Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Juni 2023

Kommunion und bleibende Gegenwart

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der heiligen Wandlung steigt unsere Gabe zum Himmel empor. In der heiligen Kommunion kommt die Gabe Gottes zur Erde herab. In der Wandlung bieten wir Gott das Beste dar, was wir haben, den Heiland. In der Kommunion kommt Gottes Gabe herab, um sich uns zu schenken. Derselbe Leib, der in der Wandlung hinaufgeht zu Gott, dem Vater, kommt in der Kommunion zurück als Gefäß der Gottheit. Die Menschheit Christi ist das Mittelglied zwischen Himmel und Erde, steigt auf und ab, trägt uns hinauf und trägt Gott herab. Darum ist der Sinn der Kommunion das Schenken und Beschenktwerden. Der Sinn der Kommunion ist ein Geschenk Gottes an uns, also von unserer Seite ein Empfangen. Was wird uns geschenkt? Der Priester zeigt uns die eucharistische Gestalt: „Das ist das Lamm Gottes.“ Dann reicht er den Leib des Herrn mit einem leisen, persönlichen Wort, jedem für sich: „Der Leib des Herrn Jesus Christus bewahre deine Seele zum ewigen Leben.“ Und wir dürfen empfangen. Eine gottmenschliche Nähe wird uns geschenkt: das Herz Christi, das in der Abendmahlsstunde schlug. Beachten wir die Herzlichkeit, die aus den Worten Jesu leuchtet, das Innige, Fromme, Frohmachende. Er findet ganz neue Worte. „Kindlein“, sagt er, und „Freune“ nennt er jetzt seine Jünger. Ein Hauch von Weichheit zittert in seinem Wesen, etwas unendlich Zartes, rührend Ergreifendes spricht aus seinen Worten. Das war die Stimmung seiner Kommunionfeier, und in dieser Stimmung kommt er in der Eucharistie zu uns. Nicht als Fordernder, Lehrer, Prüfer, nicht als Bedroher oder Richter, sondern als Schenkender, als Freund, der zu uns sagt: Kind, da bin ich nun und gehöre dir. Er will gar nichts anderes, als dass wir uns beschenken lassen. Mehr kann er sich uns auf Erden nicht schenken. Das lässt sich nicht überbieten. Gott kann nicht mehr tun, als uns gehören.

Was im Himmel einst sein wird, ist vor allem das Bewusstwerden des Kommunionerlebnisses. Jetzt haben wir nur das Kommunionereignis, aber nicht das Erlebnis. Wenn wir das je hätten, würden wir tot umsinken, und unsere Seele wäre im Himmel. Was wir im Himmel finden werden, ist das Bewusstwerden aller Kommunionen, das Aufbrechen aller Freudenquellen, die in unsere Herzen eingeströmt sind, das Klingen dieses Liebesliedes Gottes in unserer Seele. Es ist die Nähe Gottes, unseres Herrn. Gott selbst teilt sich uns mit. Der letzte Sinn der Kommunion ist nicht die Mitteilung Jesu Christi, es ist die Mitteilung Gottes. Nun ist Gott uns geschenkt. Gott gehört uns. Da ist die Natur bis zur Verkehrung überboten. Der Natur nach gehören wir Gott, sind wir Gottes Eigentum; er will über uns verfügen. Aber bevor wir uns ganz schenken, will er uns gehören. Er geht uns entgegen und sagt: Dein bin ich, nimm mich hin als dein Eigentum! Ähnlich wie Speise und Trank Eigentum unseres Leibes werden, wie das Brot in unser eigenes Ich übergeht, ein Bestandteil unserer Person wird, so wird Gott etwas in unserem physischen Bestand. Er gehört uns buchstäblich.

Daraus ergibt sich, wie wir die heilige Kommunion empfangen sollen. In Freude, wie man sich beschenken lässt. Doch das Sichbeschenkenlassen verlangt vornehme Seelen. Sich beschenken lassen ist schwieriger als schenken. Es verlangt Feinheit und Takt, Vornehmheit der Gesinnung. Darum erfordert die heilige Kommunion so viel an Reinheit, an gutem Willen, an Zartsinn für Christus, weil sie eine vornehme Seele verlangt. Das ist schon der Fall, wenn wir an unserer Unwürdigkeit leiden. Wenn wir darunter leiden, dass wir sie nicht besser empfangen können, dann haben wir diese Vornehmheit. Darum legt uns die Kirche mit Recht das Gebet in den Mund: „O Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehest unter mein Dach“, weil wir fühlen: Ich kann das Heilige nicht so aufnehmen, wie ich es müsste, ich bin nicht vornehm genug. Es soll ein Gebet sein, das uns weh tut, wie es einem fein empfindenden Menschen weh tut, wenn er das Geschenk eines Liebenden nicht so würdigen kann, wie er es verdient.

Das dritte ist, dass wir uns von dem Schenkenden wirklich ausfüllen lassen. Das ist der Sinn des Betens nach der Kommunion, der Danksagung, dass man von gleicher Freigebigkeit sich erfüllen lasse, vom gleichen Schenkenwollen Gott gegenüber. Er hat nichts an uns gespart, so wollen auch wir nichts sparen. Es soll nichts Geiziges, nichts Kleinliches, nichts Knauseriges in uns bleiben. In der Danksagung müssen wir uns dazu stimmen, jetzt an unser Tagewerk zu gehen freudig schenkend, bereitwillig, aus innerstem Drang, bereitwillig zu jeder Art von Heldenmut, mit einer Schrankenlosigkeit des Gebenwollens, einer Verschwendung Gott gegenüber. Es kann mir nichts gut genug sein, nichts zu schwer, was ich Gott schenken darf. Das ist die Kommunionfeier. Da bricht die Ethik der vollkommenen Freigebigkeit auf. Die Ethik der freudigen Hingabe, ja der Verschwendung für Gott und alles, was zu Gott gehört.

Jesus bleibt in der Eucharistie auch nach der Messfeier gegenwärtig. Die Gestalten der Gegenwart Christi bleiben nach der Wandlung, weil die Kommunionfeier kommen muss. Aber auch danach bleibt der Herr gegenwärtig. Es können immer noch Gläubige kommunizieren wollen, darum bleibt er im Tabernakel. Es kann ein Kranker ihn rufen, es kann einer kommen, der noch nicht bei der Messfeier war; auf sie wartet Christus. Und es gibt viele, die ihn kennen und vorübergehen, an den Altären vorübergehen und nicht an den Tisch des Schenkens kommen; auf sie wartet er. Es haben längst nicht alle Auserwählten kommuniziert; es kann lange dauern, bis alle die Kommunion empfangen haben; darum wartet er. Er wartet auch, weil die eucharistische Ethik noch nicht gekommen ist; die Kommunizierenden sind noch nicht erfüllt vom eucharistischen Geist; da muss er warten. Als die ersten Christen kommunizierten, da schien es einen Augenblick, als sei die eucharistische Gesinnung schon gekommen. Aber das ist schnell vorübergegangen, es war ein leiser Hauch des Vorfrühlings, es war nicht der Sommer. Jetzt gehen viele Millionen täglich zur heiligen Kommunion, ganze Völkerschaften jeden Tag; aber nicht alle Menschen sind vom eucharistischen Frühling erfüllt, es ist noch viel Kälte auf Erden. Wenn man die Christen einträchtig zum Empfang der heiligen Kommunion schreiten sieht, jeder nur ein Wort auf den Lippen und einen Gedanken im Herzen: Jesus, Jesus, komm zu mir, o, wie sehn ich mich nach dir, da möchte man denken: Nun sind sie abgekommen von ihren Ansprüchen, ihrem Hochmut, ihren Uneinigkeiten und Streitereien; jetzt werden sie sich vertragen, weil sie nichts anderes fordern, als ihre eigene Unwürdigkeit einzugestehen. Aber dann sind sie doch wieder da, die Ansprüche, die Forderungen, die Uneinigkeiten. Wenn man sie sieht, wie sie gespeist und getränkt werden mit dem Leib und Blut Jesu Christi, möchte man denken: Nun müssen sie doch ein Herz und eine Seele werden, eine Liebesgemeinschaft. Aber dann gehen sie hinaus, und auf den Gassen und Straßen der Städte und der Länder fallen sie wieder übereinander her und vergießen das Blut, das durch ihre Seelen strömte, bedrängen einander in Hass und Feindschaft und Zwietracht. Der eucharistische Frühling ist noch sehr weit weg, und Jesus muss noch lange warten. Es ist gar nicht abzusehen, wie lange es dauern wird.

Und es ist doch ein schmerzliches Warten. Kann man ihm nicht helfen? Kann man es nicht abkürzen? Kann man nichts beitragen, dass der eucharistische Frühling kommt? Kann ich nichts beitragen, dass das Fest der Liebe unter den Menschen näher rückt und die Einheit der Herzen, die Hochzeit Gottes mit den Menschenseelen? Ja, wir können es. Und wenn ich auch nur eine Sekunde das Warten Christi abkürzen könnte, um die Sekunde meines Opfers, meines Lebens, um die Sekunde meines Sterbens, um die Sekunde meines Leidens, um diese eine Sekunde will ich es abkürzen. Ich kann sein Warten nicht mehr mitansehen, sein jahrtausendelanges Warten. Aber eines Tages wird es zu Ende gehen, und wenn es noch so lange dauert. Als Gott aus dem Chaos der Welt den Frühling der Erde schaffen wollte, da hat es auch lange gedauert. Jahrmillionen sind vergangen, seitdem die Erde sich aus dem Urnebel absonderte wie ein glühender Kern. Die Zeit hat es gebracht. Die Jahreszeiten kommen über die Erde gewandelt, wenn es auch noch so lange gedauert hat. So wird auch das Warten der Geisterwelt zu Ende gehen. Eines Tages wird aus dem Chaos der Menschheit ein Frühling werden, eine Ordnung, eine Einheit, ein Liebesfest. Eines Tages wird es sein. Dann ist das Warten Jesu Christi zu Ende. Wenn einmal alle Auserwählten kommuniziert haben und alle Auserwählten eingegangen sind in Gottes Liebe und in Liebe einander dienen, hört die Messe auf, hat die Wandlung ein Ende, dann gibt es kein Opfer mehr, kein Symbol des Blutvergießens, kein Symbol des Kreuzes und des Leidens mehr; sondern nur noch ewige Kommunionfeier, ewige Hochzeit Gottes mit den Menschenseelen, ewiges Schenken und Sichbeschenkenlassen, und ein Strom von Seligkeit fließt von Gott durch das Herz Jesu und durch alle Auserwählten in alle Ewigkeit hinein, ein einziges, seliges Strömen. Dann ist es Frühling, ja Sommer geworden. So wird es einmal kommen. Das zeigt uns das tägliche eucharistische Fest, das Christus unter uns feiert. Ein Morgenrot der Ewigkeit, das auf unseren Altären steht. Es ist das Flammenzeichen des ewigen Tages, das in diese düstere Welt kommt, das in dieser dunklen Erde, in diesem zerklüfteten Abgrund der Menschenwelt aufleuchtet. Ein Zeichen ewigen Glückes, ein Morgenrot und ein Feuer, verwehter Klang aus dem Himmel. Hochgelobt und gebenedeit sei das Allerheiligste Sakrament des Altares, von nun an bis in Ewigkeit.

Amen.

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