7. November 2010
Schuldig werden an fremden Sünden
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
„Ab occultis meis munda me et ab alienis parce servo tuo.“ So haben wir Priester heute in unserem Gebetbuch gebetet. „Von verborgenen Sünden reinige mich und laß mich mit fremder Schuld nichts zu tun haben.“ Es gibt verschiedene Arten von Sünden, die eigenen und die fremden. Die eigenen Sünden sind die, die wir selbst begehen; die fremden sind Sünden, die andere begehen, an denen wir aber Schuld tragen, indem wir nämlich zu den Sünden raten, Sünden anbefehlen, bewilligen, loben, unterstützen, verteidigen, dazu reizen und nicht bestrafen. Das Thema unserer Überlegungen heute sollen die fremden Sünden sein.
Erstens: Zur Sünde raten. In der Heiligen Schrift ist wie in einem Lehrbuch über jede Sünde etwas zu lernen, auch über die Sünde „zur Sünde raten“. Rebecca riet dem Jakob zum Betrug. Er sollte den Segen des Vaters erschleichen und damit ihn seinem Bruder Esau wegnehmen. Sie riet ihm zur Sünde. Kaiphas, der Hohepriester, riet, Jesus umzubringen. „Es ist besser, dass einer stirbt, als dass das ganze Volk zugrunde geht.“ So mancher Mann, jawohl, so mancher Mann und so manche Eltern, jawohl, so manche Eltern raten einer Tochter, einer Gattin, das Kind abzutreiben. Im 15. Jahrhundert regierte jahrzehntelang das Deutsche Reich der Kaiser Friedrich III. Er war Vormund des jungen Königs Ladislaus von Ungarn. Eines Tages traten einige Kammerherren zu ihm und sagten: „Bringe doch den Ladislaus um, dann fallen dir die beiden Königreiche Ungarn und Böhmen zu.“ Der König war entrüstet über diesen Rat und entließ seine Kammerherren. Das ist in der Geschichte geschehen, aber es geschieht auch in der Gegenwart. Nach dem Kriege erzählte mir einer meiner Lehrer vom Gymnasium, ein evangelischer Pfarrer habe ihm eine Zeitschrift empfohlen, in der die katholische Kirche systematisch kritisiert und heruntergemacht wird. In welcher Absicht? Nun, dass dieser katholische Lehrer vom Glauben abfiele.
Zweitens: Zur Sünde Befehl geben. Der ägyptische Pharao ließ die neugeborenen Judenknaben töten. Herodes gab den Befehl zum Kindermord von Bethlehem. David befahl dem Joab, seinem Feldherrn, den Urias, dessen Frau er begehrte, dem Tode auszusetzen. Im Kriege gegen die Sowjetunion erließ das Oberkommando der Wehrmacht den sogenannten Kommissarbefehl. Nach diesem Befehl waren die politischen Kommissare der Roten Armee nach der Gefangennahme sofort zu erschießen. Ein unglaubliches Unrecht. In diesen Tagen, meine lieben Freunde, ist ein Buch erschienen von Frau Elene Villar, einer Amerikanerin. Sie erzählt darin ihre Lebensgeschichte. Es ist die Geschichte von 15 Abtreibungen in 17 Jahren – 15 Abtreibungen in 17 Jahren! Der Mann, mit dem sie jahrzehntelang Unzucht getrieben hatte, ein amerikanischer Universitätsprofessor, wollte keine Kinder und befahl ihr, veranlaßte sie, die Leibesfrucht zu töten. Zur Sünde Befehl geben.
Drittens: In die Sünde anderer einwilligen. Die jüdischen aufgehetzten Massen begehrten den Tod Jesu, und Pilatus willigte trotz besserer Erkenntnis ein. Aaron, der Bruder des Moses, willigte ein, als das Volk das Goldene Kalb begehrte als Götzen, den es anbeten wollte. Auch heute kommen derartige Sünden vor. Zum Beispiel Parlamentarier, die sich durch die Fraktionsdisziplin gewinnen lassen, einem schlechten Gesetze zuzustimmen. Sie haben vielleicht beobachtet, was in der Nacht zu Allerheiligen wieder geschehen ist, an Halloween, wie man das heute nennt. Da sind jugendliche Banden ausgezogen, haben Häuser beschädigt, haben Menschen herausgefordert. Sie haben Ruhestörungen vorgenommen, Schlägereien verursacht. In Hamburg mußte die Polizei über hundert Mal ausrücken. Irgendein Anführer einer solchen Bande hatte andere dazu verleitet, und sie haben eingewilligt, mitzumachen bei dieser schrecklichen Halloween-Feier.
Viertens: Zur Sünde verleiten. Wir kennen alle die psychologisch meisterhafte Erzählung im ersten Buch der Heiligen Schrift, wie die Schlange die Menschen verführte, zuerst die Eva, und durch die Eva dann den Adam. Noch oft ist in der Heiligen Schrift von Verführung die Rede. Salomon war ein großer König, ein bedeutender Herrscher. Aber er ließ sich verführen von seinen fremden Frauen. Er hatte einen großen Harem, und die Frauen wollten alle ihre Götzen, ihre heimischen Götzen in Jerusalem haben, und der König hat das geduldet, er hat das hingenommen. Er ließ Astarte, Molchoch, Wilkoch und andere Götzen in Jerusalem, das doch eigentlich dem wahren Gott geweiht war und gehörte, ausbreiten. „Ein böser Gesell führt zehn andere zur Höll.“ Das ist eine alte Erfahrung. Wir haben es in der Wehrmacht erlebt, wie ein Feldwebel beim Ausgang den Soldaten sagte: „Dass mir keiner zurückkommt, der sein Mädchen nicht umgelegt hat!“ Sie wissen, was das bedeutet. Verführung auch durch viele Sendungen des Fernsehens. „Sex and crime“, sagt man, also Geschlechtslust und Verbrechen werden gezeigt, und so werden unsere Menschen, unser Jugendlichen angeleitet, wie man sich geschlechtliche Befriedigung verschafft und wie man Verbrechen begeht. Gleichzeitig wird ihnen das Wohlleben und das Vergnügen vorgeführt, wird die Unsittlichkeit und die Arbeitsscheu ermuntert. Das heißt: Zur Sünde verleiten. In meiner Jugend – ich weiß nicht, ob es heute noch so ist – gab es die Angewohnheit, dass Jungen, die einen anderen verleiten wollten, zu ihm sagten: „Du traust dir nicht!“ Damit sollte er aufgeheizt werden, sich zu trauen, also Böses zu tun. „Du traust dir nicht!“
Fünftens: Die Sünde anderer loben. Im Buch Ezechiel ist die Rede von falschen Propheten. Von ihnen wird gesagt: „Sie schauen Heilsgesichte, während die Wirklichkeit heillos ist.“ So machen es immer die falschen Propheten. Sie suchen die Leute zu beruhigen, statt sie aufzurütteln und zu mahnen. Der Herr hat selber vor der Sünde derer gewarnt, die andere Sünder loben: „Ihr baut den Propheten Denkmäler, nachdem eure Väter sie getötet haben. Sie haben sie getötet, und ihr baut ihnen Denkmäler, und so zeigt ihr damit, dass ihr die Taten eurer Väter billigt.“ Die Sünde anderer loben. Das geschieht auch in der Öffentlichkeit, meine Freunde. Denken Sie etwa an die Verleihung von Buchpreisen an Autoren, deren Bücher Schmuddeleien sind. Ich habe nie begriffen, wie man den Nobelpreis an eine Mann wie den Herrn Grass verleihen konnte.
Sechstens: Die Sünde anderer nicht strafen. Da ist im Alten Bund die Rede vom Priester Heli. Er hatte zwei Söhne. Diese Söhne beraubten das Opfergut, das die Israeliten zum Opferaltar trugen. Sie pickten sich das Fleisch aus dem Tiegel, das an sich zum Opfer bestimmt war, ja sie forderten das frische Fleisch, das die Israeliten zum Opfer brachten. Und der Priester, Vater Heli, strafte sie nicht. Durch die Strafe wird der Ernst der Vergehen sichtbar gemacht. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, sagt der Volksmund, und das ist richtig. Wenn die Strafe unterbleibt, dann denken die Menschen: Das ist erlaubt. Durch das Unterlassen der Strafe wird die Übertretung des Gesetzes ermuntert, wird gleichsam zur Übertretung eingeladen. Und da wäre an den Staat, an unseren Staat, an die Regierung und an das Parlament die Frage zu richten, weshalb sie bestimmte schwere Sünden nicht unter die Vergehen oder Verbrechen einreihen und entsprechend bestrafen. Die Sünde anderer nicht strafen, die man pflichtmäßig strafen müßte, ist Teilnahme an einer fremden Sünde.
Siebentens: Zur Sünde anderer stillschweigen. Die Hohenpriester gaben am dritten Tage nach der Beisetzung Jesu die Parole aus: „Die Jünger sind gekommen und haben den Leichnam gestohlen.“ Und die Soldaten schwiegen dazu. Sie wußten es ja besser, aber sie ließen sich durch Bestechung zum Schweigen bringen. Die Propheten wußten, dass man zur Sünde nicht schweigen darf, die andere verüben. Johannes der Täufer schwieg nicht zu der Sünde seines Landesherrn: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben.“ Er bezahlte diese Mahnung mit dem Tode. Als in Berlin 1938 die Synagogen brannten, da sprach der katholische Dompfarrer Bernhard Lichtenberg öffentlich seine Mißbilligung aus: „Das ist auch ein Gotteshaus!“ Er landete im Gefängnis und wurde ins Konzentrationslager überführt, starb aber auf dem Wege. So bezahlen diejenigen ihren Freimut, die zur Sünde anderer nicht schweigen. Sie alle wissen, was heute an vielen Stellen in unserer Kirche geschieht. Das Evangelium wird verbogen, die Ordnung der Kirche wird nicht eíngehalten, die Liturgie wird verunstaltet. Aber viele Obere schweigen, sie schweigen zur Sünde anderer. Ich kenne eine Pfarrei, in welcher der Oberministrant die Brüste von Ministrantinnen berührt, und der Pfarrer weiß es, und er schweigt.
Achtens: Zur Sünde anderer mithelfen. Judas lieferte Jesus den Juden, den Feinden Jesu des Herrn, aus. Saulus war an der Steinigung des Stephanus beteiligt. Der König von Italien, Victor Emmanuel, beauftragte einmal den deutschen Künstler und Bildhauer Achtermann, ihm eine Statue der heidnischen Liebesgöttin Venus anzufertigen. Der Künstler antwortete dem König: „Ganz Italien hat nicht so viel Geld, um diese Arbeit zu bezahlen, ehe ich an eine solche Statue einen Finger rühre.“ Er fürchtete, dass von der Statue die Erregung unerlaubter Begierden ausgehen könnte, und daran wollte er sich nicht schuldig machen. Heute machen sich viele schuldig, helfen zur Sünde mit, indem sie feindselige, schlechte Zeitungen und Zeitschriften halten. Damit helfen sie zur Sünde anderer mit, denn sie unterstützen ja mit ihrem Geld, dass die Zeitungen und Zeitschriften erscheinen können. Die Herausgeber müßten die Zeitschriften und Zeitungen einstellen, wenn niemand sie abonnieren würde. Hierher, zur Sünde mithelfen gehört das weite Feld der materiellen Mitwirkung mit der Sünde anderer. Neulich hörte ich, dass Eltern ihre Aufsichtspflichten versäumen, und das sagen nicht Priester, sondern Beauftragte des Jugendamtes. Eltern versäumen ihre Aufsichtspflicht. Sie setzen Kinder vor den Fernsehapparat, da sind sie beschäftigt, und man hat Ruhe. Oder sie sehen zu, wie Kinder im Internet surfen und dort alles mögliche Schlechte aufnehmen. Wenn die Eltern das dulden, helfen sie zur Sünde der Kinder mit.
Neuntens: Die Sünde anderer verteidigen. Vom König Achab wird berichtet, dass neben seinem Palast ein Weinberg war, der Nabod gehörte. Der König wollte diesen Weinberg haben. Er bot ihm an, ihn zu kaufen. Aber Nabod sagte: Nein, das ist das Erbe meiner Eltern, das verkaufe ich nicht. Da gab ihm die Königin Jezabel einen Rat, nämlich man sollte zwei falsche Zeugen finden, die aussagen, Nabod hat den König und Gott gelästert. Und tatsächlich, diese beiden Kerle erschienen, sagten aus, Nabod habe das große Verbrechen begangen; er wurde gefangengenommen und hingerichtet. Der König nahm den Weinberg. Das heißt die Sünde anderer verteidigen. Wer homosexuelle Betätigung als eine erlaubte Weise geschlechtlichen Handelns hinstellt, der verteidigt die Sünde anderer, der verwirrt die Gewissen, der hilft zur Ausbreitung des Lasters.
Fremder Sünden, meine lieben Freunde, können sich leicht schuldig machen Vorgesetzte, irdische Machthaber, gesetzgebende Körperschaften, Eltern, Arbeitgeber, Herausgeber von Zeitungen und Zeitschriften. Wer sich einer fremden Sünde schuldig macht, ist mindestens so strafbar wie der, der selbst sündigt. Wer einen anderen zur Sünde verleitet, kann sogar noch strafbarer sein. Außerdem sündigt er gegen die Nächstenliebe. Er tut es dem Teufel gleich, dem Teufel, der nicht bloß selbst böse ist, sondern der auch andere böse machen will. Fremde Sünden sind ein düsteres Kapitel unseres Lebens. Wir Priester beten jeden Sonntag: „Ab occultis meis munda me et ab alienis parce servo tuo.“ Reinige mich von verborgenen Sünden und laß mich mit fremder Schuld nichts zu tun haben.
Im letzten Buch der Heiligen Schrift, der Apokalypse, wird berichtet, wie Gott die Engel aussendet und wie sie aus allen Enden die Verführer, die Verführer und die Übeltäter herbeibringen und in den Feuerofen werfen, wo Heulen und Zähneknirschen ist.
Meine lieben Freunde, halten wir uns an die Mahnung des Apostels Paulus: „Sei nicht jenem zum Verderben, für den Christus gestorben ist.“ Sei nicht jenem zum Verderben, für den Christus gestorben ist.
Amen.