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt.“ Das war ein Umstand, der ihre Gabe erheblich in dem Wert vermehrte. Umgekehrt wäre es, wenn man Gutes tut, um geehrt zu werden. Das Gutestun ist ja richtig und soll auch in seinem Werte anerkannt werden, aber wenn man es tut, um Ehre zu empfangen von Menschen, mindert man die gute Tat. Der Herr sagt: „Deine Rechte soll nicht wissen, was deine Linke tut.“ Das heißt, man soll es verbergen, was man an Gutem tut, um nicht von den Menschen irdischen Lohn zu empfangen.
Es gibt aber auch Umstände, welche die Art der Tat ändern, die eine neue Spezies, eine neue Art des Bösen begründen. Es ist nicht gleichgültig, wenn einer einen Totschlag verübt, ob es ein Fremder ist oder ob es der eigene Vater ist. Der Vatermord ist naturgemäß schlimmer, von anderer Art. Und es kann die Tat auch zunächst als läßliche Sünde beginnen, sich aber auswachsen zur Todsünde. Da wird auch durch diesen Umstand die Tat verändert. Wenn die Materie, wie man sagt, anwächst, also die Wucht des Bösen sich steigert, dann kann aus einer läßlichen Sünde eine Todsünde werden.
Von großer Bedeutung ist auch der Zweck, also das Zielgut, das man mit der Handlung anstrebt, das Zielgut, das in der Zukunft liegt und das den Handelnden zur Handlung bewegt, das den Beweggrund für die Handlung abgibt. Die gute Handlung wird durch einen guten Zweck, durch einen guten Beweggrund in ihrem Wert gehoben. Wenn ich arbeite, um mit dem Erlös der Arbeit Armen zu Hilfe zu kommen, erhöhe ich den Wert meiner Arbeit. Die gute Handlung wird durch den guten Zweck gesteigert. Die gute Handlung wird aber durch einen schlechten Haupt- oder Endzweck gemindert, ja schlecht gemacht. Vor Jahren ging einmal ein Prozeß durch die Zeitungen. In einer Haftanstalt befand sich ein Mann, der von einem schlimmen Haß gegen die Kirche erfüllt war. Und was tat er? Er bot seinen Mithäftlingen Tabak an. Er gab ihnen seinen Tabak, wenn sie aus der Kirche austreten. Das war der sogenannte Tabakapostel. Tabak verschenken ist nicht schlecht, aber durch die Absicht, die er damit hatte, nämlich den Kirchenaustritt zu erreichen, wurde diese Handlung schlecht. Und der Herr hat im Evangelium wiederholt den schlechten Zweck angeprangert. „Habt acht, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht übt, um von den Menschen gesehen zu werden. Wenn ihr fastet, sollte ihr euer Gesicht nicht entstellen, damit die Leute sehen, dass ihr fastet.“ Von den Pharisäern sagte er: „Alle ihre Werke tun sie, um von den Leuten gesehen zu werden.“ Dadurch entwerten sie ihre Werke.
Die gute Handlung wird durch einen schlechten Nebenzweck beeinträchtigt. Es wird ja zunächst etwas Gutes angestrebt, aber durch den Zweck wird sie gemindert. Wenn man einem anderen hilft in der Erwartung, dass er einem auch beispringen werde, ist die gute Handlung etwas gemindert, etwas beeinträchtigt. Die schlechte Handlung wird durch einen schlechten Zweck noch schlechter. Wenn einer einen anderen zur Sünde verführt, um damit einen lästigen Konkurrenten loszuwerden, dann fügt er zu der bösen Handlung – zur Sünde verführen – noch einen schlechten Zweck, nämlich einen Konkurrenten loszuwerden. Eine in sich schlechte Handlung wird durch einen guten Zweck nicht gerechtfertigt. Man darf nicht Böses tun, um damit Gutes zu erreichen. Das ist uns oft naheliegend. Wir lügen, um einen anderen vor Schaden zu bewahren. Lügen ist unrecht, die Absicht ist gut, aber die Handlung wird dadurch nicht gut, dass man einen guten Zweck mit ihr verfolgt. Das gilt auch für die Politik, dass der gute Zweck nie das schlechte Mittel heiligt.
Wir Älteren haben es ja erlebt. Um Deutschland niederzuwerfen, überzogen die verbündeten Mächte England und Amerika unser Land mit einem Bombenhagel. Dabei sind 500.000 deutsche Zivilisten zugrunde gegangen – 500.000 deutsche Zivilisten! Der Kampf gegen Hitlers Macht war berechtigt, aber das Mittel war sicher unrecht. Das ist auch ein Kriegsverbrechen. Also noch einmal: Der Zweck heiligt nie das schlechte Mittel.
Ich habe versucht, meine lieben Freunde, die wesentlichen Prinzipien unseres Handelns vor Ihnen auszubreiten. Am schwierigsten, glaube ich, ist es, Gegenstand, Umstände und Zweck des Handelns zur Übereinstimmung zu bringen, dass also nicht nur die Handlung gut ist, sondern auch die Umstände und der Zweck. Unsere Handlungen sollen sich selbstverständlich nur auf gute Gegenstände richten, auf einwandfreie Objekte. Aber sie sollen auch unter Umständen geschehen, die passend, die angemessen, die geeignet sind. Beten, wenn eine dringende Not uns zum Nächsten ruft, ist durch diesen Umstand keine gute Handlung. Sie wird entwertet durch die Umstände. Weil ich mich der Not des Nächsten versage, wird diese Handlung des Betens entwertet. Unsere Handlungen sollen aber vor allem aus Motiven hervorgehen, die vor Gott bestehen können, und da ist, glaube ich, unsere schwerste Aufgabe, dass wir unsere Motive läutern, dass wir aus reinen Motiven handeln, dass wir ohne Nebenabsichten unsere Werke verrichten. Der heilige Paulus hat diese Wahrheiten erkannt, als er einmal den Priestern in Ephesus zurief: „Weidet die Herde Gottes nicht aus schnöder Gewinnsucht, sondern aus Hingebung.“ Motiv! Schnöde Gewinnsucht, Hingebung! Die Absicht, mit der wir handeln, der Beweggrund, der uns zum Handeln veranlaßt, der Zweck, den wir mit unserem Handeln verfolgen, soll lauter, rein und gut sein.
Wir katholische Christen sprechen von der guten Meinung, und das ist richtig. Sie ist ausgedrückt in dem schönen Liede: „Alles meinem Gott zu Ehren, in der Arbeit, in der Ruh. Gottes Ehre soll sich mehren, was ich rede, was ich tu.“ Das ist die gute Meinung. Der Apostel Paulus fordert die gute Meinung, wenn er sagt: „Ihr möget essen oder trinken oder sonst etwas tun, tut alles zur Ehre Gottes!“ An einer anderen Stelle: „Was immer ihr tut in Wort oder Werk, tut alles im Namen des Herrn Jesus Christus!“
Das ist es also, meine lieben Freunde, was wir besonders beachten müssen, dass wir unsere Motive reinigen, dass wir alle Nebenabsichten ausschalten, dass wir in Lauterkeit dem Herrn und unserem Nächsten dienen. Ich empfehle Ihnen: machen Sie an jedem Morgen den schönen Vorsatz: „O Gott, laß mich diesen Tag zu deiner Ehre, zum Heil meiner Seele und zum Segen für meinen Nächsten verbringen.“
Amen.