Predigtreihe: Die Sakramente – Zeichen und Verpflichtung (Teil 1)
5. Februar 2006
Das Sakrament der Taufe
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Der grundlegende Satz der katholischen Lehre von den Sakramenten lautet: „Die Sakramente wirken das, was sie anzeigen.“ Sie sind keine toten, sondern lebendige Zeichen. Sie sind nicht unwirksame, sondern wirksame Zeichen. Die Sakramente wirken das, was sie anzeigen. Das gilt auch für das erste und wichtigste Sakrament, für die Taufe. Die Taufe ist 1. die Tilgung der Sünde, 2. die Begabung mit dem Heiligen Geiste und 3. die Einprägung eines unauslöschlichen Zeichens.
Was zeigt die Taufe an? Sie zeigt eine Waschung an, eine Abwaschung. Das Wasser fließt über den ganzen Körper oder wenigstens über den Scheitel eines Menschen, und das ist Zeichen der Reinigung. Was aber äußerlich angedeutet wird, das wird innerlich gewirkt. In dem Augenblick, wo das Wasser über den Scheitel des Täuflings fließt, wird der Täufling von Schuld und Sünde gereinigt. In diesem Sinne schreibt der Apostel Paulus: „Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht gemacht im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste unseres Gottes.“ In jeder heiligen Messe am Sonntag bekennen wir: „Ich glaube an die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.“ Die Tauflehre ist gegen die Neuerer im Konzil von Trient endgültig festgelegt worden. Da heißt es: „Die Wirkung der Taufe ist der Nachlaß jeder Sünde, der Erbsünde und der persönlichen Sünde, und jeder Strafe, die für die Schuld geschuldet wird. Darum brauchen die Getauften keine Buße für vergangene Sünden zu leisten, sondern sie kommen, wenn sie sofort nach der Taufe sterben, sogleich in das Himmelreich.“ Wegen dieser umfassenden Wirkung der Taufe hat die Kirche stets Wert darauf gelegt, dass die Taufe wenn möglich jedem gespendet wird, und zwar möglichst bald. Man soll, wenn ein Kind zur Welt kommt, nicht lange warten, bis das Kind getauft wird. Es hat zwar immer Leute gegeben, die gesagt haben, man soll die Taufe aufschieben, bis die Kinder selbst entscheiden wollen, ob sie getauft sind. Meine Freunde, die Taufgnade darf nicht warten, weil die Erbsünde nicht gewartet hat. Und wenn die Taufe aufgeschoben wird, so besteht die Gefahr, dass sie ganz unterbleibt.
Im vorigen Jahrhundert lebte in Frankreich ein grimmiger Feind des deutschen Volkes, aber auch der katholischen Kirche, nämlich der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau. Der Vater dieses Georges Clemenceau war ein wilder Atheist. Er ließ seine Frau schwören, dass sie ihre 6 Kinder nicht taufen werde; und so blieb auch Clemenceau, der „Tiger“, wie er genannt wurde, ungetauft. Sein Leben war auch entsprechend: ein hasserfüllter Feind der katholischen Kirche, ja der Religion, und ein Unzüchtiger, ein notorisch Unzüchtiger in seinem ganzen 86jährigen Leben. Die erste Wirkung der Taufe ist die Reinigung von Sünden.
Die zweite ist die Heiligung der Seele. Der Mensch bekommt in der Taufe neue Lebenskräfte eingesenkt. Die Taufe ist eben ein Absterben mit Christus und ein Auferstehen mit ihm. Das Taufwasser vermittelt die Gnade. „Wißt ihr nicht“, schreibt Paulus, „dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind? Denn mitbegraben sind wir mit ihm durch die Taufe auf den Tod. Wie aber Christus durch die Herrlichkeit des Vaters vom Tode auferstanden ist, so sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.“ Das Wasser ist ja auch Lebensprinzip. Wir wissen, wie lebensnotwendig, wie unentbehrlich das Wasser ist, und wie der Kampf um das Wasser in vielen Gegenden der Erde schon entbrannt ist und immer noch sich verschärfen wird. Das Wasser ist Andeutung des neuen Lebens, und deswegen spricht der Apostel Paulus vom „Bad der Wiedergeburt“ und der Erneuerung im Heiligen Geiste. Ja, der Herr selbst hat im Gespräch mit Nikodemus die Taufe als Wiedergeburt bezeichnet. Es wird in der Taufe ein neuer Lebensgrund in uns hineingelegt, und wir werden mit neuen, übernatürlichen Lebenskräften ausgestattet. „Wenn einer in Christus ist, ist er ein neues Geschöpf“, schreibt Paulus in einer kühnen Wendung, kainä ktisis – ein neues Geschöpf, eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
Wenn Sie aufmerksam die heilige Messe mitfeiern, dann können Sie, wenn der Priester Wein und Wasser mischt, beobachten, wie er spricht: „Gott, du hast den Menschen wunderbar geschaffen und noch wunderbarer erneuert.“ Diese Erneuerung ist durch die Taufe geschehen. Und nicht nur das neue Leben kommt in den Menschen hinein, Gott selber nimmt in der Seele des Menschen Wohnung. Ein unaussprechliches Geheimnis! Aber eine wahre und eine wirkliche Erneuerung durch die Ankunft des Heiligen Geistes. „Wisst ihr nicht“, schreibt Paulus den Sklaven von Korinth, „wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid und dass der Geist Gottes in euch wohnt?“
Reinigung von der Sünde, Erneuerung im Geiste und drittens die Einprägung eines unauslöschlichen Merkmals: Das ist die Wirkung der Taufe. Wir werden durch die Taufe Christus verähnlicht. Es wird uns ein unauslöschliches Merkmal eingeprägt, ein Kennzeichen und ein Mal. Das erinnert daran, dass die Legionäre im römischen Heere das Zeichen ihres Feldherrn trugen oder dass die Sklaven ein Brandzeichen trugen, das sie als das Eigentum ihres Herrn auswies. So tragen auch wir ein Merkmal Christi in unserer Seele; wir werden ein Abbild Christi. Er gliedert uns sich an und seinem geheimnisvollen Leibe ein. Diese Christusverbundenheit ist die Wurzel unserer ganzen Heiligung. Von hier strömt das Leben Christi in uns. Und wenn es einmal verloren geht durch die schwere Sünde, dann kann durch dieses Merkmal eine Erneuerung stattfinden in der Buße. Wir hören dadurch, dass wir sündigen, nicht auf, ein Glied Christi zu sein. Wir sind zwar ein totes Glied, aber wir bleiben ein Glied Christi, und wir können wieder ein lebendiges werden, wenn uns Christus mit seiner Gnade heimsucht. Dieses Christusmal verbindet uns auch mit allen anderen Christen, mit seiner Kirche. Wir sind fähig, am Opfer Christi teilzunehmen, mitzuopfern.
Vom römischen Kaiser Titus wird erzählt, dass er in seinem Tiergarten einen wertvollen Hirsch hielt. Er war ihm so kostbar, dass er ihm ein Schild umhängen ließ: „Caesaris sum“ – ich gehöre dem Kaiser, damit dieser Hirsch unverletzt und unangetastet blieb. Caesaris sum – ich gehöre dem Kaiser. So gehören wir Christus, und dieses Christusmal in uns veranlasst den Vater im Himmel, uns gnädig anzuschauen, bewegt den Sohn, uns nahe zu sein mit seiner Gnade, und ruft die Engel zu unserem Schutze auf. Die Taufe bewirkt das, was sie anzeigt. Wir haben drei Wirkungen kennengelernt: Sie reinigt von der Schuld, sie begabt uns mit Heiligem Geist, und sie prägt uns ein unauslöschliches Merkmal ein.
Diese Wirkungen legen uns aber auch große Verpflichtung auf. Die Taufe ist mit einem Gelübde verbunden, nämlich mit dem Versprechen, der Taufgnade gerecht zu werden. Wenn Sie einer Taufe beiwohnen, dann hören Sie, wie der Priester den Täufling fragt: „Widersagst du dem Taufel und seiner Pracht und Herrlichkeit?“ Der Täufling antwortet: „Ich widersage.“ Und wie er ihn fragt: „Glaubst du an Gott, den allmächtigen Vater, an Jesus Christus, an die katholische Kirche?“ Und die Antwort lautet: „Ich glaube.“ Die Salbung mit Katechumenenöl und mit Chrisam erinnert daran, dass der Getaufte fortan ein Christ ist, und das heißt ja wörtlich übersetzt: ein Gesalbter. Er ist ein Gesalbter. Und diese Salbung verpflichtet ihn so wie das weiße Kleid und die Kerze, die dem Täufling überreicht wird: „Nimm hin das weiße Kleid und bringe es unbefleckt vor den Richterstuhl Christi“, so spricht der taufende Priester. „Nimm hin die brennende Kerze und bewahre deine Taufunschuld ohne Tadel, damit, wenn der Herr kommt und dich ruft zum himmlischen Hochzeitsmahl, du ihm entgegengehen kannst mit allen Heiligen.“ Die ganze Taufverpflichtung kann man in zwei Worten zusammenfassen, nämlich „Nachfolge Christi“. Wir sollen teilnehmen an seinem Leben, an seinem Leiden, an seinem Sterben. An seinem Leben nehmen wir teil durch die Gnade. An seinem Leiden nehmen wir teil, indem wir ihm das Kreuz nachtragen. An seinem Sterben nehmen wir teil, wenn auch unser Tod zur Durchgangspforte zur Herrlichkeit wird.
Aber nicht alle folgen dem Herrn. Wie steht so schön in dem Buch von der Nachfolge Christi geschrieben: „Christus hat jetzt viele Jünger, aber viele folgen ihm nur bis zum Brotbrechen, nicht bis zum Trinken des Leidensbechers. Viele verehren seine Wunder, aber wenige folgen der Schmach seines Kreuzes.“ Und doch sind wir aufgerufen, ihm in seinem ganzen Leben und Leiden zu folgen. Unsere Taufverpflichtung zwingt uns, ein wahrer Christ zu sein. Im Jahr 177 wurde in Lyon in Frankreich eine ganze Schar von Christen zu Tode gebracht. Einer von ihnen war der Diakon Sanctus. Der Richter fragte ihn nach seinem Namen, nach seiner Herkunft, nach seinem Beruf. Sanctus gab immer nur eine Antwort: „Ich bin ein Christ.“ Er sagte nichts anderes. „Ich bin ein Christ.“ Und damit, meinte er, sei alles gesagt. Wahrhaftig, wir sollen in einem neuen Leben wandeln, wenn wir getauft sind. Es soll von uns gelten, was Minutius Felix einmal an den Kaiser schrieb: „Non eloquimur magna, sed vivimus“ – Wir Christen sprechen nicht große Dinge, wir machen keine großen Sprüche, sondern wir leben das, was wir glauben. Non eloquimur magna, sed vivimus. Des Katholiken charakteristisches Zeichen soll sein nicht, dass er von der Religion redet, sondern dass er sie lebt.
Zwei Gottesbeweise werden immer die tatkräftigsten bleiben, nämlich wenn die Gottesgläubigen nach ihrem Glauben leben und für ihren Glauben sterben. Der große Papst Leo im 5. Jahrhundert hat einmal beschrieben, was man von den Täuflingen erwartet und was sie eben auch zum großen Teil erfüllt haben. Er schreibt: „Die Sünde kehrt zurück zur Unschuld. Was alt war, wird neu. Fernstehende werden an Kindes Statt angenommen, Fremdlinge treten das Erbe an. Aus Gottlosen werden Gerechte, aus Geizigen Mildtätige, aus Unenthaltsamen Jünger der Keuschheit und aus jenen, welche die Welt liebten, eifrige Anhänger des Himmlischen.“ Kein Sakrament ist so notwendig wie die Taufe. Sie ist das Eingangstor zur Kirche und zum ewigen Leben. „Wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und im Heiligen Geist, kann er in das Reich Gottes nicht eingehen“, sagt Jesus im Johannesevangelium.
Wegen ihrer Notwendigkeit hat Gott, hat die Kirche die Taufspendung so leicht gemacht. Normalerweise spendet die Wassertaufe der Priester, der Pfarrer. Er ist ja der geistliche Vater seiner Gemeinde. Aber es kann auch jeder andere sie spenden, ein Christ, sogar ein Nichtchrist. Ja, ein Nichtchrist, der selber nicht an die Taufe glaubt, kann die Taufe gültig spenden. Wenn er tut, was die Kirche tut, nämlich Wasser über den Scheitel des Täuflings gießt und die Worte spricht: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, tauft selbst ein Nichtchrist gültig. Aber nicht genug damit. Es gibt ja viele Menschen, welche den Taufbefehl Jesu nicht kennen, die nichts davon wissen, dass er gesagt hat: „Wer getauft wird und glaubt, der kommt in das Himmelreich.“ Es gibt also viele, die Christus und seine Taufe nicht kennen. Auch diese können durch die Taufe, jawohl, durch die Taufe gerettet werden. Aber diese Taufe ist anderer Art als die Wassertaufe; es ist die Begierdetaufe. In dem Wunsch und Willen, in der festen Absicht, alles zu tun, was Gott befiehlt, ist der Wille eingeschlossen, sich auch der Taufe zu unterwerfen, wenn immer man wüsste, dass sie das Eingangstor zur Kirche und zur ewigen Seligkeit ist. Also: Ein jeder, der bereit ist, alles zu tun, was Gott von ihm fordert und ohne seine Schuld die christliche Religion nicht kennt, der kann durch die Begierdetaufe gerettet werden.
Und noch eine Weise der Taufe gibt es, nämlich die so genannte Bluttaufe. Wenn jemand unter die Taufbewerber eingereiht ist, also schon an Christus glaubt und das Verlangen hat, die Taufe zu empfangen und dadurch in die Kirche Gottes einzutreten, wenn er aber vor Empfang der Taufe stirbt, und zwar stirbt durch Gewalt, weil er ein Christ ist, weil er also gemartert wird, der empfängt die Bluttaufe. Wir wissen einen solchen Fall aus dem Jahre 392. Damals regierte das römische Reich der Kaiser Valentinian. Er war ein junger Mann und war auf der Reise nach Mailand zum heiligen Ambrosius. Er wollte sich von Ambrosius taufen lassen. Aber auf dem Wege wurde er auf Anstiften seines Feldherrn Arbogast ermordet. Der heilige Bischof Ambrosius hat ihm die Trauerrede gehalten, und in dieser Trauerrede sagte er: „Wie der Martyrer durch sein Blut reingewaschen wird, so hat ihn sein Verlangen nach der Taufe gereinigt.“
Wir sollten uns öfter, als es geschieht, an die Taufe erinnern. Wir sollten Tauferneuerung halten. Wir sollten bedenken, wer uns angenommen hat und wem wir ähnlich geworden sind. Wir sind Christus angegliedert worden, wir sind Glieder seiner Kirche geworden, wir sind Anwärter auf das ewige Leben. In früheren Jahrzehnten haben wir katholische Christen mit Begeisterung das schöne Lied gesungen:
„Fest soll mein Taufbund immer stehn, ich will die Kirche hören.
Sie soll mich allzeit gläubig sehn und folgsam ihren Lehren.
Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad in seine Kirch berufen hat.
Nie will ich von ihr weichen.“
Amen.