21. Dezember 2008
Advent – Erwartung der Auferstehung der Toten
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Die Adventszeit schaut aus auf ein vergangenes Ereignis, nämlich die Geburt unseres Heilandes Jesus Christus in Bethlehem. Aber der Advent hat auch noch eine andere Richtung. Er schaut aus auf die Wiederkunft des Herrn, auf die zweite Ankunft. Die erste geschah in Armut, die zweite wird geschehen in Macht. Der zweiten Ankunft des Herrn sind verschiedene Ereignisse zugeordnet. Eines der für unser Verstehen am schwersten zugänglichen Ereignisse ist die Auferstehung der Toten.
Als Paulus in Athen, also in der Stadt der Bildung, von der Auferstehung der Toten sprach, da lachten sie ihn aus und sagten: „Wir wollen dich ein andermal hören.“ Paulus aber kann nicht aufhören, von dem zu sprechen, was der Herr ihm aufgetragen hat. Und er hat ihm aufgetragen, zu verkünden: Es ist einer gesetzt, der die Toten aus den Gräbern rufen wird. Es ist Jesus Christus, unser Herr und Heiland. Und so nimmt er denn im 1. Brief an die Korinther Stellung zu dieser Frage. Er hat in diesem Brief verschiedene andere Gegenstände behandelt: die Eucharistiefeier, die Ehe, die Gaben des Geistes. Aber jetzt kommt er zu sprechen auf die Auferstehung der Toten. „Die Toten werden auferstehen.“ Warum und weshalb? Weil sie Christus folgen, weil Christus ihnen vorangegangen ist. Er ist der neue Adam, und was am neuen Adam geschieht, muss an allen Adamskindern geschehen. So wie im alten Adam alle sterben, müssen im neuen Adam alle auferstehen.
Gott wird die Leiber der Verstorbenen auferwecken, um seine Gerechtigkeit zu zeigen und um den Erlöser zu verherrlichen. Die Auferstehung deutet die Gerechtigkeit des Herrn an, weil eben nicht bloß die Seele belohnt wird oder bestraft wird, sondern auch der Leib, der ja das Werkzeug der Seele ist. So ist die Vergeltung erst vollkommen, wenn auch der Leib in die Vergeltung einbezogen wird. Erst da ist die Gerechtigkeit des Herrn gesichert. Christus wollte aber auch den Menschen vollständig erlösen, nicht nur dem Geiste nach, sondern auch dem Leibe nach. Bliebe die Auferstehung des Leibes aus, so wäre die Erlösung nur eine halbe, aber Gott macht keine halben Sachen. Die Toten werden also leibhaft auferstehen.
Doch jetzt kommt dann die Schwierigkeit, der Einwand: Wie werden sie auferstehen? Wie ist der Leib, mit dem sie auferstehen werden? Der Apostel gibt darauf folgende Antwort: Gott gibt und schafft die Körper und den Leib ganz wie er will. Verschiedene Leiber für die Fische, für die Vögel, für die Menschen. In seiner Reichtumsfülle und in seiner absoluten Macht gibt es keine Grenzen schöpferischen Gestaltens und Umgestaltens. Freilich muss man, wenn man versucht, die Auferstehung der Toten zu erklären, bedenken: Gottes Wundertat übertrifft, übersteigt menschliche Einsicht und muss sie übersteigen. Wenn Gottes Macht das Verstehen der Menschen nicht überstiege, dann wäre es keine göttliche Macht mehr, dann könnte der Mensch sich diese Macht aneignen. Es muss ein Rest bleiben, der Gott vorbehalten ist, weil er Gott ist.
Aber die Daseinsweise des Auferstehungsleibes – zugegeben – bereitet dem Denken Schwierigkeiten. Denn es ist eine doppelte Tatsache zu beachten. Der Auferstehungsleib ist einerseits mit dem gegenwärtigen Leibe identisch; er ist andererseits von dem gegenwärtigen Leibe verschieden. Das ist kein Widerspruch, denn die Identität und die Verschiedenheit bezieht sich auf verschiedene Gegenstände. Der Auferstehungsleib ist mit dem gegenwärtigen Leib identisch, weil er der Leib dieser Person ist. Er ist der Leib dieses Menschen, der geboren wurde und der mit einem Leibe durch die Zeitlichkeit ging. Der Auferstehungsleib bleibt der Leib desjenigen Menschen, der bei der Geburt einen solchen Leib auf die Erde gebracht hat. „Dieses Verwesliche“, sagt Paulus, „muss anziehen die Unverweslichkeit, und dieses Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.“ Die Menschen werden in ihren eigenen Leibern auferstehen. Sie werden dieselben Leiber, und nicht fremde, wiederbekommen. Ebensowenig wie die Seele eine andere ist, ist auch der Leib total verschieden von dem Leibe, den wir auf Erden getragen haben. Dass der Auferstehungsleib wesentlich identisch ist mit dem irdischen Leibe, das sieht man daraus, dass der Leib Christi, des Auferstandenen, die Wundmale behalten hat. Der Apostel Thomas durfte seine Hand in die Seite legen und die Finger in die Wunden der Hände und der Füße. Wegen der wesentlichen Identität des Auferstehungsleibes mit dem jetzigen Leib konnten Perpetua und die übrigen Martyrer, als sie hingerichtet wurden, als sie grässlich und grausam zu Tode kamen, als sie von den Heiden begafft wurden, sagen: Ja, seht uns nur gut an, damit ihr uns wiedererkennt bei der Auferstehung von den Toten!
Der Auferstehungsleib wird aber freilich verwandelt sein. Der eine, mit sich identische Leib wird eine veränderte Gestalt besitzen. Das versucht Paulus in mehreren Ansätzen herauszuarbeiten. Er sagt erstens: Es ist ein Leib der Unverweslichkeit und der Freiheit von allem Leid. Einen solchen Leib kennen wir auf Erden nicht. Unser gegenwärtiger Leib ist anfällig, hinfällig, ach, allzu anfällig und allzu hinfällig. Er ist vergänglich, der Krankheit, dem Schmerz, den Leiden und dem Tod unterworfen. Und nach dem Tode verwest er. Aus diesem Unterschied ergibt sich die wesentliche Andersartigkeit des Auferstehungsleibes. Er ist frei von den Bindungen und Belastungen des irdischen Leibes. Er ist leidensunfähig und schmerzensunfähig. Weil er unverweslich ist, ist er auch unsterblich. Der Auferstehungsleib ist unsterblich. Und diese Auferstehungswirklichkeit, meine lieben Freunde, bereitet sich jetzt schon vor, auf zweifache Weise, nämlich einmal, wie im Paradiese die Frucht des Lebensbaumes dem Körper die Unsterblichkeit mitteilen sollte, so ist es jetzt die heilige Kommunion, die das Unterpfand der Auferstehung und der Unsterblichkeit ist. Jawohl, so ist es. Die Kommunion setzt uns Keime ein, Unsterblichkeitskeime, und diese Keime werden sich entfalten bei der Auferstehung der Toten. Und ein zweites: Wir haben einen Kern des Auferstehungsleibes in uns durch den Heiligen Geist. Der Heilige Geist, der in uns lebt, ist der Kern des geistlichen Leibes, der jetzt schon auf Erden sich vorbereitet.
Zweitens: Es wird ein Leib voll Glanz und Herrlichkeit sein, ein Leib der Klarheit. Die Lichtfülle Gottes wird durch ihn hindurchscheinen. Er wird von unaussprechlicher Schönheit sein. Der Glanz von Tabor wird über jedem Leibe erstrahlen. Der jetzige Leib ist dem gegenüber unansehnlich. Die Schönheit auf Erden ist selten. Und selbst dort, wo sie vorhanden ist, fehlen Schatten nicht. Mit welchen Mitteln muss die dürftige Schönheit oft aufrechterhalten werden! Und sie nimmt ab. Die Schönheit verliert sich im Laufe des Lebens, und im Tode stirbt auch sie. „Auch das Schöne muss sterben“, sagt Friedrich Schiller. Der Auferstehungsleib dagegen ist von unvergänglicher Schönheit. Seine Schönheit strahlt die Schönheit der Seele wider. Die vom Heiligen Geist erfüllte, die durchleuchtete und durchfeuerte Seele ist fleckenlos, und so fleckenlos und makellos wird auch der Leib, der Auferstehungsleib, sein.
Es ist drittens ein Leib voll Kraft und Beweglichkeit. Er ist also nicht träge und ermüdbar; er ist nicht schwach und matt; er ist nicht debil und bresthaft; er bewegt sich mit Leichtigkeit und Schnelligkeit, nicht mühsam und mit Anstrengung. Wir wissen nur allzu gut, wie schwach unser gegenwärtiger Leib ist, wie erdenschwer, wie ermüdbar, wie gebrechlich, wie gefährdet, wie hinfällig, wie kränklich. Wie rasch ermatten wir bei der Arbeit! Wie schnell nehmen wir Keime in uns auf, die uns krank machen! Der Auferstehungsleib ist kraftvoll und stark. Er ist geschmeidig und leichtfüßig. Der Auferstehungsleib lässt in seiner Kraft nicht nach und vergeht nicht.
Es ist deswegen viertens ein Leib von wahrhaft geistiger Art. Das heißt: Der Auferstehungsleib besitzt Eigenschaften, die wir jetzt nur vom Geiste kennen. Darum die Unverweslichkeit und der Glanz und die Kraft. Sie kommen von der verklärten Seele her, mehr noch, vom Geiste Gottes, der unsere Seele durchströmt. Unser gegenwärtiger Leib ist irdisch, stofflich, aus Teilen zusammengesetzt, materiell und deswegen vom Zerfall bedroht, dem er einmal unterliegen wird. Der Auferstehungsleib ist dem Geist unterworfen, frei von irdischen Begierden, rein und lauter, in voller Harmonie mit der Seele.
Nun könnte, meine lieben Freunde, jemand sagen: Das klingt alles so fremd, so phantastisch, beinahe unglaublich. Laufen wir hier Phantastereien nach oder stehen wir hier auf festem Grund? Dass wir keinen Phantastereien nachlaufen, ergibt sich daraus, dass es Menschen gibt, die schon einmal einen solchen Auferstehungsleib kennengelernt haben. Es sind die Jünger Jesu. Bereits auf dem Berge Tabor erhielten sie einen Vorgeschmack der Wirkung der Auferstehung, als Jesus, d.h. sein Leib vor ihnen verklärt wurde. Markus gebraucht hier das Wort „verwandelt“. Der Evangelist sagt, der Leib Jesu wurde „verwandelt“. Es brach gewissermaßen die göttliche Lichtfülle durch ihn hindurch. Er nahm die Erscheinungsform und die Daseinsform an, die den Himmlischen vorbehalten ist. Das Geschehen von Tabor ist kein Märchen; es ist von drei Jüngern zweifelsfrei bezeugt worden.
Richtig erlebt haben die Jünger den Auferstehungsleib nach der Auferstehung des Herrn. Er trug und trägt alle die Eigenschaften in sich, die wir eben geschildert haben. Augenzeugen haben Jesus gesehen, nicht einmal, sondern mehrmals, nicht einer, sondern viele, fünfhundert Brüder auf einmal. Sie können uns erklären, wie der Auferstehungsleib Jesu beschaffen war. Er hatte vier Eigenschaften, nämlich er war leidensunfähig, er war leuchtend wie die Sonne, er war schnell wie der Gedanke, und er war durchdringend, so dass er bei verschlossenen Türen eingehen konnte. Haben Sie schon einmal beobachtet, wie oft von dem auferstandenen Jesus gesagt wird, er sei nicht erkannt worden? Ich kann 4 Stellen nennen, wo das geschieht. Als Maria Magdalena am Grabe Jesu war und Jesus ihr erschien, da hielt sie ihn für den Gärtner. Die Emmausjünger sind mit dem auferstandenen Herrn gewandert, aber er erschien ihnen in anderer Gestalt. Sie erkannten ihn nicht. Erst beim Brotbrechen fiel es wie Schuppen von ihren Augen. Als Jesus den elf Jüngern auf einem Berg in Galiläa erschien, da zweifelten einige. Sie waren sich seiner Identität nicht sicher. Und als der reiche Fischfang in dem See von Tiberias geschah und Jesus am Rande, am Ufer stand, da wussten die Jünger nicht, dass es Jesus war. Erst Johannes begriff plötzlich durch den reichen Fischfang: Es ist der Herr. Wie erklärt sich denn dieses Nicht-Kennen? Es erklärt sich daraus, dass der auferstandene Jesus eine andere Gestalt angenommen hat. Er ist nicht als der erschienen, der auf Erden in Galiläa und Judäa mit den Jüngern gewandelt ist, sondern er hat eine andere Gestalt angenommen, gewiß nicht die Lichtgestalt des Himmels, aber auch die andere Gestalt, die ihn auf Erden sprechen, essen und erscheinen ließ, auch diese andere Gestalt war verändert gegenüber der Gestalt, die Jesus hatte, als er mit den Jüngern in den Tagen seines öffentlichen Wirkens wanderte.
Der verklärte Leib Jesu besaß und besitzt die erwähnten Eigenschaften nicht für sich allein. Was an Jesus geschieht, muss an denen geschehen, die zu Jesus gehören. Ich sagte schon: Er ist der Stammvater, er ist der neue Adam. Und alle, die zum neuen Adam gehören, müssen in die Gemeinschaft des Verklärungsleibes mit Jesus eintreten. Wir sollen als seine Brüder und Schwestern auch dem Leibe nach an seiner Auferstehungsherrlichkeit teilnehmen. Wenn der Herr wiederkommt, wenn das große Ereignis eintritt, auf das wir harren, dann wird er die Menschen verwandeln, dann wird er die Leiber der Menschen verwandeln, am Jüngsten Tage, am Letzten Tage, am Auferstehungstage, da wird der Tod überwunden werden, auch für den Leib, und wir werden strahlend und herrlich auferstehen, vergleichbar der Herrlichkeit des auferstandenen Heilandes. Deswegen, meine lieben Freunde, lassen Sie uns nicht zweifeln! Lassen Sie uns nicht irrewerden an der Verkündigung unserer Kirche! Wir wollen gläubig im Glaubensbekenntnis bekennen: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten.“ Wir wollen nicht müde werden, auf die Auferstehung des Leibes zu hoffen. Wir wollen auch nicht müde werden, uns durch würdigen Umgang mit unserem Leibe auf die Auferstehung vorzubereiten.
Sie haben vielleicht schon einmal den Namen des Philosophen und Historikers Josef von Görres gehört. Er zählt zu uns. Er lebte ja in Koblenz und war später in München. Als sein Sterbetag kam, ließ sich Josef von Görres aus den Briefen des Apostels Paulus vorlesen. Man las die Stelle: „Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt wird in Unverweslichkeit.“ Da ging ein Leuchten über das Antlitz des Josef von Görres, und mit verklärter Stimme sprach er. „Jetzt ist’s genug. Jetzt wird alles seinen rechten Gang gehen.“
Amen.