Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
7. Oktober 2018

Sehet zu, dass ihr vorsichtig wandelt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Epistel der Messe des heutigen Sonntags hebt an mit drei Mahnungen. Erstens: „Sehet zu, dass ihr vorsichtig wandelt, nicht wie Toren, sondern wie Weise.“ Zweitens: „Nützet die Zeit aus, denn die Tage sind böse.“ Drittens: „Seid nicht unverständig, sondern erkennet, was der Wille Gottes ist.“ Diese Mahnungen sind zeitlos gültig; sie gelten auch uns. „Sehet zu, dass ihr vorsichtig wandelt, nicht wie Toren, sondern wie Weise“ ist die erste Mahnung. Vorsichtig wandelt, wer sein Gehen und Stehen, sein Reden und Handeln bedenkt, wer auf den Weg und die Hindernisse des Weges achtet. Vorsichtig wandelt, wer mit Überlegung wandelt, nicht blindlings, nicht aufs Geratewohl. „Tue nichts ohne Überlegung, so wirst du nach der Tat nichts zu bereuen haben“, schreibt das Buch der Weisheit im Alten Testament. Absichten und Planungen wollen bedacht sein. Man muss an die eigenen Kräfte und an die Auswirkungen der eigenen Handlungen denken. Man darf sich nicht von Wünschen und Gefühlen leiten lassen, sondern muss den Verstand benutzen und Rat bei kompetenten Personen suchen. Man denke an die Berufswahl, an die Gattenwahl. Sie müssen mit Überlegung und Umsicht getätigt und vor Gott gebracht werden. Die Bretonen haben ein Sprichwort, es lautet: Gehst du in den Krieg, so bete einmal. Gehst du zur See, so bete zweimal. Gehst du aber in die Ehe, so bete dreimal. Vorsichtig wandelt, wer sich vor Übertreibung hütet. Alles Übertriebene ist gefährlich. Übertrieben handelt, wer über seine Kräfte ein Anliegen, ein Unternehmen, ein Geschäft betreibt. Der Unternehmer Anton Schlecker dehnte seinen Drogeriemarkt ins Unermessliche aus. Zum Schluss hatte er 11000 Filialen. Doch er hatte sich übernommen. Das Unternehmen brach zusammen, seine Führungsspitze, auch er musste sich vor Gericht verantworten. Übertrieben handelt im Sport, wer seine Kräfte überspannt, Leistungen erstrebt, die seinem Vermögen nicht möglich sind. Vorsicht rät zum Maßhalten in allen Regungen und Handlungen. Überanstrengung und Zügellosigkeit rächen sich allemal. Vorsichtig wandelt, wer im Erfolg nicht übermütig wird und in der Niederlage nicht verzweifelt. Übermütig ist, wer im Vertrauen auf eigene Kraft oder fremde Hilfe Aktionen in Gang setzt, in denen er scheitern muss, weil er seine Kräfte überspannt. Nichts ist gefährlicher, als die eigenen Kräfte zu überschätzen und die Kräfte des Gegners zu unterschätzen. Genau das hat Hitler gemacht. Als er 1939 auf den Krieg zusteuerte, da rieten ihm seine Generäle ab, und sein Minister Göring sagte: „Was Sie da machen, das ist ein Vabanquespiel“, d. h. hier wird alles auf eine Karte gesetzt. Hitler antwortete ihm: „Ich habe immer Vabanque gespielt.“ Darauf Göring: „Wenn wir den Krieg verlieren, dann gnade uns Gott.“ Es ist nicht möglich auf Erden, jedes Risiko zu meiden. Nicht immer liegen die Verhältnisse so offen, dass man sich des Erfolges sicher sein kann. Man muss Risiken eingehen, aber es muss ein kalkuliertes Risiko sein, also ein Risiko, das auch Erfolgschancen hat, nicht von vorneherein zum Untergang verurteilt ist. Der Heiland mahnt, wie man sich verhalten soll, und hat gezeigt, wie man angesichts eines Unternehmens vorgehen muss: „Wer von euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuvor hin und berechnet die Kosten, ob er auch die Mittel habe, um den Bau zu vollenden? Sonst könnte es geschehen, wenn er den Grund gelegt hat und nicht zu Ende führen kann, dass alle, die es sehen, anfangen, ihn zu verspotten: Dieser Mann hat angefangen zu bauen, und kann nicht vollenden.“

Paulus unterscheidet den Toren vom Weisen. Wer ein Tor ist, das hat der Herr in dem Gleichnis von dem reichen Mann geschildert: Sein Land hatte guten Ertrag gegeben. Da überlegte er bei sich: Was soll ich machen? Ich habe nicht Platz genug, meine Ernte einzubringen und aufzubewahren. Da sagte er: So werde ich es machen: Ich reiße meine Scheunen nieder und baue größere. Dort werde ich meine ganze Frucht und alle meine Habe aufspeichern. Dann werde ich zu meiner Seele sprechen: Seele, du hast viele Güter, ruhe aus, iss und trink und lass es dir wohl sein. Gott aber sprach zu ihm: Du Tor! Noch in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Er hat auch gezeigt, wer weise ist. Der Weise baut sein Haus auf einen Felsen. Da kam ein Platzregen, da stürzte der Regen nieder, Ströme flossen, die Winde brausten und warfen sich auf das Haus. Aber es stürzte nicht zusammen, denn es war auf einen Felsen gebaut. Die Heilige Schrift mahnt zur Wachsamkeit. „Wer zu stehen glaubt, der sehe zu, dass er nicht falle.“

Die zweite Mahnung lautet: „Nützet die Zeit, denn die Tage sind böse.“ Die Zeit, meine lieben Freunde, ist ein Geschenk Gottes. Sie ist uns gegeben, damit wir sie benützen, um tätig zu sein nach Gottes Willen. Kein Tag, der vergangen ist, kehrt zurück. Jeder Tag ist einmalig. Wir müssen die Zeit nutzen, denn wir wissen nicht, wie viel Zeit wir noch haben. „Nie stille steht die Zeit, der Augenblick entschwebt, und den du nicht benutzt, den hast du nicht gelebt“, heißt es in einem Gedicht von Friedrich Rückert. Immer die gegenwärtige Stunde ist die Stunde Gottes. „Der morgige Tag ist ein ungewisser Tag, und wer hat es dir verbürgt, dass du ihn erleben wirst.“ Zur Begründung der Aufforderung die Zeit zu nutzen, gibt Paulus an: die Tage sind böse. Was meint er damit? Er erinnert daran, dass der Fürst dieser Welt Satan ist. Es gibt ein böses Prinzip in dieser Welt; wir nennen es den Teufel. Der Teufel söhnt sich niemals mit der menschlichen Natur aus. Er führt einen Krieg ohne Ankündigung und ohne Waffenstillstand. Durch die beiden Übel Stolz und Neid ist er obenan. Der Teufel hat auch viele Apostel, mehr als zwölf. Johannes erklärt uns, dass die Welt ganz in der Gewalt des Bösen ist. Er nennt als hauptsächliche Kennzeichen des Bösen Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens.

Wie ist die Zeit auszunutzen? Indem wir Gott suchen, indem wir in allem fragen: Was will Gott von mir? Was will er heute von mir? Wie soll ich handeln, um seinen Willen zu erfüllen? Das muss unser ständiges Gebet sein: „Gib mir, o Gott, himmlische Weisheit, vor allem dich zu suchen und in allem dich zu finden.“ Wie ist die Zeit auszunutzen? Durch Gebet. Das Gebet ist die Hauptquelle jeglichen Gutes, das Werkzeug zur Erlangung des Heiles und des ewigen Lebens. Wer das Gebet flieht, der flieht das Gute überhaupt, er trennt sich von Gott. Wie ist die Zeit auszunutzen? Durch Besserung unseres Lebens. Ein jeder von uns hat Schwächen. Ein jeder von uns weiß, dass er noch lange nicht das ausgebildet hat, was Gott in ihm sehen will. „Jetzt ist noch Zeit, um das Gute zu tun und dem Bösen zu widerstehen. Aber es wird der Augenblick kommen, wo du einen einzigen Tag oder eine Stunde dir wünschen wirst, um dich zu bessern. Aber ich weiß nicht, ob du sie erlangen wirst.“ Wie ist die Zeit auszunutzen? Durch Arbeit. Jetzt ist die Zeit der Arbeit, einst kommt die Zeit des Lohnes. Der uns Kräfte zur Arbeit gibt, wird am Tage des Gerichtes einen damit übereinstimmenden Fleiß von uns fordern. Die Tätigkeit ist das, was den Menschen glücklich macht. Ernste Tätigkeit söhnt zuletzt immer mit dem Leben aus. Wie ist die Zeit auszunutzen? Durch Taten der Nächstenliebe. „Das ist mein Gebet:“, spricht der Herr, „liebet einander, wie ich euch geliebt habe.“ Wie hat er uns geliebt? Bis zum letzten Blutstropfen. Johannes schreibt: „Wir haben von Gott dieses Gebot. Wer Gott liebt, muss seinen Bruder lieben.“ Und Paulus ruft uns zu: „Lasst uns, solange wir noch Zeit haben, jedem Gutes erweisen.“ Der heilige Pfarrer von Ars hat einmal in einer Predigt gesagt: „Hätten die Verdammten die Zeit, die wir manchmal so unnütz vertun, welch heilsamen Gebrauch würden sie davon machen. Hätten sie nur eine halbe Stunde Zeit; diese halbe Stunde entvölkerte die Hölle.“

Die dritte Mahnung, die Paulus an uns richtet, lautet: „Seid nicht unverständig, sondern erkennet, was der Wille Gottes ist.“ Verständig ist, wer den Verstand benutzt; unverständig ist, wer den Verstand nicht benutzt, wer nur nachspricht und nachmacht, was die Masse sagt und tut. Und doch mahnt uns der Apostel Paulus, indem er an die Gemeinde in Rom schreibt: „Gestaltet euch nicht dieser Weltzeit gleich, sondern wandelt euch um durch Erneuerung eures Geistes, dass ihr prüft, was der Wille Gottes ist: das Gute, das Wohlgefällige, das Vollkommene.“ Unverständig ist, wer nach den Gepflogenheiten dieser Welt handelt. Wir sind doch gemahnt worden, vor allem von Johannes: „Habet die Welt nicht lieb, noch das, was in der Welt ist. Denn alles, was in der Welt ist, das ist Fleischeslust, Augenlust und Hoffart des Lebens.“ Der Apostel Jakobus sagt: „Wisst ihr nicht, dass die Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist?“ Wer also ein Freund dieser Welt sein will, der wird ein Feind Gottes. Unverständig ist, wer unvernünftig handelt. Vernunft ist uns Menschen gegeben von Gott als köstliche Gabe, als Teil der Ebenbildlichkeit, die wir mit Gott haben. Vernunft ist das geistige Erkenntnisvermögen im Gegensatz zur Sinnlichkeit. Sie meint im Unterschied zum Verstand die höhere Geistigkeit, die auf Zusammenhang und abschließende Einheit des Wissens und Handelns zielt. Im Menschen muss immer die Vernunft die Führung haben, nicht die Leidenschaft oder der Trieb. Wir sind umso freier, je mehr wir der Vernunft gemäß handeln, umso mehr geknechtet, je mehr wir uns von Leidenschaften leiten lassen. Die meisten Menschen leben mehr nach der Mode als nach der Vernunft. Mit der Unvernunft und Unbedachtheit zerstört der Mensch die Erde und sein Leben. Die Vernunft muss durch den Glauben geformt und ergänzt werden. Ohne den Glauben, je sich selbst überlassen, ist die menschliche Vernunft ihres höchsten Lichtes beraubt. Die Vernunft ist darauf angelegt, aus der Schöpfung deren Urheber, aus der Natur der Dinge deren Gesetze zu erkennen. Was wir einsehen, verdanken wir der Vernunft; was wir glauben, verdanken wir der Autorität Gottes; was wir meinen, verdanken wir dem Irrtum. Unverständig ist, wer nur auf seine eigene Kraft und Einsicht baut. Bei allem, was wir denken und tun, muss Gott dabei sein. Im Psalm 127 heißt es: „Wenn der Herr das Haus nicht baut, dann bauen die Bauleute vergebens. Wenn der Herr die Stadt nicht bewacht, dann wachen die Wächter vergebens.“ Die Rechnung, die Menschen ohne Gott machen, geht niemals auf. Das Buch von der „Nachfolge Christi“ mahnt uns: „Die Abgeschiedenheit des Ortes schützt dich nicht, wenn dich nicht die heilige Flamme des Geistes bewacht. Es steht keine Heiligkeit fest, wenn du, Herr, deine Hand zurückziehst. Es nützt keine Weisheit, wenn du, Herr, nicht regierst. Es hilft keine Tapferkeit, wenn du, Herr, nicht beistehst. Es dauert keine Keuschheit, wenn du, Herr, sie nicht schützest. Es nützt keine eigene Wachsamkeit, wenn dein heiliges Auge nicht wacht.“ Unverständig ist, meine lieben Freunde, wer gegen Gottes Willen handelt. Was gegen Gottes Willen getan wird, kann nicht zum Heile gereichen. Die Welt ist so gebaut, dass sie einen friedlichen und wohltätigen Lauf nur nimmt, wenn Gottes Gesetze beachtet werden. Was ist der Wille Gottes über uns? „Das ist der Wille Gottes: eure Heiligung.“ Die Vollziehung des Willens Gottes erlangt die Verheißung. Der Apostel mahnt uns: „Sehet zu, das ihr vorsichtig wandelt, nicht wie Toren, sondern wie Weise. Nützet die Zeit aus, denn die Tage sind böse. Seid nicht unverständig, sondern erkennet, was der Wille Gottes ist.“ Hören wir, meine lieben Freunde, seine Ermahnungen, wenden wir sie an. Die Zeit ist da, dass das Gericht beim Hause Gottes beginnt. Wenn es aber bei uns anfängt, was wird dann das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht glauben?

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt