13. Mai 2007
Bitten im Namen Jesu
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Wir stehen am Beginn der Bittwoche. In der Mitte ist das Fest Christi Himmelfahrt. Diese Bittage unmittelbar vor dem Scheiden des Heilandes haben eine tiefe Bedeutung. Wir wollen dem Herrn, der von der Erde scheidet und zum Vater geht, gleichsam unsere Bitten mitgeben. Wir wollen ihm unsere Anliegen anvertrauen, damit er sie bei seiner Heimkehr dem Vater ans Herz lege. Darum fordert die Kirche uns auf, sich mit ihr zu vereinigen im Flehen um Hilfe für uns selbst, für unsere Angehörigen, für unser Volk und für die ganze Christenheit. Christus selbst, wie wir gerade gehört haben, fordert uns ja auf zu vertrauensvollem Bittgebet. „Wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bitten werdet, wird er es euch geben. Bittet, so werdet ihr empfangen!“
Viele Menschen haben den Wert des Gebetes nicht begriffen. Es gibt auch Christen, die das Gebet als halbe Zeitverschwendung ansehen. Und doch ist es gerade das Gegenteil. Es ist Kraftsammlung. Noch nie ist im Reiche Gottes etwas Großes geschehen, ohne dass es durch Gebet vorbereitet und begleitet worden wäre. Beten ist der Atem der Seele. Wenn der Atem stockt, setzt das Herz aus. Wir haben das Gebet nötig, weil wir Gott nötig haben. Beten ist nämlich ein Brückenschlag zu Gott. Beten ist ein geistiges Aufschauen aus der Tiefe zum göttlichen Licht. Beten ist ein Rasten am Herzen Gottes, ein Sich-Beraten mit einem uns verstehenden Freund, eine Kinderbitte um den Vatersegen, ein Kraftschöpfen aus unerschöpflicher Brunnentiefe. Vom heiligen Augustinus stammt das schöne Wort: „Nur der weiß recht zu leben, der recht zu beten versteht.“ Nur der weiß recht zu leben, der recht zu beten versteht.
Im heutigen Evangelium mahnt uns der Herr zum Bittgebet, eine besondere Form des Gebetes. Er will, dass wir flehen und uns an ihn wenden. Er wartet auf unseren Hilferuf. Wir dürfen ihn anrufen. Das ist ein Glück, meine lieben Freunde. Was wäre es schrecklich, wenn Gott ein Gott ohne Ohren wäre, wenn Gott ein Gott wäre, zu dem wir uns nicht wenden dürften. Wie wäre unser Leben dunkel und hoffnungslos, wenn Gott uns so fern bliebe, dass unsere Stimme nicht zu ihm hindringen könnte! Es gibt Menschen, die meinen, ein Bittgebet sei des Menschen unwürdig. Man solle sich durch Arbeit sein eigenes Auskommen und Verdienst verschaffen. O ja, das ist nicht falsch. Im irdischen, im natürlichen Bereich sollen wir arbeiten. Es heißt nicht umsonst: „Bete und arbeite!“ Und der heilige Ignatius hat es noch deutlicher ausgedrückt: „Bete so, als ob alles vom Gebet abhinge, und arbeite so, als ob alles allein von der Arbeit abhinge!“
Wir brauchen aber auch das Gebet, weil wir schwach und hilfsbedürftig sind. Wir bedürfen des Segens, weil wir mit unserer Kraft oft am Ende sind. Es soll sich Gottes Gnade mit unserer Kraft vereinigen. Das ist der Sinn des Gebetes. Wir sollen nicht durch das Gebet unsere Bemühungen ersetzen, sondern wir wollen damit eine Brücke schlagen, auf der Gottes Gnade zu uns herabsteigt, damit sich die göttliche Kraft mit unserer menschlichen Schwachheit verbinde.
„Bittet, so werdet ihr empfangen!“ spricht Jesus. Er sichert uns also die Erlösung zu. Aber widerspricht diese Versicherung nicht unserer Erfahrung? Haben wir nicht schon oft gebetet, ohne erhört zu werden? Beachten wir, dass der Herr seiner Versicherung eine Bedingung beisetzte: „Wenn ihr in meinem Namen bittet!“
Im Namen Jesu bitten heißt erstens unter Anrufung des Namens Jesu bitten. Es ist dies der süßeste, der beglückendste aller Namen. Es ist dies der mächtigste, der kraftvollste aller Namen. Im Namen Jesu werden Dämonen ausgetrieben. Im Namen Jesu werden Kranke geheilt. Im Namen Jesu werden auch Bitten erhört. Der Vater im Himmel kennt diesen Namen und liebt seinen Träger. Wer im Namen Jesu zu ihm kommt, ist der Aufnahme sicher.
Im Namen Jesu bitten heißt im Vertrauen auf seine Verdienste bitten. Er hat für uns genuggetan. Er hat für uns das bittere Leiden getragen. Er zeigt dem Vater im Himmel seine Wundmale, wenn er für uns eintritt. Wie könnte der Vater von diesen Spuren einer todesverachtenden Liebe absehen, wenn Jesus für uns bittet?
Im Namen Jesu bitten heißt durch ihn zum Vater treten. Er ist unser Mittler. Wir legen unsere Bitten in seine Hände, auf dass er sie dem himmlischen Vater vortrage. Er gilt mehr vor Gott als wir. So beten wir „durch“ Jesus zum Vater. Viele Male in der heiligen Messe richten wir unsere Gebet zum Vater „durch“ Jesus. Er kommt bei Gott besser an als wir.
Im Namen Jesu bitten heißt nach dem Sinne, den Absichten, den Plänen Jesu bitten. Also für das Werk, dem sein Leben und Sterben gegolten hat. Für sein Reich und seine Kirche. Im Namen Jesu bitten heißt Jesu Anliegen uns zu eigen machen und dem Vater vortragen. Dass seine Ehre gefördert werde. Dass sein Reich komme. Dass sein Wille geschehe. Dass alle Menschen zu ihm finden.
Eine Dame aus unserer Gemeinde, die auch heute unter uns weilt, hat begriffen, was es heißt: für die Anliegen Jesu bitten. Sie bestellte bei mir zehn heilige Messen in folgender Intention: für Priester nach dem Herzen Jesu, für den Heiligen Vater, für die Missionare in aller Welt, für den Frieden auf Erden, für das ehedem auserwählte Volk Israel, für die Ungläubigen und Abergläubigen, für die Hunger und Not leidenden Menschen, für die Schwerkranken und Sterbenden, für die Jugend, für unser Vaterland. Wahrhaftig, diese Dame hat begriffen, was es heißt: im Namen Jesu bitten.
Im Namen Jesu bitten heißt in seiner Absicht bitten, nach seinem Willen bitten. Nicht Gott soll in unseren Willen einstimmen, sondern wir sollen in Gottes Willen einstimmen. Im Namen Jesu bitten heißt also: gemäß seiner göttlichen Anordnung bitten, gemäß der rechten Wertordnung, gemäß der göttlichen Heilsveranstaltung bitten. Gottes oberstes Ziel für uns ist: uns zum Heil zu führen. Diesem Ziel ist alles andere untergeordnet. Wir dürfen unsere täglichen Anliegen vor Gott bringen. Er selbst hat uns ja gelehrt, um das tägliche Brot zu beten. Aber bei all diesen Bitten gilt es die Ordnung des Heils zu beachten.
Im Namen Jesu bitten heißt in seiner Gesinnung bitten. Welches ist seine Gesinnung? Es ist die Gesinnung vom Ölberg: Nicht wie ich will, sondern wie du willst. Das heißt: Wir müssen in Ergebung bitten. Gott bleibt der Herr, auch gegenüber allen Bittgebeten. Er lässt sich nicht zwingen. Er regiert in souveräner Freiheit. Er lässt sich seine Entschlüsse nicht vorschreiben, auch nicht vom Beter.
Im Namen Jesu bitten heißt: in Geduld auf die Erhörung warten. Gott bestimmt die Zeit der Erhörung. Seine Uhr schlägt anders als die unsere. Wer im Namen Jesu bittet, darf rufen und flehen, er darf beharrlich und zuversichtlich beten, aber er muss auch warten können. Gott lässt sich nicht vorschreiben, wann er eingreift. Gott hilft immer, wenn wir im Namen Jesu bitten, aber er kommt oft eine Viertelstunde oder ein Vierteljahr später, als wir meinen, dass er kommen müsste, um unseren Glauben zu erproben.
Im Namen Jesu bitten heißt endlich: ihm die Art der Erhörung überlassen. Gott erhört die im Namen Jesu vorgebrachten Gebete, aber er erhört sie auf seine Weise. Wir sind blind oder kurzsichtig, Gottes Auge ist hell, schaut weiter und tiefer als unser Auge. Er weiß besser als wir, warum unsere Wünsche nicht in Erfüllung gehen können. Er kann nicht gewähren, was uns zum Schaden ausschlagen würde. Er muss uns versagen, was uns Unheil brächte.
Das also heißt: im Namen Jesu bitten. Kein Gebet, das in seinem Namen vor den himmlischen Vater gebracht wird, ist vergebens. Gott steht zu den Verheißungen seines Sohnes. Hören wir nicht auf, zu rufen und zu flehen. In den großen Anliegen Gottes und der Kirche. In den vielen Sorgen und Nöten unseres eigenen Lebens. Bitten wir Gott um Erhörung. Aber bitten wir stets im Namen Jesu.
Amen.