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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das eucharistische Opfer (Teil 10)

18. August 1996

Ursprung, Wesen und Aufbau der heiligen Messe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Montag sprach mich in der Karmeliterkirche ein Herr an, der vor Jahrzehnten einmal mein Schüler gewesen war. Er ist jetzt Studienrat an einem Mainzer Gymnasium. Dieser Herr beklagte sich bitter über die vielen verunstalteten Gottesdienste, die er erleben müsse. Man spüre das Heilige, das Göttliche in diesen sogenannten Gottesdiensten nicht mehr. Viele erweckten den Eindruck von Unterhaltung. Dieses Erlebnis hat mir aufs neue bestätigt, wie notwendig es ist, daß wir uns nunmehr seit zehn Sonntagen auf das größe Geheimnis der katholischen Kirche besinnen, nämlich das Meßopfer.Wir haben versucht, das entscheidend Wesentliche an der heiligen Messe zu begreifen, nämlich daß sie ein Opfer ist. Und wir waren bemüht, den Opfergedanken zu entfalten, um in das Verständnis dieses Opfers einzudringen und tauglich zu werden, an diesem Opfer teilzunehmen.

Wir wollen heute noch einmal in drei Punkten zusammenfassen, was die heilige Messe uns sein muß und was sie für uns bedeutet. Wir wollen sprechen

1. von der Einsetzung,

2. vom Wesen und

3. von den Hauptteilen der heiligen Messe.

Daß die heilige Messe von Christus eingesetzt worden ist, wird uns durch das Neue Testament bezeugt. Die ersten drei Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas – die sogenannten Synoptiker – berichten übereinstimmend davon, daß der Herr am Tage vor seinem Leiden Brot in seine Hände nahm, es segnete und den Jüngern gab mit den Worten: „Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Nach dem Essen nahm er den Kelch, in dem sich Wein befand, und segnete ihn, gab ihn den Jüngern, wiederum mit den Worten: „Nehmet ihn hin und trinket alle daraus, das ist der Kelch meines Blutes, das für euch vergossen wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“

Es ist nicht zufällig, daß dieses Geschehen, das wir auch als Letztes Abendmahl bezeichnen, am Tage vor dem blutigen Opfertod unseres Herrn geschah. Denn was am Karfreitag in blutiger Form sich am Kreuze ereignen sollte, das nahm der Herr in unblutiger Weise im Abendmahlssaale vorweg, nämlich er reichte seinen Jüngern, nachdem er Brot und Wein in seinen Leib und in sein Blut verwandelt hatte, diese beiden Elemente zur Nahrung und zum Trank. Das entscheidende Geschehnis im Abendmahlssaal war die Wandlung. Christus hat die Opfergaben Brot und Wein gewandelt. Was vorher Elemente dieser Erde waren, das wurde nun zu einem Bestandteil unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Gewiß, die Farbe, der Geschmack, der Geruch, das Aussehen blieben unverändert. Das, was man die Gestalt nennt, hat sich nicht verändert. Meine lieben Freunde, mußte das nicht so sein? Was wäre denn geschehen, welcher Aufschrei wäre durch die Geschichte gegangen, wenn der Herr seinen Leib und sein Blut in der eigenen Gestalt dargeboten hätte? Welche Vorwürfe hätte man da hören müssen? Nein, er hat seinen Leib und sein Blut unter einer fremden Gestalt dargeboten, nämlich unter der Gestalt von Elementen, die unsere tägliche Nahrung und unseren täglichen Trank bilden.

Er hat gleichzeitig bei diesem Geschehen das Abendmahlsopfer der Kirche vermacht. Denn er hat gesprochen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Er wollte, daß diesem Geschehen Dauer verliehen wird, und zu diesem Zweck hat er den Fortsetzungsauftrag gegeben. Er hat ihn gegeben der ganzen Kirche, das ist keine Frage, aber er hat ihn einer Kirche gegeben, in der es ein hierarchisches Priestertum gibt, in der bestimmte Personen ausgesondert und geprägt sind, um als Verkündiger, als Leiter und als Heiliger Gott bei seinem Werke der Erlösung zu dienen. Es ist deswegen nach wie vor gültig, wenn das Konzil von Trient sagt: „Wer bestreitet, daß Christus im Abendmahlssaal die Apostel zu Priestern geweiht hat und ihnen den Auftrag gegeben hat, seinen Leib und sein Blut zu konsekrieren, der sei ausgeschlossen.“ Gegen dieses Dogma, gegen diesen Glaubenssatz des Konzils von Trient hilft es nichts, wenn Bischof Lehmann erklärt, das könne man heute nicht mehr sagen. Wir sagen das auch heute noch! Wir sagen es, weil das Konzil von Trient es uns mit unverbrüchlicher Wahrheitsgarantie gelehrt hat.

Die Einsetzung des eucharistischen Opfersakramentes birgt in sich schon die gesamte Theologie des Meßopfers. Auf eine Wendung bei den Worten des Herrn ist besonders hinzuweisen, nämlich auf das Wörtchen „estin“, „tuto estin to haimamu“ – das ist mein Blut. Er hat nicht gesagt: Das bedeutet mein Blut, das ist ein Bild von meinem Blute oder das ist ein Hinweis auf das blutige Sterben. Nein: Das ist mein Blut. An diesem „estin“ scheitert jeder Versuch, ob er von Zwingli oder Calvin oder wo immer herkommt, das eucharistische Opfer seines wesentlichen Inhaltes zu entleeren. Das Abendmahl ist nicht das letzte Gleichnis Jesu. Es gibt nämlich ein Buch, welches das Abendmahl als das letzte Gleichnis Jesu bezeichnet. Es ist nicht das letzte Gleichnis, sondern ist die Einsetzung des eucharistischen Opfersakramentes mit der wesenhaften Wirklichkeit von Leib und Blut Christi.

Das ist zweitens das Wesen des Meßopfers. In der Meßfeier vollzieht sich das Opfer Christi und das Opfer der Kirche. Das Meßopfer ist zunächst einmal Opfer Christi. Warum? Weil es eine lebendige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers ist. Das Meßopfer lebt ganz und gar von der Beziehung auf das Kreuzesopfer. Es ist ein wahres und eigentliches Opfer, weil es ein relatives Opfer ist, weil es das Kreuzesopfer in sich birgt, weil es ein wirklichkeitserfülltes Bild des Kreuzesopfers ist. Wir haben auch andere Bilder des Kreuzesopfers; wenn wir ein Kreuz an die Wand hängen, wenn wir ein Passionsspiel aufführen, wenn wir den Kreuzweg gehen, dann ist immer das Kreuzesopfer vor unseren Augen. Aber das ist eine bloße Erinnerung. Dagegen was im Meßopfer geschieht, das ist eine wirkliche Vergegenwärtigung. Im Meßopfer tritt das Geschehen des Kreuzestodes in die Gegenwart unter geheimnisvollen Zeichen. Christus opfert sich im Meßopfer, wie er sich am Kreuze geopfert hat. Das ist der wahre und volle Inhalt der heiligen Messe. Er opfert sich, damit wir ihn opfern können. Er opfert sich, damit wir in sein Opfer eingehen können. Um an einem Opfer vollgültig teilzunehmen, gibt es keine andere Möglichkeit, als selbst zu opfern. Und so hat er sich in diesem Opfer bereiterklärt, sich gegenwärtigzusetzen, damit wir etwas haben, damit wir das Höchste haben, was wir opfern können. Christus ist der Opferpriester und er ist die Opfergabe im Meßopfer. Der irdische Priester ist sein Werkzeug. Er kann nichts aus sich, sondern er vermag alles nur in Christus. Aber Christus hat ihn ermächtigt, an seiner Stelle ein sichtbares Opfer darzubringen. Was unsichtbar geschieht, das vollzieht der menschliche Priester in sichtbarer Weise.

Daß Christus die Opfergabe ist, bedeutet, daß wir die höchste, die würdigste Opfergabe besitzen, die sich überhaupt denken läßt. Man könnte auch andere Opfergaben darbringen, und es ist nicht verwerflich gewesen, wenn die Menschen versucht haben, Gott zu versöhnen, indem sie Wertvolles aus ihrem Eigentum ihm dargeboten haben. Aber nein, alle diese Schattenrisse von Opfern sind längst überholt durch das eine Opfer Jesu Christi, das nun vom Aufgang bis zum Niedergang, vom Osten bis zum Westen, dargebracht wird. Das ist ein wahrhaft katholisches Opfer. Katholisch heißt nämlich: überall verbreitet. Es ist ein Opfer, das zu jeder Tageszeit und ein Opfer, das an allen Orten dargebracht wird. Jetzt erfüllt sich die Weissagung des Malachias, daß vom Aufgang bis zum Niedergang Gott ein reines Opfer dargebracht wird. Rein ist es, meine lieben Freunde, weil der Opferpriester und die Opfergabe heilig, schuldlos, unbefleckt sind. Dieses Opfer – so sagt es das Konzil von Trient – kann durch keine Unwürdigkeit und Schlechtigkeit des menschlichen Priesters verderbt werden. Das Opfer bleibt rein und unbefleckt, auch wenn der Priester unwürdig ist, der am Altare steht.

Jetzt haben wir also eine Opfergabe, die wir Gott darbieten können. Unser Flehen im Meßopfer geht dahin, daß Gott diese Opfergabe annehme, nicht wie sie in sich beschaffen ist, sondern wie sie als unsere Opfergabe beschaffen ist. Um die Annahme des Opfers Christi braucht man nicht besorgt zu sein, aber um die Annahme des Opfers Christi, insofern es unser Opfer ist, da müssen wir besorgt sein, ob wir nämlich in der rechten Opfergesinnung, in der rechten Opferbereitschaft, im rechten Opferwillen diese Opfergabe darbringen.

Das Wesen des Meopfers ist die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers, das wir dem himmlischen Vater aufopfern. Die heilige Messe hat drei Teile, drei Hauptteile. Es ist nicht falsch zu sagen: Opferung, Wandlung, Kommunion. Ich werde gleich erklären, warum es nicht falsch ist. Wenn Sie freilich die Schott-Meßbücher vergleichen, da hat sich seit 1937 bis 1996 ein erheblicher Wandel vollzogen. Wenn Sie einmal die Einleitungen nebeneinanderhalten und die Erklärungen, da finden Sie, daß hier ein regelrechtes System von Abschwächungen, von Verharmlosungen sich eingenistet hat. Nein, wir halten an dem fest, was die Kirche, als sie noch gesund war, gelehrt hat und können deswegen durchaus nach wie vor sagen: drei Hauptteile, Opferung, Wandlung, Kommunion. Was geschieht in der Opferung? In der Opferung werden die Opfergaben herbeigebracht, auf dem Altare niedergelegt, geweiht und Gott dargeboten. Die Opfergaben sind unerläßlich. Ohne Opferung gibt es keine Wandlung. Die Opfergaben machen das Opfer Christi zu einem sichtbaren Opfer. Ohne Opfergaben gibt es kein sichtbares Opfer. Sie sind also unentbehrlich, ja wesentlich notwendig für das Meßopfer. Außerdem sind diese Opfergaben ein Sinnbild unser selbst. Wenn die Opfergaben auf dem Altare liegen, dann soll damit gesagt werden: So wie diese Opfergaben hier auf dem Altare befindlich sind, so liege ich vor dir in Ergebenheit und in Gehorsam, in völliger Überantwortung an dich, meinen Gott und Heiland. Und diese Opfererklärung, die Opferbereitschaftserklärung ist unentbehrlich. Das Opfer Christi nützt überhaupt nichts, wenn man nicht in es eingeht. Und deswegen muß an dieser Stelle die Opferbereitschaft der mitfeiernden Gemeinde erklärt werden. Und sie wird in der Messe, die wir feiern, in einer ganz ergreifenden Weise erklärt. Jetzt beginnt tatsächlich die Feier des Opfers Christi, weil die Elemente dieses Opfers bereitgestellt werden.

Wir wissen, daß die eigentliche Opferhandlung Christi selbstverständlich erst bei der Wandlung erfolgt. Die Wandlung ist die eigentliche Opferhandlung Christi. Hier zieht er gleichsam die Gewänder seines Todes an und bringt sich dem himmlischen Vater dar. Das wird äußerlich dargestellt durch die Trennung der Gestalten. Es wird einmal gesagt: „Das ist mein Leib“ und das andere Mal: „Das ist mein Blut.“ Diese Trennung der Gestalten will das Kreuzesopfer abbilden. Als aus den Wunden des Leibes unseres Heilandes das Blut ausgeströmt ist im Tode, haben sich Leib und Blut getrennt; und das wird jetzt nachgespielt, das wird jetzt gleichsam vor den Augen der Gläubigen in einer sinnbildlichen Weise ausgedrückt durch die Trennung der Gestalten von Brot und Wein. Die Wandlung ist also der Kern des heiligen Meßopfers. Deswegen verstummt alles; deswegen knien alle nieder; deswegen spricht der Priester mit ergriffener Stimme diese Worte in einer Weise, die dem Mysterium angemessen ist. Hier in der heiligen Wandlung bietet sich Christus dem Vater im Himmel zur Erlösung der Menschheit dar.

Man kann die heilige Wandlung vergleichen mit dem Opfer des Elias. Der Elias hat bekanntlich in seinem Kampf mit den Baalspriestern ein Tier geopfert; es fiel Feuer vom Himmel als Zeichen der göttlichen Huld, und dieses Feuer hat das Opfertier des Elias – zum Unterschied von dem nicht angenommenen Opfer der Baalspriester – verzehrt. Etwas Ähnliches geschieht in der heiligen Messe. Hier fällt nicht natürliches Feuer vom Himmel, sondern das Feuer des Heiligen Geistes ergreift die dargebrachten Opfergaben und wandelt sie in das Fleisch und in das Blut unseres Herrn und Heilandes. Man kann die Wandlung auch mit der Menschwerdung vergleichen; denn hier wird tatsächlich Christus auf dem Altare gegenwärtig. Ähnlich wie Maria durch ihr Jawort den Erlöser auf die Erde zog, ähnlich-unähnlich tut es der Priester. Der Priester hat gewissermaßen eine ähnliche Funktion wie Maria bei der Menschwerdung. Wegen dieser Vergegenwärtigung unseres Heilandes beten wir am Schluß der heiligen Messe den Johannesprolog. Denn in diesem Johannesprolog kommt der Satz vor: „Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Das bezieht sich aber nicht auf das Geschehen vor 2000 Jahren, sondern die Kirche hat den Johannesprolog deswegen an das Ende der heiligen Messe gesetzt, weil eben hier und jetzt sich die Menschwerdung des Herrn vollzogen hat, nicht in natürlicher, aber in einer verhüllten Gestalt. Deswegen also sagen wir am Schluß der heiligen Messe: „Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Hier und jetzt ist es unter uns Fleisch geworden.

Die dritte Phase, der dritte Hauptteil der heiligen Messe ist die Kommunion. Kommunion heißt Vereinigung. Wenn das Opfer vollbracht ist, wenn wir uns in das Opfer hineinbegeben haben, wenn Gott es angenommen hat, dann schenkt er es uns als Speise für unsere Seele. Es war schon bei den Opfern im Alten Bunde üblich, daß diejenigen, die dem Tempel dienten, auch vom Tempel leben durften. Sie durften die geopferten Tiere, nachdem sie einmal geopfert waren, an sich nehmen. Ähnlich-unähnlich ist es auch in der heiligen Messe. Wenn wir unseren Herrn und Heiland geopfert haben, dürfen wir ihn genießen. Und wir genießen ihn unter den Gestalten von Brot und Wein. Meine lieben Freunde, noch einmal zu dem, was ich vorhin schon sagte: Es muß so sein. Wenn Christus als ein natürlicher Mensch unter uns zugegen wäre, das wäre unerträglich. Das wäre ein kapharnaitisches Essen. Das war ja das Mißverständnis der Juden, als der Herr ihnen die Eucharistie ankündigte, daß sie sagten: „Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben?“ Natürlich nicht das Fleich, das in der Natur vorhanden ist, sondern das Fleisch, das in verklärter Weise in den Gestalten verborgen ist. Das ist es, was uns der Herr anbietet. Und so mußte es sein, wenn immer das Ärgernis vermieden werden sollte, als ob hier ein Essen eines natürlichen Menschen vonstatten ginge. Der Herr schenkt uns die Opferspeisen zurück, damit wir genährt und gestärkt von dannen gehen, damit wir den Opferwillen und die Opferbereitschaft, die wir ja betont haben, im kommenden Leben, in der kommenden Woche, am kommenden Tage verwirklichen können.

Das also, meine lieben Freunde, sind Einsetzung, Wesen und Hauptteile der heiligen Messe. Alle Gegner der katholischen Kirche haben gewußt: Wer die Messe trifft, der trifft die Kirche. „Nehmt dieses Opfer aus der katholischen Kirche, und es wird nichts übrigbleiben als Irrtum und Unglaube“, hat einmal der heilige Bonaventura geschrieben. Wahrhaftig, so ist es! Wer die Kirche liebt und wem an der Kirche gelegen ist, der muß dieses Opfer hochhalten als das größte Kleinod dieser Kirche. Wer sie verwunden und treffen will, der muß das Meßopfer in eine Mahlgemeinschaft verwandeln, der muß hier in Unterhaltungsübungen die Menschen um ein vermeintliches irdisches Gemeinschaftsmahl versammeln. Nein, wir wollen festhalten am Wesen des Opfers als der sakramentalen Epiphanie, als der sakramentalen Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers. Nehmt dieses Opfer von der katholischen Kirche, und es wird nichts bleiben als Unglaube und Irrtum.

Amen.

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